arbeit:muse II

Mit dem Zustand der Muse wissen die meisten Erwachsenen nichts anzufangen. Dieser könnte zu einem Schwebezustand führen, der Fragen zulässt, welche man verdrängt. Ganz allgemein nimmt  man an, dass man den Zustand der Beschaulichkeit am Wochenende, am Feierabend oder im Urlaub erreichen kann. In meinen frühen Jahren habe ich als Fließbandarbeiter in einer Schuhfabrik  täglich über zweitausend Damenschuhabsätze verschraubt. Dabei könnte ich mich auch im Zustand der Muse befunden haben. Meine Gedanken schweiften zu Fantasien von einem abwechslungsreicheren Leben ab. Bei der Arbeit genügte es, ohne nachzudenken, mit den Fingern die Absätze zu positionieren. Mit einer Fußbewegung wurde der Absatz mit einer  Schraube fixiert. War dies eine Arbeitsmeditation? Ich habe gelesen, in den indischen Klöstern gehört auch die Küchen- und Gartenarbeit zur Zenmeditation. Auf meine Situation bezogen, eine Damenschuhabsatzschraubermeditation. Diese Aussage widerspricht  der Auffassung von Jürgen Habermas, welcher der Fabrikarbeit  eine tierische Benommenheit zuschreibt. Anderseits haben viele  Menschen eine große Freude an ihrer Arbeit. Ihre Fröhlichkeit kann man mit der Fröhlichkeit vergleichen, wie sie Kinder beim Spielen zeigen, wenn es ihnen Spaß macht. Wahrscheinlich gibt es bei den profanen Handwerkern, die einen Türstock einmauern, ein Vorhaus verfließen oder einen Badezimmerspiegel montieren dasselbe zufriedene Empfinden, als wenn ein Künstler eine Skulptur oder Aquarellbild  fertiggestellt hat.

Ich könnte sagen, dass die Welt, dieser Begriff ist zu allgemein, wohl eher die täglichen Dinge, wie die Wohnung, der Arbeitsplatz, die Menschen mit welchen man zusammenlebt, wenn man sechzig ist zwar dieselben sind, einem aber anders erscheinen. Es ist anzunehmen, dass einem der Alltag mit sechzig  anders vorkommt, als dies mit vierzig der Fall war. Er ist zwar äußerlich derselbe, aber innerlich lassen die Erfahrungen, die Erkenntnisse, der Überblick über das Leben, einem dieselben Zustände anders erscheinen. So sah Aristoteles in der Muse, das wirkliche Leben, dort wo sich der Mensch zum Menschen entfalten kann. Für  Martin Heidegger ist die Langweile das größte Gut des Menschen, etwas was den Tieren fremd sei. Sie würden von ihren Trieben und Instinkten immerzu getrieben. Im täglichen Leben haben sich diese Vorstellungen nicht wirklich durchgesetzt, die Wörter Muse und Langweile wurden zu den Unwörtern des Jahrzehnts erklärt.

Damenschuhabsatzschraubermeditation.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert