…im Waggon wird nach dem Smartphon gegriffen.
Die erste Handlung, nachdem der passende Platz gefunden, der Koffer verstaut und die vorgesehene Reiselektüre am Tisch liegt ist, mein Jausensackerl zu öffnen. Darin befindet sich ein Kornspitz mit Salami und dazu eine Dose Coca-Cola. Beim Zugfahren schmeckt mir eine Jause am besten. Mit diesem Ritual bin ich nicht allein, die Hälfte der neu Zugestiegenen zaubern aus ihrem Handgepäck einen kleinen Imbiss. Die einen essen aus einer Plastikbox mit einer Gabel verschiedene Salate, andere vertiefen sich in Schurgebäck und bestellen dazu beim Zugbegleiter einen Milchkaffee. Die Genügsamen schälen sich einen Apfel oder eine Banane. In den ersten dreißig Minuten der Bahnfahrt wird vielerorts gekaut und dazu ein Schluck getrunken. Es hat etwas mediatives, wenn sich im Abteil ein Großteil dem leiblichen Genuss hingibt. Erst danach mustere ich mit verstohlenem Blick die Mitfahrenden und versuche ein Gespräch anzufangen, wenn ich beim Gegenüber dazu eine Bereitschaft erkenne.
Dieses Ansinnen hat sich während der Coronapandemie wesentlich verändert. In dieser Zeit wurde mit Argusaugen darüber gewacht, dass man vom nächsten Fahrgast weit entfernt war. Bedroht fühlte man sich, hat sich jemand genähert und einen angesprochen. Hörte ich irgendwo ein leises Räuspern, so habe ich mich sofort umgewandt. Kam es bei einem Mitreisenden zu einem starken Hustenreiz war es üblich, dass sich alle, soweit es möglich war, vom Verursacher entfernt haben. Manche Reisende sind aufgestanden und haben das Abteil schnellstmöglich verlassen und sind in den nächsten Waggon geflüchtet.
Während der Pandemie haben sich die Fahrgäste aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus dem Meinungsaustausch verweigert. Jetzt ist es die intensive Benützung des Smartphon. Sofort nach dem Platznehmen im Waggon wird in die Tasche nach dem Smartphon gegriffen. War es früher eine Zeitung oder ein Buch, so vertieft sich heute der Großteil der Fahrgäste in das Smartphone. Mit einer Intensität, welche sich zur Abwesenheit steigert. Das Hinstarren auf den Bildschirm lässt keine Seitenblicke zu, kein Zeichen der Aufmerksamkeit für den Nachbarn.