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Während der Zugfahrt durch das Gasteiner Tal, von Salzburg nach Villach, wird es draußen dunkel. Der Zug „klettert“ den Berg hoch, die Lichter von Hofgastein bleiben am Talboden zurück. Meine Augen sind, nach der üppigen Weihnachtsbeleuchtung in Salzburg, für die Finsternis am Berg dankbar. Die Gespräche im Zugabteil werden weniger. Der Mensch wird nach dem Trubel des Tages, in der Stille der Nacht, wenn die äußeren Reize abnehmen, hellhöriger und hellsichtiger. Wie damals die Hirten, nachts auf dem Feld bei Bethlehem, als der Engel ihnen die Botschaft von der Geburt Christi verkündete. Ein Stern zeigte ihnen den Weg zum Stall wo Jesus geboren wurde. Heute noch ist der Stern ein Symbol für die Weihnachtszeit: An den Wohnungstüren hängen Sterne aus Stroh, Goldfolie oder Sperrholz. Im Neonzeitalter blinken und glitzern die bunten Weihnachtssymbole bei Garageneinfahrten und am Balkongeländer. Marktplätze und Einkaufsstraßen schmücken sich mit elektrischen Weihnachtssternen. Über dem Eislaufplatz gibt es einen künstlichen Sternenhimmel. Der Weihnachtsstern vom nahen Einkaufszentrum erhellt unser Wohnzimmer.  

Während der Volksschulzeit verendete der zutrauliche Hofhund „Leo“. Wochenlang sah ich „Leo“ beim Einschlafen die Zimmerwand entlanglaufen. Zu meiner Beruhigung blieb die Zimmertür leicht geöffnet, so konnte ich den Lichtschein aus der Küche wahrnehmen und einschlafen. In der Stille der Nacht werden die Schlaflosen unter uns von Alpträumen geplagt. Mit der Geburt Christi hat sich für alle Menschen der Himmel einen Spalt geöffnet, damit wir in Zuversicht leben können.

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Petrus sorgte bis Ende der 60er Jahre für genug Schnee. Täglich fuhr ich mit dem Postbus um 6.30 Uhr zur Arbeit nach Spital / Drau. Auf dem Weg zur Bushaltestelle im Tal nahm ich auf dem Rücken die Milch zur Molkereisammelstelle mit. Dabei benützte ich einen Steig, der nach einem Schneefall ausgetreten werden musste. Meine nächste Erinnerung an einen schneereichen Winter fällt zweigeteilt aus. Bei meiner Übersiedelung nach Arnoldstein, im Jänner Anfang der 70er Jahre, gab es im Ort schulterhoch Schnee. Der Ort bezeichnete sich auf Grund der geografischen Lage im Dreiländereck als Schneeloch. In Anwesenheit von politischer Prominenz wurde im darauffolgenden Jahr ein Sessellift auf das Dreiländereck eingeweiht. Justament im folgenden Winter gab es hier bis in den Februar hinein keinen Schnee. Viele Bürger deuteten dies als ein schlechtes Omen für die Zukunft des Skiliftes, andere als einen unglücklichen Zufall. Nach einigen Jahrzehnten mit einem Höhenflug bei den Besuchern, kämpft man im letzten Jahrzehnt gegen akuten Schneemangel und Besucherrückgang.

Im zweiten Corona Winter, 2021, hat es Mitte Dezember kräftig geschneit. Im Villacher Becken das Doppelte an Schnee der letzten Jahre, wieviel wird es im oberen Gailtal und Lesachtal geschneit haben? Bei starken Schneefällen dominierten diese für wenige Tage die Titelschlagzeilen der Tageszeitungen: Schneechaos im Lesachtal; Erneut 500 Haushalte ohne Strom; Unfälle und Straßensperren. Bei großen Schneemengen wurden die Bewohner des Oberen Gailtals vom Regionalfernsehen in das Bild gerückt. An vorderster Stelle wurde von der Schneefront berichtet und wie die Bewohner mit solchen extremen Witterungsverhältnissen umgehen. Wobei die Bewohner der Orte wie Kirchbach oder St. Lorenzen den Hype der Medien Leute nicht nachvollziehen können. Mit solchen Wettersituation leben sie seit Generationen, eher beunruhigt sie, dass durch den Klimawandel die Schneefälle ausbleiben könnten. Diesen Dezember herrschte diesbezüglich ein nachrichtliches Blackout, die Omikron Welle zierte die Titelseiten. Aus dem Tageheft…

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Anfang Dezember gibt es im Süden von Österreich ein wichtiges Thema, wann fällt der erste Schnee. Die Vermutungen darüber verdrängen alle anderen lokalen und europäischen Ereignisse. Was jeder mit Bestimmtheit sagt, seit der Jahrtausendwende schneit es immer weniger, dabei sind sich alle einig. Vor kurzem hat eine Tageszeitung eine Statistik veröffentlicht, wann es zuletzt in der Landeshauptstadt Klagenfurt zu Weihnachten eine geschlossene Schneedecke gegeben hat? Dies ist schon ein Jahrzehnt her. Jeder der Generation über 50 plus weiß zu berichten, dass es in seiner Jugend auf jeden Fall Anfang Dezember geschneit hat. Es hat keine Weihnachtsferien ohne Schnee gegeben, Schlittenfahren war in den Ferien selbstverständlich. Dies war in den 50er und 60er Jahren der Breitensport unter den Kindern, wie später ab den 80er Jahren das Schifahren. Eine Rodelbahn gab es überall, zumeist war es der Zufahrtsweg zu den Bauerngehöften.  Diese waren in den 50er Jahren nicht asphaltiert und nur mit einem hölzernen Schneepflug, welcher von einem doppelten Pferdegespann gezogen wurde, oberflächlich geräumt. In einzelnen Dörfern gab es einen Bauer, welcher mit seinem Traktor die Schneeräumung besorgte. Die Pferdestärke der damaligen Traktoren lag unter 20 PS. Die stärker befahrenen Straßen wurden zumeist von einem Feuerwehrauto geräumt. Während meiner acht Pflichtschulklassen gab es zu Weihnachten immer Schnee, es wäre für mich nicht vorstellbar gewesen, dass es zu Weihnachten keinen Schnee gegeben hätte.

Zumeist setzte der Schneefall um den Krampus Tag ein, um mit Beginn der Fastenzeit zu weichen, darauf war damals Verlass. Während der Volksschuljahre hatte ich mit dem Schnee zu kämpfen, um sieben Uhr morgens waren die Bergstraßen noch nicht geräumt. Ich folgte den Fußspuren der älteren Schüler, welche durch den frischgefallenen Schnee voraus strampften. Bei Neuschnee legte uns die Mutter am Fußende Gamaschen an, eine Bergbauernspezialität. Während der Internatszeit spielten wir den Winter über im angrenzenden Wäldchen Indianer und kehrten zur Studierstunde mit nassen Hosen in das Heim zurück.

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Ist es möglich sich der Botschaft, Christus der Retter ist da, zu entziehen? Diese ist viel näher bei den Menschen und besser zu verstehen, als die akrobatischen Wortwendungen und theologischen Verstrickungen, welche sonntäglich auf die Kirchenbesucher niederprasseln. Die Hoffnung auf einen Erlöser gibt es über Jahrtausende und jedes Jahrhundert hat an den Wortschrauben gedreht, die Deutungsbolzen verändert und eine Feinabstimmung probiert. Es verläuft dabei gerade so, wie wenn man durch ständige Updates den PC verbessern will. Mit der Zeit stellt man fest, er reagiert immer langsamer. Eine Möglichkeit ist, den Auslieferungsmodus wiederherzustellen. Nach einem arbeitsreichen, von Freuden und Kummer geprägten Leben, will man sich für fünf Minuten in den Urzustand der Kindheit zurückversetzen lassen.

Die Mutter, ein Bergbauernhof mit einer großen Familie, hatte erst recht am Heiligen Abend viel zu tun. Zu den täglichen Arbeiten, wie die Hühner und die Schweine zu füttern, kam noch das Aufputzen des Christbaumes und das eine und andere Geschenk wollte verpackt sein. Am Herd kochte das Abendessen, Selchwürstel mit Sauerkraut. Zu den Weihnachtkeksen wird ein Glühmost vorbereitet. Ihre Hände rührten sich von morgens bis abends, sie waren immer tätig. Erklang am Weihnachtsabend im Radio, jeweils fünf Minuten vor fünf, sechs und sieben Uhr abends, das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“, setzte sie sich auf einen Stuhl beim Küchentisch und legte ihre Hände in den Schoß. ALLEN LESERINNEN UND LESERN EIN FRIEDVOLLES WEIHNACHTSFEST

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In dieses Vakuum stößt der Kult um das meistgesungene Weihnachtslied und wird kräftig von den Religionen instrumentalisiert. Eine Melodie die jedermann zugänglich ist, deren Geburtsstätte bei der Christenheit liegt, das Urheberrecht bei der katholischen Kirche. Man sieht darüber hinweg, dass in jedem Einkaufszentrum und auf jeden Weihnachtsmarkt dieses Lied bis zum Erbrechen in den vier Wochen vor Weihnachten, jetzt sind es schon sechs Wochen, gespielt wird. Es gab auch eine Zeit, wo es statt der Zeile, Christus der Retter ist da, geheißen hat, unser Führer der Retter ist da.

Woher kommt beim Adventsingen die Ergriffenheit der Zuhörer, wenn dieses Lied erklingt?  Zumindest die ersten Nachkriegsgenerationen werden wieder zu Kindern. Es ist der Moment, wo wir bemüht sind, unsere Kindheit für fünf Minuten wieder zu erwecken. Welches Kind hat noch die Gelegenheit am Waldesrand mit ein paar Fichtenzweigen und verdorrten Ästen einen Stall zu errichten, die Tschurtschen simulierten Esel und Kuh.

Der Text und die Melodie von „Stille Nacht, Heilige Nacht“ grenzt an das nicht Erklärbare, genauso wie es heißt, dass die Skulptur im unbehauenen Marmorblock schon enthalten ist. Am Bildhauer liegt es diese Figur behutsam aus dem Marmor freizulegen. So ähnlich waren Josef Mohr und Franz Xaver Gruber die Geburtshelfer für den Text und die Melodie von „Stille Nacht, Heilige Nacht“.

Christus der Retter ist da, und wir verharren immer noch in derselben menschlichen Krise wie vor zweihundert Jahren. Nicht in diesem körperlichen Moloch, der alles niederbügelt, aber in Zukunftsängsten und Sinnkrise. Im digitalen Zeitalter sind wir mit dem Endgültigen doch allein. Manche Menschen hoffen, dass wir es schaffen werden, über den Tod hinaus ein Tor zu öffnen. Nicht nur einen Blick zurück in die Geburtsstunde des Universums zu werfen, sondern einen Blick in das noch Unbekannte, von uns als das Jenseits bezeichnete. Von dort konnte noch kein Physiker Strahlungen und Frequenzen dingfest machen. Heute gilt alles Irdische nicht mehr für ewig, den Naturgesetzen droht die Manipulation durch den Menschen, von der Abschaffung des Todes sind wir weit entfernt.

Fortsetzung folgt…