„ Gibt es einen Fortschritt in der christlichen Religion” ?

Den geschichtlichen Zeitraum für diese Frage werde ich ab der Neuzeit belassen. Der Duden erklärt die Bedeutung von Fortschritt[1] so: „Unter Fortschritt versteht man eine positive Weiterentwicklung, im idealen Fall eine höhere Stufe der Entwicklung.“

Zu den positiven Weiterentwicklungen bei den christlichen Religionen zähle ich die Bereitschaft, dass sie sich mehr den Menschen zuwenden, den Nöten der Menschen mehr Raum geben. Geht man von den Berichten in den Evangelien aus, dann ist das Eintreten von Jesus für die Hilfsbedürftigen, seien es Aussätzige, Ehebrecher, Hilfslose und Kranke, ein Eckpfeiler seines Wirkens. Die Ordensgründungen im Frühmittelalter gehen mit der Krankenpflege einher. In Österreich gibt es einige namhafte Ordenskrankenhäuser, wie jene der Barmherzigen Brüder, der Elisabethinen, der Kreuzschwestern u. a. Den Fortschritt bei den Ordensspitäler sehe ich darin, dass sie die Modernisierung in der Medizintechnik mitgemacht haben und trotzdem die christliche Zuwendung zum Menschen nicht vernachlässigen.

Auf der Patientenmappe des „Kardinal Schwarzenberg Klinikum“ steht: „Geht nie mit den Kranken nachlässig um, sondern versorgt sie mit warmherziger Liebe“ [2]. Bei meinem Aufenthalt in der Kardinal Schwarzenberg Klinik in Schwarzach im Pongau erlebte ich den sorgsamen Umgang des Krankenhauspersonal mit den Patienten. Bereits in der Ambulanz sitzt niemand in einer „Endlosschleife“, es wird versucht zu vermitteln, wann jeder drankommt. Beim Warten auf die Operation gab es viele tröstende Worte. Im Klinikalltag stellte sich jeder Mitarbeiter mit seinem Namen vor und erklärte was und warum er dies macht. Im Krankenzimmer: „Guten Morgen Herr Supersberger, ich bin Elvira, Krankenschwester im 2. Ausbildungsjahr. Darf ich ihnen den Blutdruckmessen oder soll ich später noch einmal vorbeikommen“?[3] Die ärztlichen Visiten endeten mit der Frage: „Gibt es bei jemanden noch eine Unklarheit, gerne beantworten wir ihre Frage[4]“?


[1] Duden, positive Weiterentwicklung [2] Hl. Luise von Marillac [3] Tageheft Nr. 275, Franz Supersberger, Hüftoperation Kardinal Schwarzenberg Klinikum [4] Ebenda

einsteiger:droge

Vom Schongedanken zum Aktivgedanken übergehen.

Die ärztlichen Untersuchungen verlaufen heute schonend, dies ändert nichts an der Frage, welches gesundheitliche Ergebnis gibt es? Sind die erhobenen Werte im Normbereich oder sind sie überzogen und wo beginnt das Krankhafte. Genügen dafür eine medikamentöse Behandlung, Infusion und ähnliche Einsteigerdrogen in den Behandlungsmarathon. Diese Verordnungen können zumeist ambulant durchgeführt werden. Bei alarmierenden Werten gibt es eine Zuweisung zum Facharzt und als Endpunkt einer langen Untersuchungsreihe einen Termin im Krankenhaus. Für mich war das Aufwachen nach der Hüftoperation wie das Wachwerden am frühen Morgen nach einer erholsamen Nachtruhe.

Ist eine Operation im Krankenhaus notwendig, dann ist man auf diesen Eingriff fokussiert. Die übrigen, altersbedingten Wehwehchen, werden zur Seite geschoben. Umso dringender melden sich die Wehwehchen zurück, ist die Operation erfolgt und man ist wieder zu Hause. Deshalb häufen sich in den Wochen vor Jahresschluss die alljährlich wiederkehrenden Termine, wie Hautärztin, Urologe oder Augenarzt.  Der Kontrolltermin bei der Ambulanz und der Radiologie. Behelfsmittel im Bad, welche nur vorübergehend, für die Zeit nach der Hüftoperation gedacht waren, sind zur Dauereinrichtung geworden. Ein Haltegriff in der Dusche, der uns vor einem Ausrutscher bewahrt oder ein Badehocker für ein bequemes Waschen der Kopfhaare. Die WC-Sitzerhöhung habe ich sehr geschätzt, aber inzwischen kann ich auf sie verzichten. Manches Mal verwende ich noch den Trick von einem YouTube Video. Darin wurde gezeigt, wie man Mithilfe eines Handtuches problemlos, bei einer Einschränkung der Hüfte, mit ein paar Handgriffen die Socken anzieht. Es braucht keine mechanische Sockenanziehhilfe und keine fremde Person. Eine Physiotherapeutin zeigt dies in einem kurzen Video und es funktioniert. Den Physiotherapeutinnen oder -Therapeuten zolle ich nach meinen Reha Aufenthalt großen Respekt, unter ihren Anleitungen gewinnt man sehr viel von der Beweglichkeit und Selbstbestimmtheit zurück. Dazu kommt die mentale Unterstützung, dass man seinem Körper, in meinen Fall dem neuen Hüftgelenk, immer mehr zutrauen kann. Vom Schongedanken zum Aktivgedanken übergehen.

arzt:pritsche

Ich bin überrascht wie dies toleriert wird.

Ich denke, dass mit der Hüft-OP der medizinische Marathon für dieses Jahr vorbei ist. Vor der OP hat es einige Untersuchungen wie Röntgen, Blutwerte und EKG gebraucht. Im Zuge dieser Untersuchungen habe ich mich daran gewöhnt, auf den sogenannten Arztpritschen Platz zu nehmen. Ich gehöre zu denen, die ein erhöhtes Kopfteil bevorzugen. Keinesfalls ein hartes Kopfpolster, dies führt bei mir zu unangenehmen Gefühlen. Es ist eine Gewohnheit zu den Untersuchungen, für mein Wohlbefinden, ein Handtuch mitzunehmen und dieses zu falten. Dies ergibt eine weiche Auflage für den Nacken. Ich hatte befürchtet, dass meine Selbstversorgung mit einem Handtuch bei den Ärzten nicht so gut ankommt, ich bin überrascht wie dies toleriert wird. Dies bedeutet eine Entlastung von meinen Vorbehalten für medizinische Untersuchungen. Neuerdings wird in den Ordinationen eine neue Art von Kopfpolster verwendet, der formbare Kopfpolster, welcher sich dem Nacken und dem Kopf anpasst. So langwierig ein Aufenthalt bei einem Akutfall in der Ambulanz des LKH Villach war, eines muss ich zugestehen, dass sie über tolle Ambulanz Betten verfügen. In denen liegt man komfortabel und auch das Kopfteil ist optimal.

Ein Hotelbett in solcher Ausstattung würde ich mir wünschen, natürlich für einen Urlaubsaufenthalt. Beim Verreisen sorge ich vor und nehme für die Übernachtungen ein Polster, wie ich es zu Hause verwende, mit. Vorzugsweise übernachte ich in Hotels in Bahnhofsnähe, da ich schon viele Jahre mit dem Zug verreise.  Der Kopfpolster hat die Keilform und darauf lässt sich hervorragend schlafen. Ein kleines Übel in den Hotels ist, dass die Steppdecken kaum den Jahreszeiten angepasst werden. Es gibt eine Jahresdecke und diese sind zumeist zu schwer. Es verhält sich wie bei den Autoreifen, auch hier gibt es Allwetterreifen, aber wirklich passend sind sie für keine Jahreszeit. Aus Sicherheitsgründen entscheide ich mich dafür, einmal Sommerreifen und einmal Winterreifen zu montieren.

zug:fahrt ll

Mein Zugnachbar war Zeit seines Lebens als Betriebsschlosser in der Schuhfabrik tätig, hat aber aus Berufung gemalt. Seine Weiterbildung als Maler hat er dem bildenden Künstler Josef Gabler zu verdanken, bekannt durch seine Schwebeschaubilder. Josef Gabler hat ihn zu einem, von keiner Kunstakademie beeinflussten Stil ermutigt. Er hat erlebt, dass die Besucher einer Ausstellung oder beim Kauf eines Bildes danach schielen, ob der Künstler einen akademischen Grad hat? An zweierlei kann ich mich erinnern: Bei einem Besuch der Uffizien in Florenz bin ich bei der Fülle der ausgestellten Bilder dazu übergegangen, mich nicht auf das Gemälde einzulassen, sondern habe zuerst den Namen des Künstlers gelesen. War mir der Maler oder die Malerin geläufig, habe ich mir die Zeit genommen und das Bild betrachtet. Das Gegenstück war eine Parodie  auf der documenta in Kassel. Eine Hinterfragung des Kunstausstellungstourismus. Es wurden Miniaturbilder aufgehängt, Werke von bekannten Künstlern in Kopie. Der Name des Künstlers wurde in großen Lettern über dem Miniaturbild angebracht. Wen interessiert schon das Bild, der Name des Künstlers sagt alles.

Zu Kassel ist meinem Zugnachbarn der Name Joseph Beuys eingefallen, dieser hat dort anlässlich einer documenta tausend Basaltsteine abgeladen. Für jeden Stein wurde in Kassel ein Baum gepflanzt. Gegenseitig haben wir uns während der Zugfahrt Buchtipps ausgetauscht. Gerne lese ich Biographien von Barbara Beys, eine Verwandte von Josef Beys, wie über Paula Modersohn Becker, oder die Biographie über Sybille Merian. Seine Buch Empfehlung war Die letzte Bibliothek von Freya Sampson. Die Handlung erinnert ein wenig an die Bibliotheksschließung in Arnoldstein, zu wenig Auslastung. Neu ist in Arnoldstein eine Autorenbibliothek von Hans Haid. Ob die Feinheiten einer Autorenbibliothek, wie Widmungen, Anmerkungen des Lesers, Zeitungsausschnitte Aufnahme in das Register gefunden haben? 

zug:fahrt

Ihr Mann ist an Makula erkrankt und kann selbst nicht mehr lesen.

Beim Blättern im Tageheft 274 bleibe ich bei meinem Eintrag vom 2. Juni 2023 hängen. Ich war auf der Fahrt mit dem Zug nach Salzburg. Fünf Monate später versehe ich das Ereignis mit dem Zusatz, dies war vor meiner Hüftoperation, heute ist es nach meiner Hüftoperation. Der Zug, mit Abfahrt um 9.15 vom Bahnhof Villach war, wie zumeist, wenig besetzt und ich machte mich im Abteil gemütlich. Draußen huschte das Drau Tal bei Schönwetter vorbei. Grüner wird es rechts und links von der Drau in diesem Jahr nicht mehr werden. Als erstes zücke ich beim Zugfahren mein Tageheft, um die Beobachtungen aufzuschreiben, wenn es im Abteil etwas zum Entdecken gibt. Ein wenig die letzten Tage zu replizieren, welche im Tage Heft noch keinen Niederschlag gefunden haben. In Spittal an der Drau steigt ein Ehepaar mit Rucksack, Reisetasche und einer Einkaufstüte zu. Sie lassen sich bei einem Tisch vor mir nieder. Dem Benehmen nach vermute ich, dass der Mann sehbehindert ist. Die Frau reicht ihm einen Becher und ein Brot. Er klagt über Juckreiz und wird von der Frau mit einer Salbe versorgt.

Etwas später liest ihm die Frau aus dem Buch, Die Geschichte der Bienen, vor. Vor etwa einem Jahr habe ich von derselben Autorin, Maja Lunde, das Buch Die letzten ihrer Art, eine Pferdesaga gelesen. Ihre Stimme ist dezent, aber von meinen Einträgen lenkt es mich völlig ab. Ich kündige an, dass ich mich ein paar Sitzreihen vorne weiter niederlassen werde um konzentriert arbeiten zu können. Die Frau entschuldigte sich und erzählte, dass ihr Mann an Makula erkrankt ist und selbst nicht mehr lesen kann. In entdecke eine Ähnlichkeit im Gesicht mit einem Mann in Arnoldstein, der damals auch an einem Augenleiden laborierte. Auf diese Ähnlichkeit habe ich den Herrn angesprochen. Nein, sie leben in Paternion, ich bin vis a vis in Ferndorf aufgewachsen und dies hat uns, an sich fremde Zugreisende nähergebracht. Meine Familie war ihm bekannt, auch was wir Geschwister im Leben gemacht haben. Vom Maschinenhandel bis zum Fertighausunternehmen. Er hat gewusst, dass einer von uns Brüdern in den 70er Jahren eine kurze Zeit in der Schuhfabrik Gabor gearbeitet hat und später als Buchhändler selbstständig wurde.