BRUT:stätte

Der Zug fährt an einer kleinen Siedlung im unteren Drautal vorbei und für einen Moment sehe ich, wie auf dem Misthaufen der Hahn thront und rundherum ein paar Hühner sind. Während meiner Kindheit in Politzen sah ich es täglich, wie der Hahn mit einer Schar von Hühnern am Misthaufen im Hof nach Würmern, Käfern und Engerlingen geschart hat, es war ein Paradies für Hühner. Orte wo etwas Neues entsteht werden als „Brutstätten“ bezeichnet. Der Zug passiert als nächstes die Bahnstation Ferndorf, wo sich entlang den Geleisen das Heraklithwerk ausgebreitet hat. Beim Bahnübergang in der Ortschaft Rothenthurn, steht heute noch das Bahnschrankenwärterhaus, wo früher die Bacher Mitzi gewohnt hat, von uns Kindern liebevoll die „Eiertante“ genannt. Hierher brachten wir die Eier zum Verkauf, welche uns die Mutter zu hause sorgfältig im Rucksack verstaut hatte. Von Politzen Berg hinunter in die Beinten und dann der Bahnstrecke entlang nach Rothenthurn war ein weiter Weg, etwa sechs Kilometer. Je nach Witterung konnte der Marsch sehr beschwerlich sein. Nach mehreren Regentagen trat das „Bombachl“ über das Ufer und setzte den Feldweg unter Wasser. Behelfsmäßig wurden dann Bretter zum Überqueren der Wasserstellen ausgelegt, trotzdem kamen wir oft mit nassen Füssen nach Rothenthurn. Die Strecke vom Bahnschrankenwärterhaus in Beinten bis zum Bahnschrankenwärterhaus in Rothenthurn war für uns Kinder unheimlich, da es dazwischen keine Häuser gab, dafür viel Schilf, Sträucher und Auwald. Der Feldweg wurde von den Einheimischen kaum benützt, wohl aber von durchziehenden Scherenschleifer, Kesselflicker und Wanderburschen, die uns Kinder Angst machten. Vor ihnen wurden wir von den Eltern gewarnt und man erzählte sich, dass schon Kinder von den Handwerksburschen verschleppt, „vazaht“ wurden. Einen Sommer lang soll sich angeblich ein Mörder in den Auen versteckt haben.

Als wir das Moped zum „Eierführen“ benützen konnten, ging es viel schneller. Für die Mutter war es wichtig, dass wir die Eier sturzfrei zur Bachermitzi brachten. Die Mutter wollte es genau wissen, wie viel sie für die Eier bezahlt hat. Dabei spielten zehn Groschen, die die Bachermitzi mehr oder weniger bezahlte eine große Rolle. Die „Eiertante“ bezahlte je nach Größe der Eier und je nach Jahreszeiten unterschiedlich viel. Sie verkaufte die Eier am Spittaler Wochenmarkt. Vor dem Bahnschranken stauten sich im Sommer viele Autos, bis der Bahnübergang durch den Bau der Schnellstraße und später durch den Bau der Tauernautobahn seine Bedeutung verlor. Durch die Verlagerung des Durchzugsverkehr aus dem Ort verlor auch das Gemischtwarengeschäft mit angeschlossener Tankstelle seinen Umsatz. Waren es in der Reisezeit etwa fünfhundert Semmeln, mit oder ohne Wurst, die an einem Tag verkauft wurden, so waren es nach der Fertigstellung der Schnellstraße gerade dreißig Semmeln. Es war eine Frage der Zeit, bis zum Erreichen des Pensionsalters und das Gemischtwarengeschäft wurde geschlossen.

Eiertante

3 Gedanken zu „BRUT:stätte

  1. Ja, es sind viele kleine Tante-Emma-Läden verschwunden…..im Laufe der Zeit. Bei uns ging das ganz rasant nach der Wende.
    Alles ist steh’s im Wandel. Nur manchmal geht’s ein bisschen zu schnell für uns Menschen, die doch eigentlich die Beständigkeit suchen…….
    Liebe Grüße
    Grey Owl

  2. Ja, die Läden verschwinden, auch in unserem Ort ist mit dem Tod der Greislerin, die bis zu ihrem 73. Lebensjahr den Laden geführt hat, eine Ära zu Ende gegangen. Bald wird ein neuer Supermakrt mitten im Ortszentrum eröffnet. Statt der handgemachten Marmelade, die die Greislerin sogar selbst eingekocht hatte, und den Tomaten aus dem Garten hinter dem Haus, gibt es dann Rotwein aus Südafrika, Milch aus dem Allgäu und Bohnen aus China.

  3. Hallo !

    ……..und es ist fraglich, ob die Erinnerung an die Billa- , Lidl- und Hofermärkte einmal genauso lebendig sein wird, als an “unsere Greisler” ?

    Gruss schlagloch.

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