Ein gutes Leben.
Ein Todesfall in der Verwandtschaft nach Ostern löste in mir tiefere Betroffenheit aus, als der medial weltweit inszenierte Tod von Papst Franziskus. Er verstarb einen Tag nach Franziskus an den Folgen von einem Sturz. Die mehrfach vermittelte Botschaft bei den pompösen Trauerfeierlichkeiten vom Papst, von der Auferstehung nach dem Tod, gilt dies auch für einen einfachen Diener des Herrn? Der Verwandte hat nie die Öffentlichkeit gesucht, er war bescheiden und hat sich im Hintergrund gehalten. Unter den Nachbarn galt er als ein guter Mensch, fleißig und rechtschaffen. Im Mittelpunkt von seinem Leben stand sein Wirken für die Familie. Er sorgte für ein geregeltes Auskommen und für die Kinder eine ihnen gemäße Ausbildung. Treu und geflissentlich der Frau gegenüber. Beide sparsam und arbeitsam um sich den Wunsch von einem Eigenheim zu erfüllen. An den alltäglichen Ereignissen hatte er seine Freude, am Besuch eines Blasmusikkonzert, am jährlichen Kirchtag oder einem Tagesausflug mit einem Reisebus. Eine Schifffahrt am Weißensee oder eine Gondelfahrt auf das Goldeck zählten zu den besonderen Erlebnissen eines Sommers.
Was wäre der Papst ohne die vielen Gläubigen, der Bundeskanzler ohne die Staatsbürger? Wer seine Aufgabe im Leben gefunden hat, seine angeborenen Talente richtig einsetzt, hat dies erreicht, was ich für ein gutes Leben halte. Jeder soll sich verwirklichen können, aber nicht auf Kosten anderer. Ein gemeinsames Ziel für die Gemeinschaft. Seinen Erfolg und seine Persönlichkeit nicht daraus ziehen, dass über andere schlecht geredet wird. Die Anhänger der christlichen Botschaft zeigen sich darin, dass anderen gegenüber Hilfsbereitschaft gelebt wird, wie es die eigenen Kräfte zulassen. Übermenschliches überlassen wir den Heiligen. Ich weiß auch nicht zu beurteilen, wer war ein Heiliger, der charismatische Papst Franziskus oder der rechtschaffene Verwandte?
Aus dem Tageheft 296