zünd:funke I

Wie kann man sich die Arbeit, den Arbeitstag eines Schriftstellers vorstellen, werde ich oftmals gefragt? Meistens vor oder nach einer öffentlichen Lesung, auch wenn ich von meinem Blog oder den veröffentlichten Büchern berichte. Ich erzähle wie meine Literaturminiaturen, die Texte, welche ich seit dreizehn Jahren auf  diesem Weblog veröffentliche, zustande kommen. Manche kennen die abenteuerlichsten Anekdoten von Schriftstellern, wie sie der Intuition nachgeholfen haben, wie sie in ihrem Gehirn den Schreibimpuls ausgelöst haben.So gibt es eine Anekdote von einem Autor, der in einer Schublade des Schreibtisches faule Äpfel liegen hatte und durch den Fäulnisgeruch zum Schreiben angeregt wurde. Ein Anderer braucht eine Dose gespitzter Bleistifte, damit seine einmal in Fluss gekommenen Gedanken nicht abreißen. Es gibt Literaten, welche nach einem Viertel Wein von der Muse geküsst werden oder sich genüsslich an den PC setzen und eine Pfeife anzünden. Wahrscheinlich kann jeder der Texte verfasst mit einem persönlichen Schreibimpuls aufwarten. Möglich, dass nach diesem Aufruf  einige ihren ganz persönlichen Schreibimpuls preisgeben? Die Kommentarfunktion ist für alle offen. Dazu gesellen sich die unterschiedlichen Tageszeiten, welche beim Schreiben eine Rolle spielen. Ähnlich wie für andere Tätigkeiten gibt es Morgen-, Abend- oder Nachtmenschen.

Die Ameisenschriftsteller, benützen täglich ihre Notizhefte, die Schreibmaschine oder den PC um ihre Gedanken, Phrasen, Erinnerungen und Spekulationen festzuhalten. Wieder andere warten auf den göttlichen Moment, auf eine spontane Eingebung um diese dann niederzuschreiben. Eine wichtige Rolle spielt auch der Platz zum Schreiben. Ist es immer derselbe Ort oder zieht man es in der Wohnung vor den Ort zu wechseln? Löst erst das Unterwegs sein, die Wartehalle von einem Bahnhof, die Zugfahrt oder ein fremder Ort den Schreibimpuls aus?  Ziehen am Zugfenster die Landschaften und Häuser vorbei trägt dies dazu bei, dass im Kopf die Gedanken zu fließen beginnen.

Explosion

eigen:heim

Mit den verlebten Jahren gehen die Bewohner eine innige Gemeinschaft mit ihren Häusern ein. Dies trifft bei einem Einfamilienhaus stärker zu, als bei einem Mietshaus. Durch die Schicksalsstunden welche man dort erlebt hat, verstärkt. Mit dem Älterwerden sieht man im Hausbesitz keinen Ruhepol mehr, sondern einen Unruhepool im Leben. Der Besitz hält einen ständig auf Trapp, ein Mühlrad welches immer in Bewegung ist. Man wünscht sich sehnlichst den Tag herbei nicht länger das Mühlrad zu sein. Die Funktion des Mühlrades abzugeben und das Haus zu vermieten. Danach gibt man sich mit weniger Wohnraum zufrieden, um die Ruhe  zu genießen. Monate später steht man bei einem Besuch vor einem neuen Gartentor und einem fremden Namen daran. Der Eingang hat sich total verändert. Die Skulpturen im Innenhof und die Dekorierung der Veranda zeugen von einem andersartigen Geschmack. Dem bodenständigen Empfinden entspricht die Ausstaffierung nicht, sie wird als nicht vertraut angesehen. Der Wind weht aus dem Südosten. Ab und zu verreist man mit Goethe in den Süden, besser noch mit Montaigne, dort wo die Zitronenbäume blühen.

Bei allem spielt die Sorge mit, das Haus könnte einen fremden Geruch annehmen. Obwohl man darin Jahrzehnte gewohnt hat, kommt es einem fremd vor. Es ist vernünftiger in einem kleineren Umfeld zu leben, als von der Erhaltung eines Hauses erdrückt zu werden.

Heimat ist nur geliehen 

auf:wiedersehen

Außer mit dem üblen Nachruf, Einen schönen Tag noch, wird man in manchen Geschäften noch mit dem traditionellen Auf Wiedersehen  verabschiedet. Üblicherweise wenn man sich zum Gehen wendet, auf die Ladentür zuschreitet. Das Gegenstück, wenn man beim Eintreten in das Geschäftslokal mit einem Grüß Gott begrüßt wird. Im ersten Moment war mir nicht klar, lag das Auf Wiedersehen der Backwarenverkäuferin sofort nach dem Bezahlen ihrer Absicht zu Grunde in die Mittagspause zu entschwinden? Ich war gerade dabei aus meiner Jacke eine kleine Plastiktragtasche zu ziehen, um die Backwaren zu verstauen. Ich ordnete den Gruß der Verkäuferin der Absicht zu, nach Hause zu gehen. Heutzutage arbeiten viele Frauen als Teilzeitkräfte, war für sie Dienstschluss? Dies war nicht der Fall. Zur Erklärung bekam ich die Bemerkung, stehe ich vor der Tür, wäre es für einen Abschiedsgruß zu spät. Meinem Empfinden nach war ich von der Absicht, die Bäckerei zu verlassen, weit entfernt. Es dürfte die Art der Verkäuferin sein, alles in einem Aufwaschen zu erledigen. Den Willkommensgruß, die Bedienung, das Kassieren und die Verabschiedung, alles non Stop. Ohne darauf zu achten in welchem Stadium sich der Kunde, die Kundin gerade befindet. Meinem Gefühl nach schlimmer als bei einem österreichischen Lebensmitteldiscounter, dort habe ich Gefühl, ich soll möglichst schnell aus dem Kassenbereich verschwinden.

Die Kassiererinnen und Kassierer bei manchen Nahversorgern sehen es als Rallysport die Lebensmittel so schnell als möglich am Scanner vorbei zu schleusen. Es ist ein sportlicher Wettbewerb, den Warenberg möglichst rasch von einer Seite auf die andere zu schaffen. Hier trifft in umgekehrter Reihenfolge das Sprichwort, wie man es manchmal in einer Werkstatt sieht, zu: Wir sind hier bei der Arbeit und nicht auf der Flucht. Hierzu könnte ich bemerken, wir sind hier Kunden und keine fliehenden Bankräuber.

Selbstbedienung

miet:wohnung

Mit welchen Gefühlen kämpft jemand, wenn er aus der Wohnung auszieht, in welcher er jahrzehntelang gewohnt hat? Am nächsten Morgen in einem anderen Haus, in einem anderen Schlafzimmer aufwacht? Nach dem Aufwachen nicht sofort weiß, wo er ist und warum er in diesem Zimmer ist. Möglicherweise befindet sich die Schlafzimmertür nicht mehr dort, auf der linken Seite vom Kopfpolster aus, wo sie jahrelang war. Vergleichbar mit der Situation in einem Hotelzimmer aufzuwachen, wo man nicht sofort weis, wo sich die Tür in das Bad befindet.

Bekannte erzählen gerne ihre Episoden über das Eingewöhnen in einem fremden Wohnhaus, einerlei ob es sich um eine Mietwohnung oder eine Eigentumswohnung handelt. In den ersten Wochen horcht man aufmerksam auf die verschiedenen Geräusche, welche in die eigene Wohnung dringen und zu welchen Uhrzeiten. Manches Geräusch ähnelt dem der letzten Wohnung, manches ist ungewohnt. Wann erwacht das Haus am Morgen zu neuem Leben? Ich schreibe absichtlich, Wann erwacht das Haus? Es sind die neuen Wohnungsnachbarn, welche morgens zu unterschiedlichen Zeiten aktiv werden. Die einen haben einen Job der um sechs Uhr morgens beginnt, andere einen klassischen Job, bei dem sie um acht Uhr in der Firma sein müssen. So orientiert sich der Tagesbeginn in der Wohnanlage nach dem Arbeits- und Schulbeginn. Irgendwo fließt das Wasser in das Bad, eine Entlüftung wird eingeschaltet, die Spülung von der Toilette rauscht durch die Abflussrohre. Absätze klappern über die Marmorstufen, im Stiegenhaus sind Stimmen zu hören. Ist es ein Guten Morgen Gruß? Dieser gilt nicht einem selbst, sondern einem Nachbarn, welchen man nicht näher kennt. Bevor man wieder eindöst wird eine Wohnungstür geräuschvoll zugezogen, das weitere Erwachen verschläft man.

Morgendämmerung.

garten:wohnung

Am Vormittag ist es katzenmäusestill, man hat das Gefühl allein in der Wohnanlage zu sein. Die Mitbewohner hat es in alle Richtungen zerstreut, so versäumen sie die Ruhezeiten. In die lärmarme Mittagszeit bricht die Geschwätzigkeit der Kinder. Es gibt einen Unterschied zwischen Null und Eins, zwischen Schultagen und Ferientagen.

Anders als bei den Berufstätigen sowie der Hausfrauen mit ihren Fixzeiten, laufen die Aktivitäten der Pensionisten ab. Diese sind unberechenbar, bei denen lässt sich kein Zeitschema festmachen, ähnlich dem Zufallsgenerator bei der Lottoziehung. Vergleichbar mit dem russischen Roulette. Man weiß nicht, ist die Pistole geladen oder nicht. Der Tagesablauf bei den Senioren gleicht dem eines Vulkan. Niemand kann etwas genaues sagen, wann der nächste Ausbruch kommt. Dies kann am späten Abend oder auch nachts sein, wenn der Druck im Inneren zu groß wird. Sie agieren unvorhersehbar und teilweise weiß ich wovon ich spreche. Plötzlich bedarf es eines Ausbruchs aus der Alltagsroutine. Dabei spielt die Uhrzeit keine Rolle, jede Tages- und Nachtzeit kann dafür rechtens sein.Gleichmäßigkeit und Regelmäßigkeit war einmal und kommt im späteren Alter nicht mehr vor. Sie sind vergangen wie die Schönheit und die Geschmeidigkeit des Körpers.

Der Zeitpunkt, wo sie zurückrudern, ist dann gekommen, wenn die Instandhaltung eines Wohnhauses und die Pflege des Gartens lästig werden. In den meisten Fällen ist das Haus mit der Hilfe der eigenen Hände entstanden. Im Laufe der Jahre hat man von seiner Freizeit viel in die Wartung des Hauses investiert. Die handwerklichen Tätigkeiten waren nicht immer Last, vielfach auch Lust. Das Heimwerken konnten auch die Nachbarn nachvollziehen und es bedeutete Sinnerfüllung für das eigene Leben. Die Stunden, welche man im Gemüse- und Obstgarten gearbeitet hat, übertrafen die Mußestunden. Zuallererst hatte man den Garten für die Muße geplant.

Hollywoodschaukel