VORAUS:denken II

Ich habe das Gefühl, dass es vor Jahrzehnten leichter war zwischen dem  zu unterscheiden was man machen kann und was nicht. Meistens orientierte man sich an alten Regeln, an erprobten Mustern. Viele Dinge blieben über Jahre gleich und haben sich nur in kleinen Schritten geändert. Trotzdem wurde immer wieder etwas Neues in die Wege geleitet, hat man neue Ideen kreiert. Man hat selbst Ideen entwickelt, die den eigenen Wirkungsbereich verbessert haben. Heute ist es schwieriger, egal in welchen Bereich man tätig ist, Neues zu entwickeln, weil es auf jedem Gebiet eine Fülle von Spezialisten gibt.  Als kleiner Anwender schafft man es nicht, seine bescheidenen, aber realistischen Ideen in die Öffentlichkeit zu tragen. Dazu kommt, dass heute die aufwendige Werbung mehr Platz einnimmt, als die Idee selbst. Die Vermarktung macht ein Vielfaches von Einsatz aus, als das Vorhaben selbst.

Nach dem der Durchzugsverkehr aus dem Ortsgebiet von Arnoldstein ausgelagert war, stellte sich für die Gastronomie, die Gewerbebetriebe und den Handel die Frage, wie man mit der neuen Situation umgehen soll. Es wurde einige Monate vorher darüber geredet und gerätselt wie die Situation nach der Autobahnfreigabe sein wird. So dramatisch, wie die Umsatzrückgänge dann eingetreten sind, hatte sich vorher niemand vorstellen können. Die Unternehmer erkannten den Wert der heimischen Bevölkerung als Kunden und orientierten sich neu. In Zukunft war nicht mehr Schnelligkeit gefragt, sondern Qualität. Auch die Kunden in den umliegenden Ortschaften, die wegen des starken Verkehrsaufkommens den Ort gemieden hatten, wurden neu angesprochen.

So wurde aus dem Verkehrsvakuum die Idee für eine örtliche Werbegemeinschaft geboren. Wir waren Ideenspender und Umsetzer in einem, wir haben vieles selbst entwickelt und auch umgesetzt. Auch mit unseren bescheidenen finanziellen Mitteln haben wir die Aufmerksamkeit der Menschen erreicht. Zu dieser Zeit war die Werbung noch nicht so schrill und aggressiv wie heute und es gab noch nicht so viele verschiedene Kanäle für die  Werbebotschaften. Der Trend zu einem offenen Samstagnachmittag, dem sogenannten langen Samstag im Monat, zeichnete sich bereits ab. Heute haben die Einkaufszentren und Supermärkte ein Doppeltes an Öffnungszeiten. Damals bin ich dagegen Sturm gelaufen, als einige Kollegen sich wünschten, am Mittwochnachmittag geschlossen zu halten, um Erledigungen durchzuführen. Ich bezeichnete dies in Anbetracht der längeren Öffnungszeiten der Einkaufszentren in einem Lesebrief als kaufmännischen Irrweg. Manches mal gibt es Rückfälle in die gute alte Zeit. Es gibt junge Kollegen die glauben, dass sie die Kunden erziehen können und sich einen Tag in der Woche Auszeit nehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass wir bei einer technischen Panne trotz unseres Fortschritts in der Steinzeit enden können.

Kaufmännischer Irrweg.

VORAUS:denken

Das erste starke Reisewochenende der Saison war zu Ostern, begonnen hat es am Karfreitag. Bereits um sechs Uhr früh stauten sich die Autos von der österreichischen- italienischen Grenze bis zurück in den Ort und darüber hinaus. Die Grenze ist vom Ort etwa fünf Kilometer entfernt. Der Übertritt nach Italien bildete in den achtziger Jahren eine wirkliche Grenze, auf beiden Seiten wurden die Reisepässe kontrolliert und teilweise auch das Reisegebäck. Diejenigen, welche an der Bundesstraße wohnten, brauchten keinen Kalender um zu wissen, dass Ostern nahte. Die Autogeräusche hörte man in das Schlafzimmer und in die Küche. Noch stärker war der Reiseverkehr am Pfingstwochenende und ab diesem Zeitpunkt staute es sich an jedem Wochenende. Es gab sogenannte Hyperwochenenden, wenn mehrere Deutsche Bundesländer Ferienbeginn hatten oder bei den Automobilfabriken der Betriebsurlaub stattfand. Der starke Reiseverkehr teilte den Ort in zwei Teile, die Bundesstraße war eine innerörtliche Grenze, die man nur mit Mühe überqueren konnte. Zeitweise war der Ort für die Einwohner nur über eine Nebenstraße erreichbar, die Bundesstraße war verstopft. Für die meisten Dorfbewohner war dies eine Belästigung, aber einige Branchen wie Tankstellen, Fleischhauer und die Gasthäusern entlang der Ortsdurchfahrt waren die geschäftlichen Gewinner. Eine große Auswahl an Speisen war nicht notwendig, nur das Servieren musste schnell gehen, die Durchreisenden hatten es eilig. Oft ist eine Person aus dem Auto ausgestiegen und in eine Fleischerei gelaufen, um für alle  heiße Würsteln oder Leberkäsesemmeln zu holen. Das Auto, welches langsam in der Kolonne vorwärtsgefahren ist, hat man wieder leicht  eingeholt. Eine Zeitung oder Illustrierte zu kaufen, war kein Problem, dabei hatte man das vorwärtsrollende Auto immer im Blickpunkt. Ich habe mit Wehmut vom ersten Stock auf die übergroßen Wohnwagen und die Autos mit einem Boot am Anhänger, die in Richtung obere Adria unterwegs waren, geblickt.

Eine einschneidende Veränderung gab es in Arnoldstein Mitte der Achtziger Jahre, als der Durchzugsverkehr, durch die Eröffnung der Alpen Adria Autobahn, aus dem Ortsgebiet ausgelagert wurde. Im Juni des Jahres 1984 wurde das Autobahnteilstück von Villach bis zur Staatsgrenze freigegeben. Am Pfingstsamstag rollten in den Morgenstunden die Autos noch im Schritttempo durch den Ort, nachdem der Autobahnabschnitt am späten Vormittag für den Verkehr freigegeben wurde, war es von einer Stunde auf die Andere mit dem Autoverkehr Schluss. In den Vormittagsstunden waren die Gastgärten der Gasthöfe noch voll besetzt, ab der Mittagszeit herrschte eine gespenstische Leere. Am frühen Morgen des Pfingstsonntags konnte ich, als ich aus dem Schlafzimmerfenster sah nicht begreifen, dass auf der Straße gähnende Leere herrschte: Keine lärmenden Erwachsenen, die ihren Unmut über den Stau freien Lauf ließen, keine zuschlagenden Autotüren und dröhnende Autoradios, keine Kinder die lautstark  darum bettelten auf das Klo gehen zu müssen. Die Notdurft wurde meistens zwischen den Häusern auf unbebauten Wiesen verrichtet.

In den nächsten Tagen konnte man auf der Bundesstraße, wo man eine Woche davor nur unter Lebensgefahr die Straße überqueren konnte, Fußball spielen. Aus Neugier benützte ein Großteil der Einheimischen in den ersten Monaten, wenn sie zur Arbeit oder für eine Erledigung in die nahe Bezirksstadt fuhren, die Autobahn.

Autobahnauffahrt.

VERLORENE:zeit

Wie sorglos man mit der Zeit umgeht erlebt man, wenn man in Pension geht. Es gibt keine bestimmte Zeit für das Aufstehen, man handhabt dies wie die Gleitzeit in manchen Betrieben. Die täglichen Aufgaben sind in keinem Zeitrahmen geplant, sie können aus dem Zeitrahmen fallen und dies nimmt man weiter nicht übel. Neben dem Alltag und der Freiwilligenarbeit wundert man sich, dass die Erledigung von Aufgaben eine neue Wertigkeit erhalten. Bei Vorhaben, die man in der Berufszeit um einen Monat verschieben wollte, denkt man daran, um ein Jahr zu verschieben. Bei Plänen die sich außerhalb der Notwendigkeit bewegen, von denen man früher gesagt hätte, diese möchte ich in den nächsten drei Monaten erledigen, denkt man jetzt daran, sie in den nächsten drei Jahren zu erledigen. Es braucht einen starken Willen, dass die Muse nicht alltäglich wird. Blickt man auf die Pensionsjahre zurück, dann sollte man nicht eingestehen müssen, dass es eine verlorene Zeit war. Während der Berufszeit ist das Hören von Musiksendungen nebenbei passiert, in der Pension kann man sagen, die Zeit des Radiohören ist kostbar. Es ist schön, wenn man sich die Zeit einteilen kann, zwischen Erbauung, Nächstenhilfe und kreatives Schaffen.

Eine schöne Erfahrung ist, dass es keinen Zeitdruck mehr gibt und die körperliche Balance besser geworden ist. Man sagt, dass die Zeit alle Wunden heilt, ob dies stimmt?

Getreidekörnchen.

EIN:fluss

Der Wert eines Menschen wird von vielen daran gemessen, wie viel Macht und Einfluss jemand ausübt. Man beneidet jene, die in der Gemeinde oder im Bezirk Einfluss besitzen. Im Vordergrund steht dabei der politische Einfluss und dieser wird oft überschätzt. Den wirklichen Einfluss üben jene aus, die das Kapital haben und damit die politischen Mandatare beeinflussen können. Sie nehmen die Arbeitnehmer als Geisel und lassen sie gegen Subventionen frei. Schon oft hat sich die “starke Hand” der Gewerkschaft vom Kapital besiegen lassen. Das Militär spielt in Österreich keine bedeutende Rolle, in anderen Staaten schon. Jede politische Richtung versucht auf den einzelnen Bürger Einfluss zu nehmen. Würde der durchschnittliche Bürger befragt werden, wer den stärksten Einfluss im Staat ausübt, dann würden wahrscheinlich die Namen der Regierungsmitglieder fallen. In Österreich zusätzlich der Name eines Kleinformatblattes, welches wegen seiner großen Verbreitung die Politik und die Wirtschaftsgrößen beeinflusst. Die stärksten Einflüsterer, die Werbung, beginnt bereits bei den Kindern, sie können der Werbung am wenigsten Widerstand entgegensetzen.

In immer stärkeren Maße verändern wir die natürlichen Abläufe der Natur und beeinflussen so die Umwelt, nicht immer zum Vorteil. Dem Einfluss des Menschen entzieht sich die Zeit. Es ist nicht möglich die Zeit, das verstreichen der Zeit, zu beeinflussen. Vom Gefühl lässt sich die Zeit verschieden definieren, man sagt, dass die Zeit einmal schneller und dann wieder langsamer vergeht. An der gemessenen Zeit ändert dies nichts. Die Zeit würde es nicht mehr geben, wenn wir sie anhalten, beschleunigen oder bremsen könnten.

Zeitlos.

TAGES:tipp

Hat man über Jahrzehnte in einem Fachgeschäft als Verkäufer gearbeitet, Waren bestellt, ausgepackt und eingeräumt, sowie Kunden beraten und bedient, dann kann man es sich schwer vorstellen, dass man von einem Tag auf den Anderen nicht mehr so viele Kontakte mit Menschen haben wird. Während des Verkaufen wurde einem vieles erzählt, ohne das man danach gefragt hat. Es war selbstverständlich, dass man sich zu aktuellen Ereignissen geäußert hat, einmal belustigt, ein andermal besorgt. Oft hat man den Pessimismus für die Zukunft, der von den älteren Kunden gekommen ist, die auf einer sicheren Basis stehen, nicht geteilt und auf positive Aspekte hingewiesen.

Hatte ich in der Reinigungsannahme Dienst, haben mir die Frauen die erstaunlichsten Geschichten darüber erzählt,  wie die Flecken in die Hose, in das Kleid oder auf die Krawatte gekommen sind. Meistens wurde erzählt, wo es passiert ist, bei einer Hochzeit, Geburtstagsfeier, Ballbesuch oder zu Hause. Dazu gleich wo das Kleidungsstück gekauft wurde, wie viel es gekostet hat und wielange man es schon trägt. Ähnliches passierte, wenn ich Retourpakete für Modeversandhäuser entgegengenommen habe, dabei waren es hauptsächlich Kundinnen. Die häufigste Ursache warum etwas zurückgeschickt wird ist, dass das Kleid, die Bluse oder der Mantel im Katalog viel schöner ausgesehen hat, als er jetzt in Wirklichkeit ist. Manches Mal ist der Retourgrund die falsche Größe, man hatte die Hoffnung, dass die kleinere Größe noch passen würde. Es gab Bestellungen für mehrere Modelle, damit man zu Hause in Ruhe probieren und gustieren kann.

Die größere Auswahl.