ORTS.wechsel

Wir sind mit Bekannten unterwegs und besuchen mit ihnen den Ort Cividale, in der Ebene von Friaul, mit den Kultstätten der Langobarden und der gewagten Teufelsbrücke über die Natisone Schlucht. Von dem Stadtpanorama bin ich jedesmal gefesselt. Wir spazieren über die Piazza,  dabei erezählen sie von den Schwierigkeiten, welche die Schwester verursacht und von den Wünschen der Enkelkinder. Kein Wort zu dem herrlichen Ambiente. Sie blicken erst auf, als sie darauf aufmerksam gemacht werden. 

Es gibt Bekannte, die verbringen die Tage ihrer Pension damit, dass sie ständig verreisen. Sie sind kaum länger als eine Woche in ihrer angestammten Wohnung. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes das Reisefieber. Für mich ist es unvorstellbar ständig unterwegs zu sein, jeden Tag in einer anderen Umgebung zu verbringen. Die immer neuen Eindrücke würden mich erschlagen, ich würde es nicht schaffen meine Eindrücke in den Notizheften aufzuschreiben, sie mental zu verarbeiten. Ein Ausspannen wäre für mich dabei unmöglich, ich hätte das Gefühl an Ort und Stelle etwas zu versäumen, mein Kopf würde von so vielen Informationen zugemüllt werden. Um ihn zu entlasten ist es für mich entspannend, wenn ich die gleichen Urlaubsorte wähle. Viele glauben, dass wenn man viele Orte bereist hat, viel gesehen hat. Dabei ist man vor sich selbst ständig auf der Flucht. Ich leide darunter, dass es mir bis jetzt nicht möglich war, mich mit meinen Aufzeichnungen von der Sommerakademie 2008 in Kremsmünster zu beschäftigen und schon steht die nächste Sommerakademie vor der Tür. 

Ortsbestimmung.

JUNG:alt

Mit dem Älterwerden bringt man zumeist das Nachlassen der Kraft in den Füßen, Atembeschwerden, Sehstörungen oder Unbeweglichkeit in Verbindung. Für junge Menschen stehen ältere Menschen außerhalb ihrer Interessen, sie sind aus ihrer Wahrnehmung ausgeschlossen. Meistens wissen Ältere nichts mit den Begriffen aus der aktuellen Musik- und Filmwelt anzufangen. Auf keinen Fall können sie so spielerisch mit dem Handy und mit dem PC umgehen wie junge Leute. Schon Fünfundzwanzigjährige entrüsten sich über die Respektlosigkeit der Fünfzehnjährigen mit der Bemerkung: „Dies hätten wir uns nicht getraut“. Wie unverständlich erscheint heute vieles einem Fünfundfünfzigjährigen. Die Enkelin protestierte dagegen, dass die Oma gefragt wurde, ob das neue Kleid passt: „Wie kann die Oma wissen was modern ist, sie ist schon alt“. Gut ist es, wenn man im Alter den Humor nicht verliert und sich bei Montaigne Trost holt, der sagt: „Das Alter bringt neue Sorgen, aber es lässt auch alte Sorgen sein“.

Sorglos.

SCHWEINE:grippe

Lese ich in älteren Tagebücher, in meinen sogenannten Notizheften, dann komme ich manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Dabei genügt es schon, wenn ich ein Jahr zurück blättere. Viele werden meinen dies ist kein nennenswerter Zeitraum, auf keinen Fall ein historischer. Bei einem Besuch eines Meeres Aquarium in Crikvenica  konnten wir zusehen, wie ein Krebs mit seinen Zähnen einen Fisch zerkleinert und gefressen hat. Es gab bei den Fischen eine ungeheure Muster- und Farbenvielfalt, dass wir glauben konnte, sie sind für die Besucher extra mit diesen schillernden Farben bemalt worden. Danach einen Abstecher in den „Konzum“. Unter gleichem Namen „Konsum“ war dies einmal die führende Handelskette in Österreich. Die Geschäftseinrichtung hatte das Ambiente der siebziger Jahre. In der Warenvielfalt herrschte ein Chaos, die Artikel wurden wahrscheinlich gerade dort eingeräumt, wo Platz war. Keine Spur von Warengruppen.

In einem Café blätterten wir nach einer Woche Zeitungsabstinenz in der Süddeutschen Zeitung und stellten fest, dass sich noch immer alles um die Schweinegrippe drehte und Berlusconi von seiner Frau verlassen wird. Bei der Heimreise habe ich meine Lebensgefährtin davor gewarnt, bei der Grenzkontrolle zu husten, ansonsten die Gefahr besteht, dass wir in Quarantäne müssen. In Kroatien gab es die ersten Schweinegrippefälle und in den Nachbarstaaten herrschte „Schweinegrippealarm“. Im vergangenen Winter hatte fast jeder dritte Bekannte eine leichte Form von Schweinegrippe.

Der Nächste bitte.

MEHR:meer

Von uns Menschen sagt man, wir kommen und gehen. Das nächstliegende ist das Kommen und Gehen in einem Haus, auf dem Postamt, in der Schule, in einem Café, am Bahnhof oder in einem Geschäft. Die vielen Möglichkeiten deuten auf das unstete Leben des Menschen hin. Manches mal ist damit auch das Kommen und Gehen der Menschen auf Erden, das Geboren werden und das Sterben gemeint. Sitze ich an der Küste bei Selce und blicke auf das Meer ist es so, als würde das Wasser am Strand kommen und gehen. Um mich gelbe und violette Blumen, ein Streifen roten Mohn. Schmetterlinge gleiten durch die Luft, das Summen der Fliegen und der Hummeln, seit einer Stunde kein einziges Boot. Ich fühle mich wie als Kind auf der Wiese in Politzen. Gegenüber der graue Felsen der Insel Krk. Die Stadt Vrbnik klebt wie ein Vogelnest am Felsen, von der Sonne werden die roten Ziegeldächer angestrahlt. Das Wasser wird nicht müde zu Kommen und zu Gehen, da werde ich beim Beobachten früher müde.

Endlos.

LEBENS:genuss

Von der Jugend sagt man, dass sie bei einem zufälligen Treffen auf der Terrasse vom Cafe Platzl oder bei der Autowaschanlage „Fun Wash“ auf die Zeit vergisst. Nach Arbeitsschluss führt der erste Weg beim Kiosk an der B83 vorbei und das Fertigstellen des Gartenzaunes wird auf den nächsten Tag verschoben. Um für die Eltern etwas zu besorgen fehlt oft die Zeit, wenn man nach Hause kommt warten schon die Joggingschuhe auf den Einsatz. Ab geht die Post mit der Freundin, die Gail entlang, in der Almwirtschaft wird zugekehrt. Das Wochenende verbringt man im Cinaplex und irgendwie hat die Freundin die flotteren Sachen, dies ändert man beim Modeshoppen. Die Jungen wollen trendig sein und der Tag soll Spass machen auch wenn das Bankkonto schon schmal geworden ist. Bei größeren Anschaffungen, wie Autos und Wohnungseinrichtung vertraut man darauf, dass alles nach Plan verlaufen wird. Zuerst wird gelebt und dann gespart.

Vor Jahrzehnten war es umgekehrt, man hat zuerst gespart und dann gelebt. Manches mal hat man in der Zeit des Sparens das Genießen verlernt und sich mit der Zeit in der Pension getröstet. Später wird vieles schwieriger und beschwerlicher, auch das Genießen und Feiern. Die wenigsten werden reich geboren, sodass sie nicht arbeiten müssen und nur feiern können. Manche sind davon überzeugt, dass sie einen Auftrag in ihrem Leben haben, für sie kommt Genießen nicht in Frage. Sieht man die jugendlichen, braun gebrannten, fröhlichen Frauen von der Hauskrankenhilfe im Café sitzen, dann kommt einem der Gedanke, dass im Alter nicht alles trübe ist.

Zur schönen Aussicht.