venedig:pkw

Damals waren die Autos richtige Kleinformate.

Seit diesem Jahr müssen Tagesgäste in Venedig eine Eintrittsgebühr bezahlen. Wer nicht in Venedig übernachtet, muss sich im Internet für das geplante Datum seines Aufenthalts anmelden. Die Gebühr beträgt zwischen drei und zehn Euro. Die Höhe ist davon abhängig, wie weit im Voraus gebucht wird. Besucher, welche mit dem eigenen Pkw anreisen müssen die Parkhäuser außerhalb der Stadt benützen. Ein Tagesticket kostet etwa wie ein Fahrschein mit dem Intercitybus Villach-Venedig hin und retour. Bei der Fahrt mit dem Bus kann man es sich bequem machen, es kommt zu keinen brenzligen Verkehrssituationen auf der Alpen Adria Autobahn.

Mitte der neunziger Jahre war es mit dem privaten Pkw noch möglich auf die Piazza Roma zu fahren und dort das Auto in einem der Parkhäuser abzustellen. Dabei brauchte es beim Hochfahren in die oberen Parkdecks autofahrerisches Geschick. Diese Parkhäuser wurden in den fünfziger Jahren errichtet und damals waren die Autos richtige Kleinformate. In den achtziger Jahren hat bei der Größe und Ausstattung der Autos eine Explosion eingesetzt. Die Misere, dass die Abstellflächen für das Auto sehr eng bemessen sind, trifft auch auf die Tiefgaragen in den Wohnanlagen, die in den sechziger und den siebziger Jahren errichtet wurden, zu.

Stand man im Parkhause in Venedig im Stau, wo kein vorwärts oder vorbeikommen möglich war, ist man vom Personal aufgefordert worden aus dem Auto auszusteigen und den Autoschlüssel stecken zu lassen. Je nach freiwerdenden Parkplätzen wurde dann das Auto vom Garagenpersonal eingeparkt. Der Parkwächter stellte eine Bestätigung mit der Autonummer aus. Selbst wurde man in den Trubel der Lagunenstadt entlassen. Abends fand man sein Auto unversehrt und eingeparkt im Parkhaus vor.

götter:speise

Zwischen zwei Übungen an den Geräten im Rückenstudio schwärmte die Nachbarin von einem verflossenen Wochenende.  An diesem hatte sie ihre studierende Tochter in Wien besucht und gemeinsam fuhren sie am Samstagnachmittag mit dem Fahrrad auf dem Donauradweg in die Wachau. In Dürnstein machten sie eine Pause in einer Konditorei, von der Torte schwärmte sie heute noch. Die Konditorei befand sich in der Nähe der Pestsäule.

Von einem Ausflug nach Dürnstein, der schon zwei Jahrzehnte zurückliegt, hat sich bei mir die Kirche mit dem blauen Kirchturm, direkt am Donauufer, eingeprägt. Damals haben wir ebenfalls in einer Konditorei eine Pause gemacht. Dazu, wo diese gelegen und wie sie innen ausgestattet war und was wir dort konsumiert haben, konnte ich keine Angaben machen. Die Wahrnehmung den Kuchen und den Kaffee betreffend war sehr eingeschränkt, völlig zugedeckt von meiner Verliebtheit. Damals bin ich mit der Angebeteten auf Händen in den siebenten Himmel entschwebt. Dürnstein verleiht der Liebe Flügel. Was bedeuten irdische Genüsse, wie der Fruchtgeschmack einer Torte, wenn das Manna vom Himmel fällt. Der blaue Kirchturm hat sich gut in unsere Gefühle integriert, wird doch der Aufenthalt im Himmel als ein Ort der Glückseligkeit verheißen. Dort müssen wir nicht mehr leiden und sind unsere Sorgen los, ein neues Wohlbefinden. Wir verlieben uns in den lieben Gott, ein ewiges Glücksgefühl, welches nie enden wird. Die irdische Verliebtheit ist eine Vorspeise des Himmels, eine Götterspeise. Deshalb sind die Götter mit dem Austeilen so sparsam. Egal um was es im Leben geht, überall herrscht Zuckerbrot und Peitsche, so auch beim Vorgeschmack auf das Ewige Leben.

lo:vran

Mit den Nordic Wanderstöcken bin ich auf dem Lungomare von Opatija in Richtung Lovran unterwegs. Wechselhaftes Wetter ist kein Grund auf die Bewegung zu verzichten und so komme ich dem Meer am Lungomare ganz nahe. Das Weite Meer gehört fast mir alleine, ich muss es nur mit wenigen Schiffen teilen. Von Lovran bin ich noch etwa eine Stunde entfernt. Der Blick auf die Unendlichkeit des Meeres, in Richtung Horizont hat etwas Tröstliches. In den Alpentälern endet der Blick auf der gegenüberliegenden Talseite. Die Felsabhänge des Mittagskogel stoppen die Gedanken, will jemand darüber hinaus, prallen alle Fluchtversuche an den Felswänden ab.

Vor Lovran, direkt neben dem Lungomare gibt es einen Kiosk mit bunt zusammengewürfelten Sitzgelegenheiten vom Flohmarkt. Weiters Tische und Stühle aus alten Paletten. Hier gönne ich mir zur Regeneration eine Dose Coca-Cola um € 2.50. Stimmt mein Gefühl, dass dieses Jahr die Getränke, Speisen und Imbisse in Istrien teurer geworden sind?  Auf einem Sofa sitzen Mutter, mit Skripten und Bleistift, sowie die Tochter mit einem Buch. Es sind die ersten Spaziergänger welche ich bei einer Lektüre ertappe. Der Kiosk steht im Schatten von Bäumen, in der Nähe ist ein Kinderspielplatz. Eine Gruppe von Schülern, ausgestattet mit Schreibzeug, Collegblock und Handys, gehen vorbei. Der Standard bei den Joggern ist ein Smartphone am Oberarm zur Pulsmessung, Kopfhörer für die Musikberieselung und eine umgeschnallte Trinkflasche. Das Meer wird vor Lovran immer offener.

Die ernsten Gedanken mit weitreichenden Folgen erhalten auf der Terrasse vom Restaurant in Lovran mit Meeresblick eine gewisse Leichtigkeit. Urlaubs- und Heimatgefühle vereinigen sich bei einem Glas Hirterbier, welches gerade aus Kärnten in die Gaststätte angeliefert wurde.   

kastav:kvarner

Kastav liegt auf etwa dreihundert Meter über dem Meeresspiegel und empfängt uns vor dem Stadttor mit einem lokalen Wochenmarkt und bietet einen Rundumblick auf die Kvarner Bucht. Die Zufahrt ist schmal, wird als Einbahnstraße geführt und hat für einen Erstbesucher nach jeder Kurve eine Überraschung bereit. Die Fahrt endet vor dem Stadttor mit der Suche nach einem Parkplatz. Ein historisches Städtchen mit einer Festungsmauer, eine Zeitlang stand die Bevölkerung unter der Herrschaft der Jesuiten. Verstört haben mich die Mauerreste einer monumentalen Kirche. Für ein, heute würde man sagen Bergdorf, ein Sakralbau mit überdimensionierten dicken Mauern, um Berge zu groß. Glaubt man der Information auf einer Tafel, dann ist nicht bekannt, ob die Kirche je ganz fertiggestellt wurde, bevor die Jesuiten die Herrschaft über Kastav abgeben mussten.

Die Ausstrahlung der Bergdörfer ist eine andere als die der mondänen Badeorte an der Küste. Aus dem felsigen Gelände wurde jeder Quadratmeter für die Steinhäuser gesprengt und in den Steinmauern finden sich die Felsbrocken wieder. In der Pfarrkirche von Kastav singt eine Pilgergruppe aus vollem Herzen und wohl auch aus tiefster Überzeugung Kirchenlieder. Zuletzt das Halleluja. Gegenüber vom Marktgelände sitzen wir im Gastgarten von einem Café, in der Mauer des Gebäudes ist ein Bankomat der Ersten Sparkasse eingelassen. Der Touchscreen des Bankomaten dient den halbwüchsigen Kindern des Ortes als behelfsmäßiges Tablett zum Spielen.   

Wie wird sich die heutige Zivilisation bei Ausgrabungen in zweitausend Jahren darstellen? Vorstellbar wäre, dass zufällig eine aufgelassene Mülldeponie betroffen wäre. Denken wir an die Ausgrabungsstätten aus der Antike, würde man unsere unverrottbaren Gegenstände für Grabbeigaben halten und über die Art der Verwendung rätseln? Wird man diese Fundstücke hochrechnen um unsere Kultur und Lebensweise zu verstehen Was würde bei einem angedrohtem Atomschlag von unserer Zivilisation übrigbleiben? Schöner, in ferner Zukunft könnten Außerirdische unserem Planeten Erde einen Besuch abstatten, wie werden sie mit uns umgehen? Wären wir für sie eine eigene Gattung von Tieren, gerade so wie Kühe, Giraffen und Bären. Aus dem Tageheft…

sylvia:carmen

Noch vernehme ich das Stöhnen und Wimmern des Karstfelsen, welcher für einen Hotelbau am Busbahnhof in Opatija mit schweren Bohrhämmern bearbeitet wird. Noch etwa eine Stunde bis zum Ende vom Sylvia Carmen Höhenweg in Volosko. Heute läuft es beim Wandern, holprig, heiß und ermüdend,  nicht so gut wie gestern auf dem Lungomare. Vom Ortszentrum in Opatija führt der Weg etwa zweihundert Höhenmeter steil nach oben, bis er von schattigen Bäumen gesäumt eben verläuft. Ein gepflegter Weg durch den Karstwald, zwischendurch gibt es einen Ausblick auf die Kvarnerbucht. Seit zwei Stunden bin ich unterwegs und bin dabei zwei Frauen mit Hund begegnet. In der Höhe ist es angenehm, leichter Wind, Vogelgesang, rechts und links mir unbekannte Pflanzen. Langsam vermisse ich, dass ich nichts zum Trinken und auch keine Süßigkeit bei mir habe. Es bleibt ungewiss wie lange es noch dauert bis ich eine Siedlung mit einem Café oder Kiosk erreiche. Ich war nahe daran an einem einzelnen Haus zu läuten oder in einen Garten einzudringen um mir einen Schluck Wasser zu besorgen. Kann man innerhalb von ein paar Stunden verdursten?

Als Erlösung entdecke ich einen übervollen Mülleimer am Wegrand und sehe diesen als eine erste Spur für eine kommende Zivilisation. Wenn hier so viele Abfälle angehäuft sind, dann muss es bis zur nächsten Siedlung nicht mehr weit sein. Müll, ein Zeichen des Homosapiens, eine Duftmarke der Zivilisation und dieser Witterung bin ich gefolgt. Die Abfälle signalisieren am Lungomare und am Carmen-Sylvia-Weg, dass man in die Nähe einer Ortschaft kommt, die nächsten Wegabschnitte belebter werden. Ein voller Müllkübel bedeutet auch das Ende der Abgeschiedenheit. Dazu zählen auch die aufkommenden Autogeräusche, welche im Wald die Hoffnung vermitteln, nicht gänzlich von der Zivilisation isoliert zu sein. Plötzlich geht der Weg steil bergab, mehrere Wohnblöcke werden sichtbar, dazwischen ein Flachbau mit der erlösenden Aufschrift Konzum. Der Lebensmittelladen hat bis Mittag geöffnet, jetzt ist es zwei Uhr am Nachmittag. Aus dem Tageheft…