politzen

Die Registrierung von Asylanten und Migranten gestaltet sich nach Aussagen von Beamten oftmals schwierig, wenn es unvollständige oder keine offiziellen Papiere gibt. Es gibt Probleme bei der Feststellung des Geburtsjahres und des Geburtsortes, wann und wo geboren. Dazu kommen fehlende Zeugnisse von der Schul- und Berufsausbildung. Zudem gibt es ausreichende Erzählungen über die Erlebnisse während der Flucht, wo und wann die Dokumente abhandengekommen sind. Verlässlich ist der Besitz von einem Smartphone. 

Im österreichischen Beamtenstaat, mit den Strukturen und dem Umfang wie es in der Monarchie notwendig war, kam es am Meldeamt zu einer Diskussion. Bei der Abmeldung von meinem Zweitwohnsitz wurde ich vom Administrator gefragt, wo ich jetzt geboren wurde, in Politzen oder in Ferndorf? Zuerst war ich irritiert weil ich nicht weiß, war ich eine Hausgeburt oder kam ich im Wöchnerinnenheim in Ferndorf zur Welt. Bei einer Hausgeburt wäre der Geburtsort Politzen, vulgo Unterdabernig, gewesen. In den fünfziger Jahren sind die meisten Erdlinge in der Gemeinde Ferndorf im Wöchnerinnenheim der Hebamme Sulzenbacher auf die Welt gekommen. In einem Wohnheim hatte sie auf einer Etage mehrere Zimmer gemietet. Schon einmal, als ich meinen desolaten rosaroten Lappen, den Führerschein, in ein Scheckkartenformat umtauschte, wurde angezweifelt, dass ich in Politzen geboren wurde. Niemand kannte bei der KFZ-Behörde den Ort Politzen. Zur Überprüfung wurde auf der Geburtsurkunde nachgesehen, hier steht: Geboren in Politzen, Gemeinde Ferndorf. Jeder kann darauf vertrauen, da wir am Tag der Geburt Geburtsort und Geburtsdatum nicht persönlich wahrnehmen, dass die Eintragung in der Geburtsurkunde stimmt. Meine zehn Jahre ältere Schwester erzählte mir, dass ich in Ferndorf bei der Frau Sulzenbacher zur Welt gekommen bin. An einem Sommerabend sei der Vater von Ferndorf heimgekommen und sagte, sie hat ein Brüderchen bekommen. Um den Status des fraglichen Geburtsortes hervorzuheben, unterschreibe ich manchmal in Gästebüchern oder Anwesenheitslisten mit Franz von Politzen.

debersteig

Bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einem akuten Nierenstein erlebte ich den Aufmarsch der Ärzte Elite. Vorneweg ein Stationsarzt als Türöffner für den Primar, begleitet vom Oberarzt welcher sich die Patientenakte reichen ließ. Dieser schilderte in kurzen Worten die Situation des Patienten. Die digitale Krankenakte war noch nicht geboren, die Gesellschaft ging mit der Digitalisierung schwanger. In der Tür abwartend die Krankenschwestern und Praktikanten. Heute noch freue ich mich darüber, dass ich bei mehreren Nierensteinepisoden jedes Mal durchtauchen konnte. Durch fleißiges Stiegen steigen und Hüpfen ist es immer zu einem Spontansteinabgang gekommen. Ich erinnere mich, wie ich den Debersteig nach Agoritschach hochgegangen bin und dort im weichen Waldboden herumgehüpft bin, von einem Fuß auf den Anderen. Wie die Zwerge, welche vornehmlich im Wald herumtollen. Dabei bin ich beim Vereinshaus der Kommunistischen Partei Österreichs, Ortsgruppe Arnoldstein, vorbeigegangen. In den siebziger und achtziger Jahren gab es in Arnoldstein eine aktive kommunistische Partei, welche sich nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion aufgelöst hat. Jetzt gibt es ein Remake in einigen Landeshauptstädten von Österreich. 

Im Parkcafé beobachte ich während des Sinnieren, dass es draußen zum Schneien beginnt und der Schneefall intensiver wird. Der erste Schneefall dieses Jahr. Das erste Zusammentreffen des neuen Hüftgelenks mit dem Schnee. Auf dem Gehsteig bin ich aufgeregt, als wäre ich auf dem Weg zu einem Rendezvous, dem ersten Treffen mit einer neuen Liebe. Dabei möchte ich alles richtig machen und mir keinen Ausrutscher und Stolperer erlauben. Im frischen Schnee bewähren sich die kompakten Winterschuhe, das Rendezvous bei der Pestsäule am Hauptplatz kommt in Reichweite.

radiolosn II

Samstag, spätabends, gab es für uns Jugendliche die Sendung Tanzmusik auf Bestellung. Schlagerwünsche konnten wir keine aufgeben, da wir am Bergbauernhof keinen Telefonanschluss hatten. Brauchte es einen dringenden Telefonanruf, dann erledigten wir dies beim Gasthof Rader in der Nachbarschaft, dort gab es eine öffentliche Fernsprechstelle. In den 80er Jahren errichtete die Schwester mit ihrem Ehemann in der Nähe vom Bauernhaus ein Einfamilienhaus und verfügte dort über einen Viertel Telefonanschluss. In den späten 60er Jahren startete der Österreichische Rundfunk ein neues Programm, Ö3. Mit dem Empfang von Ö3 gab es beim Eumig Radio Probleme, soviel ich am Senderknopf drehte und die Drahtantenne neu positionierte, der Empfang war von Nebengeräuschen unterlegt. Die Mutter hatte dazu ihre eigene Meinung, dass Eumig Radio ist für die laute und schrille Popmusik, wie sie in Ö3 gesendet wurde, zu alt. Die Popmusik könnte dazu führen, dass die Radioröhren kaputt gingen.

Im Internat in Tanzenberg gelang uns Zöglingen mit wenigen technischen Bauteilen einen sogenannten Detektor zusammenzubasteln. Mittels Kopfhörer konnten wir Radiohören, wobei die Senderauswahl eine untergeordnete Rolle gespielt hat. An erster Stelle stand, dass wir überhaupt etwas gehört haben.  

Zu Beginn meiner Selbstständigkeit in Arnoldstein, im Jahr 1972, kaufte ich mir einen Radio – und Kassettenrecorder, ITT Schaub-Lorenz, welcher den Geschäftsalltag musikalisch untermalte. Der Radio – und Kassettenrecorder, ein Holzdekor Modell, war bis im Juni 2011 in der Papierhandlung in Gebrauch. Mit dem Recorder bestand die Möglichkeit Radiosendungen aufzunehmen, ich erstellte ein persönliches Archiv von Ö1 Sendungen: Diagonal und Im Gespräch von Ö1.  Die Sammlung enthält auch Tonkassetten der Radiosendung „Aus der Dichterstubn“ in der ich meine Mundartgedichte vorgetragen habe.

radiolosn

Das Radio oder der Rundfunkempfänger wie sie in den 60er Jahren genannt wurden sind heute Museumsstücke und in speziellen Ausstellungen zu besichtigen. In Österreich wird das hundertjährige Bestehen des öffentlichen Rundfunks gefeiert. Das Radio spielt seit meiner Jugend eine wichtige Rolle. Ich erinnere mich an das Eumig Radio, dieses hatte auf dem Bergbauernhof seinen Platz in der Küche, über dem Esstisch auf einer Konsole. Am Radio, ein viereckiger Quader, befanden sich vorne eine Taste zum Ein- und Ausschalten, eine Taste für Mittelwelle und UKW. Links ein Drehknopf um die Lautstärke zu regulieren und rechts der Drehknopf mit dem wir den Rundfunksender einstellen konnten. Damit wurde ein Zeiger auf einer Skala mit ganz vielen Städtenamen bewegt. In der Mitte von der Frontseite befand sich ein Auge und war hier der grüne Strich ganz schmal, dann hatte man den besten Empfang ohne Nebengeräusche.

Das Radio begleitete das Mittagessen und das Abendessen. Neben den Nachrichten und den Unterhaltungssendungen waren auch die Zeitansagen und Wetterberichte wichtig. Ein fester Bestandteil zu Mittag war die Sendung Autofahrer unterwegs, obwohl in unserer Familie niemand einen Pkw hatte. Die Sendung begann um zwölf Uhr mit dem Geläut der Kirchenglocken aus den verschiedenen Pfarren in ganz Österreich. Zwei populäre Moderatoren von Autofahren unterwegs waren Rosemarie Isopp und Walter Niesner. Für Stimmung während der Sendung sorgten Aufnahmen von Blasmusikkapellen. Am Sonntagnachmittag gab es das Wunschkonzert von Radio Kärnten und an einem Abend unter der Woche die Kärntner Jägerstunde. Die Mutter war eine begeisterte Radiohörerin und dies war eines der wenigen Vergnügen die sie am Hof hatte. In der Küche konnte sie neben dem Kochen für eine mehrköpfige Familie, radiolossn.

preislexikon

Ein Strichcode auf den Artikel für die Abrechnung war Mitte der sechziger Jahre unbekannt. Während meiner Lehrzeit haben wir bei den Büchern den Verkaufspreis mit Bleistift auf dem hinteren Umschlagdeckel angeschrieben. Dazu das Einkaufsdatum, zum Beispiel 6/66, hinzugefügt. Dies bedeutete das Buch wurde im Juni 1966 eingekauft. In meinem Bibliotheksbestand gibt es zwei Bücher, welche aus der Buchhandlung Petz stammen: Götter, Gräber und Gelehrte, Roman der Archäologie, von C. W. Ceram. Die Signatur ist am hinteren Buchdeckel ersichtlich: Schilling 158,40, Lieferdatum 11/62. Ein Weihnachtsgeschenk von meinen Eltern. Das Buch, „Die Verbesserung von Mitteleuropa von Oswald Wiener”, habe ich mir während meiner Ausbildungszeit gekauft: 53,60 Schilling, Lieferdatum 3/69.  Nach diesem System wurden auch Wareneingangsbücher, Kassabücher und Durchschreibebücher mit Preisen versehen.  Farbstifte, Locher, Heftmaschinen, Stempelkissen, Deckfarben, Lupen und andere Papierwaren bekamen auf der Rückseite ein selbstklebendes Preispickerl.

Die erste Verkäuferin, Manuela, war ein lebendes Preislexikon. Gab es eine Unsicherheit ob der angeschriebene Preis stimmte oder fehlte das Preispickerl, dann wusste sie den Preis auswendig. Die Allwissenheit der ersten Verkäuferin hatte auch seine Schattenseiten. War die Manuela im Urlaub oder erkrankt und gab es eine Situation wo bei einem Artikel der Preis fehlte, waren wir ratlos. Eine schlampige Preisauszeichnung erweckte den Unmut des Chefs, aus Ärger darüber hat er mehrmals mit ein paar Zeitungen auf das Verkaufspult geschlagen.

Bei den Schulheften, Hefteinbänden, Notizblöcken und anderen Papierwaren, welche in größerer Menge in einem Fach lagernden, befand sich am Regalfach ein Preisetikett. Staffelpreise gab es für Papierwaren, welche in größeren Mengen verkauft wurden: Trinkbecher, Servietten, Kuverts, Fettpapier oder Klopapier. Die Staffelpreise befanden sich auf Karteikarten in einem Karteikasten. Auf der Karteikarte Blaue Kuvert waren die Staffelpreise je nach Abnahmemenge aufgelistet. Der Preis für Blaue Kuvert wurde günstiger bei fünfhundert Stück, bei zweitausend Stück oder bei fünftausend Stück Blaue Kuvert. So funktionierte dies auch mit dem Fettpapier, der Preis wurde günstiger je mehr Kilo man davon kaufte.