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Die Kurve auf zwei Rädern zu nehmen. 

Die einen waren im Gottvertrauen unterwegs, dass ihnen bei defensiver Fahrweise nichts passieren wird und die anderen waren im Gottvertrauen unterwegs, dass ihnen bei halsbrecherischer Fahrweise nichts passieren wird. Obwohl viele mit der Kirche nichts am Hut hatten, platzierten sie in ihren Autos prominent am Rückspiegel einen Rosenkranz. Dazu zählten auch die die Jugendlichen. Es gehörte zum Selbstverständnis der frischen Führerscheinbesitzer, das sie auf den schmalen und kurvigen Landstraßen, sei es im Talboden oder an den Berghängen, die PS Stärke ihres Autos und die eigenen Fahrkünste demonstrierten. In den Gemeinden des mittleren Drautales  gab es in jeder Ortschaft einige Burschen, welche sich zum Rallyefahrer oder Formel Eins Fahrer berufen fühlten. Das Dröhnen der Autos am Politzner Berg war von weitem zu hören, schnell versuchten einige Anrainer der Bergstraße die Hühner und die Katzen von der Straße zu verjagen, bevor sie sich abseits der Straße in Sicherheit brachten. Zeigten manche Bewohner mit der Faust nach dem Auto, umso weiter wurde das Gaspedal durchgedrückt. Befanden sich unter den  Anrainern am Straßenrand ein paar junge Mädchen, dann wirkte dies bei den autodamischen Jugendlichen wie eine Droge. Gleich einer Szene in einem Actionfilm versuchten sie die nächste Kurve auf zwei Rädern zu nehmen. 

Auf gefährlichen Terrain bewegen sich Senioren im fortgeschrittenen Alter, welche beim Autofahren auf ihren Herrgott vertrauen. In der katholischen Kirche ist eine Frühpensionierung kein Thema, dort wirken die Priester weit über das Pensionsalter hinaus. Da sie zumeist mehrere Pfarren zu betreuen haben, sind sie gerade im ländlichen Gebiet auf das Auto angewiesen. Recht sorglos ist der Ortspfarrer einer Drautaler Gemeinde mit seinem PKW auf der Straße unterwegs gewesen. Als Ministrant sind ich und der Schutzengel des Öfteren mit ihm mitgefahren. Anfang der siebziger Jahre hat er in der Nähe von Molzbichl beim Einbiegen in die Drautaler Schnellstraße ein daherkommendes Auto übersehen.  Beim Zusammenstoß wurde er tödlich verletzt.

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Auf Landstraßen mit Unbekümmertheit unterwegs.

In der Zeit, wo die Automobilität so richtig Fahrt aufgenommen hat, aber noch nicht dieses Getümmel auf unseren Straßen geherrscht hat wie heute, hat es für die unbekümmerten Autofahrer die Bezeichnung Hergottsfahrer  gegeben. Bei manchen Personen hat man sich gewundert wie diese, ausgeschult nach fünf Klassen Volksschule, die Fahrprüfung bestanden haben?  In den sechziger Jahren war man auf den ländlichen Straßen mit einer gewissen Unbekümmertheit unterwegs. Die Bewohner der kleinen Ortschaften am Land wussten, wer welches Auto fährt. Viel unterwegs auf den Kärntner Straßen waren die Marken VW, Opel und wegen der Italiennähe Fiat. Ein Schlupfloch der Kärntner, sie konnten bei einem Gebrechen an ihrem Fiat in das benachbarte Friaul fahren. Dort haben sie ihr Auto in eine Fiat Werkstatt gestellt oder sich Ersatzteile in Tarvisio besorgt. Beides war in Italien um einiges günstiger als in Österreich. Bis in die Neunzigerjahre gab es zwischen Italien und Österreich Grenzkontrollen. Wer mit einem Fiat über die Grenze von Italien nach Österreich gefahren ist musste damit rechnen,  dass er von den Zöllnern eingehend kontrolliert wurde.  Die erste Frage lautete, haben sie etwas zu verzollen? Gezielt hat die Frage in erster Linie darauf, ob welche Autoersatzteile eingeführt werden oder im Ausland eine Reparatur erfolgt sind, beides war zollpflichtig. Hatte der Zollbeamte aus dem Bauchgefühl  einen Verdacht oder bemerkte ein verdächtiges Benehmen der Autoinsassen, dann erfolgte der nächste Schritt. Der Zollinspektor befahl  den Kofferraum und die Motorhaube zu öffnen. Mit einer Taschenlampe und Kennerblick  untersuchte er den Motorraum, ob Spuren vorhanden waren, dass in einer Werkstätte Teile getauscht wurden. Bei einem Fund war eine Zollgebühr fällig und der erhoffte Preisvorteil hinfällig. Entdeckt wurden dabei noch ein paar Kleidungsstücke, welche ansonsten vom Zollbeamten unbemerkt geblieben wären.

Bei allen Einreisenden wurde nach Zigaretten, Kosmetika, Spirituosen und Lederbekleidung gefragt.  Bei einem Glas Wein hat mir ein Zollinspektor erzählt, dass er geschmuggelte Lederkleidung beim Öffnen des Autofensters riechen konnte. Besonders streng waren die Grenzkontrollen in der Weihnachtszeit und in der Osterzeit. In dieser Zeit wurde der Tarviser Markt von Einkaufstouristen, aus Vorarlberg bis in das Burgenland, gestürmt. Der Markt war damals das heutige Outlet Center und Einkaufscenter. Inzwischen hat der Tarviser Markt viel von seinem Charme und von seiner Preisattraktivität verloren, nicht ohne Grund haben einige Marktstände nicht mehr geöffnet.

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Es ist ein freudloses Begräbnis gewesen.

Auf einem freudlosen Begräbnis sei er gewesen, wie sich der Bekannte bei einem Cappuccino ausdrückte. In früheren Jahrzehnten war ein Begräbnis ein gesellschaftliches Ereignis. Die Kränze, Gestecke und Kerzen rund um den Sarg des Toten strahlten Würde aus, zeugten auch von Hilflosigkeit gegenüber dem Tod. Keine Verabschiedung ohne die Trostworte des Pfarrers an die Hinterbliebenen und der Verweis auf ein paar Highlights im Leben des Verstorbenen. Manchen Anwesenden fiel dazu im Stillen noch etwas ein. Wer Vereinsmitglied bei einem Gesangsverein war oder gegen Bezahlung, für den gab es zu Herzen gehende Abschiedslieder mit Kärntner Schwermut. War jemand in einer öffentlichen Körperschaft tätig, so gab es einen Nachruf von höherer Stelle. Im Gastzimmer des Kirchenwirt in St. Paul lösten sich, beim Leichenschmaus, die betroffenen Gesichter der Trauergäste. Dort  munkelten die Hinterbliebenen darüber, wer noch ein außereheliches Kind des Verstorbenen sein könnte. Ob es wirklich stimmt, dass er beim Kauf vom Traktor einen Teil des Kaufpreises abgestritten hat?  Manche Ungewissheit lässt sich auch bei einer Portion Gulasch, einer Semmel und einem Bier nicht klären. Ein paar Geheimnisse nimmt der Verstorbene mit in das Jenseits. Mancher Vorwurf und Beleidigung gegen den Toten, welche unter den Trauergästen grassiert, werden mit dem dritten Krügel Bier zu Grabe getragen.

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Dem Toten nicht zu nahe kommen.

Bei einem Begräbnis, der letzten Zuwendung die der Mensch erfährt, haben die online Dienste zugenommen. Todesnachrichten werden per Email verschickt und per WhatsApp getrauert. Im Internet kann man im digitalen Kondolenzbuch eine Kerze für den Verstorbenen anzünden, ein paar Trostworte schreiben und ein Smiley mit ein oder zwei Tränen hinzufügen. Die Aufbahrungshallen werden gemieden, dem Toten will man nicht zu nahe kommen. Lieber den Daumen digital nach oben, ein andermal nach unten drehen. Bei einem Cappuccino erzählte mir ein Bekannter von einem freudlosen Begräbnis. Die Teilnahme an einem Begräbnis hat mit Freude wenig bis nichts am Hut, freudlos, was könnte da gewesen sein? Fehlte es den anderen Trauernden an Herzlichkeit? Die Urne mit der Asche des Verstorbenen, befand sich in einer Abstellkammer der Aufbahrungshalle auf einen Tisch. Keine brennenden Kerzen und kein Blumenschmuck. Es hat Jahrzehnte gegeben, da wurde im Krankenhaus ein Schwerkranker, ein Sterbender in einen Abstellraum oder in einen Geräteraum abgeschoben. Die Urne hat der Zeremonienmeister einem Familienangehörigen in die Hand gegeben, er eilte der Trauergesellschaft vorneweg auf den Friedhof. Die Asche wurde in eine kleine Grube geleert, es fehlte jeder Blumenschmuck.

Keine Trost- oder Abschiedsworte von nahen Angehörigen oder Freunden. Die Anwesenden wurden vom Bestatter aufgefordert ein gemeinsames Vaterunser zu beten. Dann verflüchtigte, um nicht zu sagen ergriff der Zeremonienmeister die Flucht.