anfassen

Benötigt jemand in der Familie eine schwerwiegende ärztliche Behandlung, dann verunsichert dies nicht nur den Patienten, sondern auch die Angehörigen. Der Eingriff legt sich davor und danach wie ein Schatten über die Tage. Es kommt der Moment, wo man bei der Erstaufnahme aufgerufen wird. Unsichere Stunden für den, welcher hierbleibt und für den, der nach Hause gehen darf. Die Begleitperson trägt die notwendigen Utensilien für den Patienten und landet damit in den Armen der Aufnahmeschwester: „Sie können mir alles geben, ich nehme ihnen alles ab, die Befunde, die Jacke, den Koffer, alles.“ Auch die Frau, sie ist eine gründliche Krankenschwester. Auf die vielfältigen Leiden hat der Glaube keine Antwort. So viel, dass Gott seinen eingeborenen Sohn hat leiden und sterben lassen. Wer sind wir, dass wir uns anmaßen das Leiden und als letzten Akt das Sterben zu besiegen. Uns bleibt, dass wir wie Jesus bitten können, der Krankheitskelch könne an uns vorübergehen. Wie Jesus uns fügen, nicht mein sondern Gottes Wille geschehe.

Die Ärzte vertrauen nicht mehr auf ihre Hände, zur Abklärung von gesundheitlichen Beschwerden bei den Patienten. Die Patienten werden routinemäßig zum Röntgen und zum Ultraschall überwiesen. War dies immer so oder hat sich seit der Coronapandemie das nicht anfassen in unsere Psyche und unser Benehmen eingetragen. Bei jedem Anfassen könnte ein neues oder ein altbekanntes Virus eingefangen werden?  In der Bibel werden etliche Male über die Heilung von unreinen Menschen berichtet. Dabei sind es die von bösen Geistern verunreinigten Seelen. Heute fürchten wir uns vor unreinen Handläufen, Türgriffen und Essbesteck mehr als vor unreinen Geistern. Bei den Dämonen erweist sich Jesus Wort stark, immer wieder befiehlt er den Dämonen von den Menschen loszulassen.

temporekord

In den Jahrzehnten nach 1950, wo der Tiefkühlschrank noch nicht das non plus Ultra jeder Küche war hat es ein Kammerl, die Speis gegeben. Die Speis war von der Küche aus erreichbar und diente zur Aufbewahrung von Lebensmittel. Sie hatte ein kleines Fenster für die Frischluftzufuhr und lag an der Schattseite vom Haus. Dies sorgte in der wärmeren Jahreszeit für kühle Temperaturen. Ausgestattet mit Holzregalen lagerten dort die Grundnahrungsmittel: Zucker, Salz, Spaghetti, Mehl, Kartoffeln, Wurst und Käse. Wichtig für größere Familien, da vieles nicht in Deka Portionen eingekauft wurde. Der Einbau einer Speis ist heute bei den Wohnungen aus der Mode gekommen.  Bei den Bauern war es ein Vorratsschrank in einem Gewölbe in der Laben und damit vor Sonneneinstrahlung geschützt. Der Schrank, wo größere Mengen an Grundnahrungsmittel aufbewahrt wurden, konnte auch in einem nördlich gelegenen Zimmer stehen. Dort lagernde die Hauswürstel und der Gailtaler Speck, das selbstgebackene Brot und ein Laib Stangenkäse. Einerlei von wem das Zimmer benützt wurde, dies konnte das Eltern- oder Kinderschlafzimmer sein.

Heute ist ein Kühlschrank in jedem Haushalt obligatorisch. Lebensmittel in größerem Umfang einzukaufen ist für die Wenigsten eine Option. Der Einkauf im nahen Supermarkt gehört für die Rentner zum täglichen Alltag. Beim Bezahlen an der Supermarktkassa kommen die Pensionistinnen von den nahen Wohnblocks in Völkendorf an ihre physischen und psychischen Grenzen. Ein ungleiches Paar, der junge Mann an der Kassa welcher im Rekord Tempo die Waren über den Scanner zieht und die Pensionistin, welche sich Mühe gibt die Waren in der Einkaufstasche zu verstauen. Diese ungleiche Situation wiederholt sich stündlich. Kaum jemand macht sich darüber Gedanken, schaffen die Pensionistinnen diese Beschleunigung oder sollte es für Pensionisten eigene Kassenstellen geben? Die Möglichkeit in Ruhe die Lebensmittel in den Beutel am Rollator zu geben. Die Rentner sind erleichtert, wenn sie mit dem Rollator den Supermarkt in Richtung Wohnblocks verlassen können.

kassensprint

Die Bezahlung wird in den Baumärkten weiter beschleunigt, indem der Kunde die gekauften Waren selbst scannt und bezahlt. Geht es nach den Wünschen der Konzernleitung wird die Kassiererin alsbald überflüssig sein. In Zukunft soll der Kunde durch die Baumärkte streifen, sich die Ware in den einzelnen Abteilungen zusammenklauben und die Bezahlung selbst vornehmen.

Meine Beobachtung bei der Abfertigung an den Supermarkt- Möbelmarkt- und Baumarktkassen ist, dass bei dem Kassenpersonal jedes Gespür für den Wert der Waren verloren gegangen ist. Die Kassiertätigkeit erstreckt sich darauf blitzschnell zu erkennen, wo sich der Strichcode befindet und wie man diesen artgerecht über den Scanner zieht. Ob der Preis dem Produkt entspricht, entzieht sich der Wahrnehmung des Kassierers, alles muss schnell gehen. Mit körperlichem Einsatz wird an der Abarbeitung eines Einkaufes gearbeitet. Mit dem ersten Artikel wird der Kassensprint eröffnet und der zumeist junge Kassierer wendet keinen Blick mehr vom Zubringerband. Erst wenn der letzte Artikel von meinem Einkauf gescannt war, richtet sich der junge Mann auf und sagt: € 78, 80 in Bar oder mit Karte. Alle Waren befinden sich auf dem Staatsgebiet des Kunden. Die ältere Generation ist zumeist ob des Andrangs hereinstürmender Ware auf ihr Staatsgebiet überfordert. Ein geregeltes und geruhsames Einpacken in die mitgebrachte Einkaufstasche ist nicht möglich. Im besten Fall schafft man es bevor der nächst Kunde drankommt, zeitgerecht alles im Einkaufs- Waggerl anzuhäufen. Aus Mitleid kommt es manches Mal dazu, dass der nächste Kunde mithilft die Butter, die Marmelade, den Käse und den Salat in die Einkaufstasche hineinzustopfen.

sonntagsgewand

Das beliebte Ausschlafen am Sonntag während dem Arbeitsleben macht für einen Rentner wenig Sinn, dazu habe ich jetzt während der Woche Zeit. Nach dem Ausschlafen freute ich mich darauf etwas Besonderes zu unternehmen und am Sonntag gab es ein besonders schmackhaftes Essen. Das Besondere des Sonntags zieht sich durch mein ganzes Leben, wird bis zum Lebensende so bleiben. Die Erinnerungen an die Sonntage setzen mit den ersten Volksschuljahren ein. In den 60er Jahren gab es die sechs Tage Schulwoche und der Pfarrer fragte im Religionsunterreicht jeden danach, ob er am Sonntag in der Heiligen Messe war. Am Sonntag bekamen die Geschwister und ich am Bauernhof zum Frühstück nicht Milch und Polenta, sondern Kakao und Weißbrot mit Rosinen. Der Kirchgang war bei sommerlichem Wetter abenteuerlustig, bei Schnee und Kälte hat er uns herausgefordert. Wir bekamen ein sauberes und ein schöneres Gewand zum Anziehen. In der Kirche sind die Volksschüler, im Sonntagsgewand, in den vordersten Kirchenbänken gesessen und wir waren mucks Mäuschen still. Der Pfarrer hat dem Kirchenvolk den Rücken zugewandt, nur beim Verlesen des Evangeliums und der Predigt zeigte er sein Gesicht.

Das lateinische Gemurmel des Pfarrers blieb den meisten Gläubigen unverständlich. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil, Ende der 60er Jahre, hat sich die Messliturgie grundsätzlich geändert. Die Priester verwenden die Muttersprache und sind dem Gottesvolk zugewandt. Eine Angleichung an den Frontalunterricht in der Schule. Im Altarraum der Priester, welcher um den Glauben Bescheid weiß, in den Kirchenbänken die Gläubigen, welche belehrt werden. Fragen zu den einzelnen liturgischen Handlungen, Texten oder zu den Inhalten der Predigt zu stellen, ist bis heute nicht möglich.

lebensgeschichte

Ich erinnere mich an die Aufbruchstimmung nach dem 2. Vatikanischem Konzil, wo danach die Kirchenbesucher in den Gottesdienst eingebunden waren, wo jeder sein Anliegen in den Fürbitten vorbringen konnte. Für uns Jugendliche gab es einen Jugendseelsorger, der etwas auf dem Hut hatte, der Gitarre und Fußball spielen konnte, mit einer Jazzmesse Schwung unter die Kirchenbesucher brachte. Jugendseelsorger, dieses Wort habe ich lange nicht mehr gehört, vielleicht steht es noch auf der Gehaltsliste der Diözese. Die Aufbruchstimmung weicht dem Beharren. In der Sonntagsmesse fehlt bei der Verkündigung des Evangeliums der letzte Schritt, bei dem die Menschen in die Predigt eingebunden werden.

Ein Bereich wird von der Kirche noch gut abgedeckt, was kommt nach dem Tod? Was kann uns die Angst vor dem Sterben nehmen, die Angst vor dem Sterben ist wohl größer als die Angst vor dem Tod? Vom Sterbeprozess hat jeder andere Vorstellungen, wenn es dazu schmerzvolle Erfahrungen in der Familie oder im Bekanntenkreisgibt. Glücklich wer Menschen erlebt hat, die sich gegen das Sterben nicht gewehrt haben, friedlich eingeschlafen sind. Die letzten Worte von dem Philosophen L. W. sollen gewesen sein: „Sagt allen, ich habe ein gutes Leben gelebt“. Der Tod schafft eine Einheit, etwas was uns alle verbindet, er ist uns allen gewiss. Der Sterbeprozess ist unterschiedlich, so individuell wie jede Persönlichkeit, wie jede unverwechselbare Lebensgeschichte. Wer einen starken Glauben hat, wie es in der christlichen Praxis heißt, einen starken Glauben geschenkt bekommen hat, der wird die Verheißung des Pfarrers in der Predigt dankbar aufnehmen: Wir können gewiss sein, dass es für jeden von uns nach dem Tod eine Heimat bei Gott gibt. Die Art und Weise liegt jenseits unserer Vorstellungen. Wer im Leben von den Mitmenschen viel Liebe erfahren hat und sich den Menschen mit Liebe zugewandt hat, der kann auf Erden etwas spüren, wie es im Umfeld Gottes sein wird.