jaichwill

Unsere sogenannte neue Zeit bringt neue Berufe wie Eventtechniker und Schadensmanager hervor. Es gibt Manager, welche versuchen die Produktion und den Verkauf anzukurbeln, es gibt den Manager welcher die Behebung von Bauschäden koordiniert. Als Geschädigter muss man keine Vorkehrungen treffen, auf dass Wasserschäden, Glasbruch oder Hagelschäden beseitigt werden. Gefragt sind Schadensmanager, wenn es darum geht einen Versicherungsfall zu beheben. Die Versicherungen vertrauen lieber auf ein Schadensmanagement, als dass erfahrene Handwerker einen Kostenvoranschlag erstellen und die Reparatur ausführen. Die Berechtigung für Schadensbehebung dürfte in Österreich, genauso wie Hausbetreuung, ein freies Gewerbe sein.  Anmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft genügt, es bedarf keiner Ausbildung. Die Parlamentsparteien sind vor Jahren dafür eingetreten alle Prüfungen für das Gewerbe abzuschaffen. Mut und Selbstbewusstsein genügen heute oft für die Eröffnung einer Firma. Die Fehlersuche und Behebung bei einem Wasserschaden, wie es von Schadensfirmen gemacht wird, kostet oft ein Vielfaches, als wenn eine Neuinstallation erfolgt. Zumeist wird ein schadhaftes Teilstück in einem sanierungsbedürftigen Leitungsnetz ersetzt. Damit ist der nächste Rohrbruch vorgegeben.

Mut und Selbstvertrauen, in meinem Fall dazu die Unbekümmertheit der Jugend, waren auch vor Jahrzehnten notwendig zur Firmengründung. Zumeist hatte man ein kleines finanzielles Polster und jonglierte nicht von vornherein mit Krediten. Der Buchhandel war ein konzessioniertes Gewerbe und die gesetzlichen Vorgaben waren um einiges strenger als beim Kleinhandel mit Waren aller Art. Dabei war man vom Wohlwollen der Buchhandelskollegen abhängig, die Handelskammer führte eine Bedarfserhebung durch und die Mitbewerber hatten ein Einspruchsrecht. Eine Stufe höher erfolgte die Zuteilung eines Gewerbescheins für den Verkauf von Raketen und Knallkörper der Klasse II. Dazu bedurfte es eines unbescholtenen Leumundszeugnisses vom örtlichen Gendarmerieposten. Ich erinnere mich genau an die Situation, als ich vom Postenkommandanten in der Amtsstube gefragt wurde, ob es notwendig ist und ob ich wirklich in Arnoldstein Feuerwerkskörper verkaufen will? Meine Antwort war: „Ja ich will!“ 

schneemangel

Die Freude über den ersten Schnee ist mir bis in das Seniorenalter erhalten geblieben. Den Überraschungseffekt gibt es seit einem Jahrzehnt nicht mehr, die Wetterprognosen werden immer präziser. Bei den Pendlern nistet sich der Gedanke ein, muss ich wegen der schlechten Straßenverhältnisse früher wegfahren und sind die Straßen geräumt? Die blitzblanke Karosserie wird in kurzer Zeit zum Schnee von gestern. Alpträume verursacht die Verkehrsmeldung, dass es zu Verkehrsbehinderungen auf den Autobahnen kommen könnte und es notwendig wird die Schneeketten anzulegen. Für die Bewohner des Hochtales gibt es auf der Fahrt in die Bezirksstadt eine Lawinenwarnung und eine Warnung vor umgestürzten Bäumen. Für den Skilift Betreiber ist die Zeit sich über den Schneefall zu freuen rar. Die Regungen der Freude werden im Gehirn vom Finanziellen überlagert. Dort wird gerechnet, wie viele Skifahrer bringt der erste Schnee auf die Pisten und dem Bergrestaurant an Gästen? Jede Stunde mehr an Schneefall lässt sich in einen wirtschaftlichen Ertrag ummünzen.                                                                                                                                

Zur Mittagszeit trafen wir am 24. Dezember 1971 mit dem VW Käfer in Arnoldstein ein. Auf der Bundesstraße hatten wir im Auto das Gefühl wie durch eine Schlucht zu fahren, rechts und links gesäumt von mannshohen Schneewänden. Mit Mühe haben wir auf dem Gemeindeplatz einen Parkplatz gefunden, wir wollten uns mit dem Verpächter einer Papierhandlung treffen. Der Laden war von der Straße aus nicht sichtbar. Zu Fuß machten wir uns auf die Suche nach dem Geschäftseingang. Ein schmaler Schlurf führte von der Straße zum Anbau an einem Wohnhaus. Der Schnee reichte bis zum Dach. In der Zeitung lese ich nach fünfzig Jahren, dass das Schigebiert Arnoldstein-Dreiländereck seinen Betrieb wegen Schneemangel eingestellt hat.

debersteig

Bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einem akuten Nierenstein erlebte ich den Aufmarsch der Ärzte Elite. Vorneweg ein Stationsarzt als Türöffner für den Primar, begleitet vom Oberarzt welcher sich die Patientenakte reichen ließ. Dieser schilderte in kurzen Worten die Situation des Patienten. Die digitale Krankenakte war noch nicht geboren, die Gesellschaft ging mit der Digitalisierung schwanger. In der Tür abwartend die Krankenschwestern und Praktikanten. Heute noch freue ich mich darüber, dass ich bei mehreren Nierensteinepisoden jedes Mal durchtauchen konnte. Durch fleißiges Stiegen steigen und Hüpfen ist es immer zu einem Spontansteinabgang gekommen. Ich erinnere mich, wie ich den Debersteig nach Agoritschach hochgegangen bin und dort im weichen Waldboden herumgehüpft bin, von einem Fuß auf den Anderen. Wie die Zwerge, welche vornehmlich im Wald herumtollen. Dabei bin ich beim Vereinshaus der Kommunistischen Partei Österreichs, Ortsgruppe Arnoldstein, vorbeigegangen. In den siebziger und achtziger Jahren gab es in Arnoldstein eine aktive kommunistische Partei, welche sich nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion aufgelöst hat. Jetzt gibt es ein Remake in einigen Landeshauptstädten von Österreich. 

Im Parkcafé beobachte ich während des Sinnieren, dass es draußen zum Schneien beginnt und der Schneefall intensiver wird. Der erste Schneefall dieses Jahr. Das erste Zusammentreffen des neuen Hüftgelenks mit dem Schnee. Auf dem Gehsteig bin ich aufgeregt, als wäre ich auf dem Weg zu einem Rendezvous, dem ersten Treffen mit einer neuen Liebe. Dabei möchte ich alles richtig machen und mir keinen Ausrutscher und Stolperer erlauben. Im frischen Schnee bewähren sich die kompakten Winterschuhe, das Rendezvous bei der Pestsäule am Hauptplatz kommt in Reichweite.

herbststrauß

Die Verantwortung des Kunden beim Einkaufen wird immer weiter ausgedehnt, dies erlebte ich nach dem verlängerten Wochenende. Beim Lebensmitteleinkauf nahm ich für einen Krankenhausbesuch einen Blumenstrauß mit. Der Blumenstrauß trug den Beinamen „Herbstgruß“. Nach Auskunft einer Floristin ist es in den Krankenhäusern nicht gerne gesehen, wenn blühende Blumenstöckel zu den Patienten gebracht werden. Die Blumenerde könnte schädliche Mikroorganismen enthalten und diese sich im Krankenzimmer verbreiten. Gewünscht sind Blumensträuße, denn Blumenvasen stehen in ausreichender Zahl zur Verfügung. Besonders hilfsbereite Schwestern nehmen den Besuchern die Blumen ab und besorgen eine Vase. Das Depot für die Vasen befindet sich meistens in der sogenannten Teeküche. Neu sind bei den Lebensmittelhändlern die Aufkleber: „Lebensmittel sind wertvoll, Verbrauchsdatum abgelaufen, Ware in Ordnung. Verwenden statt verschwenden“. Zumeist ist der Preis für diese Artikel um 50 % Prozent reduziert. Zwei Tage nach dem verlängerten Wochenende trugen auch die Herbststräuße diesen Aufkleber. Ich hatte keine andere Möglichkeit und habe einen „Herbstgruß“ mitgenommen. Versehen mit dem Aufkleber, verwenden statt verschwenden. Vor der Kassa befand sich ein Aufsteller mit verschiedenen Herbst-Pralinen, deren Aktualität in der Vergangenheit lag. Hier war ebenso ein Hinweis angebracht, verwenden statt verschwenden.  Alle Herbst Pralinen um 50 % Prozent reduziert. Als Naschkatze war es mir einerlei ob die Pralinen eine Hülle mit einem Herzen tragen oder eine neutrale Verpackung.  

Vom Einkaufszentrum führte mein Weg direkt in das Krankenhaus und die Verpackung vom Blumenstrauß landete im Müllkübel, damit auch der Picker mit den minus 50 % Prozent. Abends habe ich mir den Kassastreifen vom Einkauf angesehen und dabei festgestellt, dass bei den Herbst-Pralinen der 50 % prozentige Nachlass ausgewiesen und abgezogen wurde. Beim Blumenstrauß, obwohl am Einwickelpapier ersichtlich und beim Regal gekennzeichnet wurde der Preisnachlass nicht abgezogen.

Einen schmalen Blick in die digitale Zukunft, bei die Bestellabwicklung, machte ich im letzten Jahr meiner Ausbildung. Die Buchhandlung Petz wurde eine Betreuungsstelle der Buchgemeinde Alpenland. Jedes gelieferte Buch war mit einer Lochkarte versehen. Dies war ein Kartonstreifen von etwa 18 mal 9 cm in dem, wie schon der Name andeutet, eine Vielzahl von Vierecken, Quadraten und Kreise gestanzt waren. Wurde ein Buch verkauft, wurde die Lochkarte entnommen und wöchentlich an die Buchgemeinschaft weitergeleitet. Aus den übersandten Lochkarten wurde von der Zentrale der Verkaufserlös und die Provision ermittelt. Die Nachlieferung der verkauften Bücher erfolgte automatisch. Der Umgang mit den Lochkarten war ein schmaler Blick in die Zukunft der modernen Warenwirtschaft.

mülltonne:müllofen

Kleine Handelsgeschäfte im Non Food Bereich haben immer öfter damit zu kämpfen, dass die Inhaber beim Erreichen des Rentenalters keinen Nachfolger für das Geschäft finden. Kürzlich war in einer Tageszeitung zu lesen, dass ein 85jähriger Papierhändler einen Nachfolger*in sucht. Aus meiner Selbstständigkeit denke ich, hat jener Kollege ein bisschen die Zeit übersehen? Anderseits bewundere ich, dass er in seinem Alter immer noch seinen Geschäften nachgeht. Der Arbeitstag ist bestimmt eine körperliche und geistige Herausforderung. Auf den Villacher Stadtflohmärkten habe ich öfters erlebt, dass ehemalige Ladenbesitzer versuchen den Rest an Waren an den Mann oder die Frau zu bringen. Vor der Geschäftsschließung bemüht man sich durch Abverkauf und einen firmeneigenen Flohmarkt möglichst viel an Waren los zu werden. Ein Hindernis dabei ist, dass es einen Überschuss an Waren gibt und täglich Werbeprospekte mit Aktionen, Angeboten und Superangeboten von fabrikneuen Artikeln im Briefkasten landen.  Die „Krone“ an Angeboten sind die lästigen Werbetrailer im Internet, welche in der Black Friday Woche ihren Höhepunkt erreicht. Dagegen sind die lokalen Angebote ein Windhauch.

Funktioniert bei Geschäftsauflösung der Abverkauf nicht zur Gänze, was zumeist der Fall ist, dann deponiert man derweil den Rest der Waren im Eigenheimkeller. Als nächsten Schritt meldet man sich bei einem der Flohmärkte in der Stadt an. Verschämt steht man am Sonntagvormittag hinter dem Campingtisch und hofft, dass keiner der ehemaligen Kunden durch das Flohmarktgelände streift. Einen sommerlang verbringt man die Sonntage als Tandler hinter dem Campingtisch am Parkplatz vom Einkaufszentrum. Den einen und den anderen Artikel nehmen die Besucher zu einem Schnäppchenpreis mit. Im Herbst bringt man die restliche Ware in den nächsten Caritas Laden, dort erhalten die Utensilien eine zweite Chance. Auf den Flohmarkt und in den Caritasladen kommen viele aus Neugierde und hoffen auf einen Lottosechser. Im schlechtesten Fall entsorgt man den Rest der Waren in die Mülltonne und befeuert damit den Müllofen in Arnoldstein.