Ist Sinn eine dritte Dimension neben Wert und Wohlergehen?
Susan R. Wolf (* 1952), eine US-amerikanische Philosophin hat in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Sinnfrage in der philosophischen Diskussion wiederbelebt. Ihre These ist, wenn ich sie richtig verstehe, dass Sinn im Leben eine eigene Kategorie ist, die subjektiv für die handelnde Person Sinn macht und objektiv für andere einen Wert darstellt. Sinnvolles Leben muss nicht einhergehen mit genussvollem oder angenehmem Leben. Susan Wolf geht noch eine Stufe weiter und stellt fest, Handlungen aus motivierten Gründen können auch ohne Erfolg, bei einem Misserfolg für die Person einen Sinn haben. Diese Aussage belege ich mit einem persönlichen Erlebnis. An der Eröffnung des umgebauten Arnoldsteiner Gemeindeplatzes in den 1980er Jahren beteiligte sich auch die Initiative „Kultur-Impulse-Schütt“, KIS[1], mit einerInstallation. Es wurden von uns Schautafeln mit Zitaten von P. Handke zum Dorf aufgestellt.
Aus meinem Tagebuch[2]: „Zur Installation am Gemeindeplatz, es gab fast kein Echo. Montagfrüh, nach drei Tagen, haben die Arbeiter vom Bauhof die Tafeln abgeräumt und sie vor die Geschäftstür meiner Papier- und Buchhandlung geworfen. […] Ein Arbeiter vom Bauhof hat zu mir gesagt, die Tafeln verderben den ganzen Platz, es sieht aus wie am Friedhof. […] Der ganze Volkszorn richtete sich gegen mich.“ Es gab starken Gegenwind, aber meine Motivation weitere KIS – Veranstaltungen zu organisieren war ungebrochen und für mich sinnstiftend.
Die Philosophie variiert zwischen „der Sinn des Lebens“ und „Sinn im Leben“. Für Letzteres braucht es subjektiv nicht unbedingt eine moralisch vorzeigewürdige Handlung. In der Lehrveranstaltung wurde die Frage, hatte das Leben Hitlers einen Sinn, emotional diskutiert. Eine aktuelle Version ist die Frage, hat das Leben von Waldimir Putin einen Sinn? Betrachte ich die Sinnfrage losgelöst von Moral und Ethik, wie bei der Diskussion um die Person Hitlers, dann muss ich annehmen, dass nach subjektiver Erfahrung für Putin der Überfall auf die Ukraine Sinn macht. Eine für die Person sinnhafte Handlung kann objektiv eine moralisch sehr verwerfliche Handlung sein.
[1] 23. September bis 10. Oktober 1988, Installation im öffentlichen Raum, Gemeindeplatz Arnoldstein, KIS, Kultur-Impulse-Schütt
[2] Aus dem Tagebuch: „Zur Installation am Gemeindeplatz: Es gab fast kein Echo. Montagfrüh, nach drei Tagen, haben die Arbeiter vom Bauhof die Tafeln abgeräumt und sie vor meine Geschäftstüre geworfen. Mit Bürgermeister Steinlechner konnte ich die Situation klären, dass die Tafeln vierzehn Tage stehen bleiben. Sie mussten die Tafeln wieder aufstellen. Ein Arbeiter vom Bauhof hat zu mir gesagt, die Tafeln verderben den ganzen Platz, es sieht aus wie am Friedhof. Die wenigsten haben die Texte gelesen und verstanden. Der ganze Volkszorn richtet sich gegen mich.“
LV: Sinn der Welt, Sinn des Lebens, Universität Salzburg, Prof. Clemens Sedmak