Erzählen andere von ihren Sehschwächen kann ich mit ihnen mitfühlen. Das Ticken bei Kreuzungen kündigt die Grünphase für sehbehinderte Personen an. In der Draustadt begegne ich öfters einem Mann, der mit Blindenhund, Blindenstock und Blindenarmbinde unterwegs ist. Ich staune darüber, wie schnell er sich auf dem Gehsteig fortbewegt und ein Geschäft betritt. Er und der Blindenhund sind ein eingespieltes Team.
Spaziert man auf den Marxrainweg von Judendorf in das Zentrum, dann geht man an einigen überdimensionierten Plakatwänden vorbei. Da ich weiß, wie wichtig das Augenlicht für jeden ist, fühle ich mich von dem Plakat der Initiative „Licht für die Welt“ angesprochen. Sie bitten um Unterstützung, damit sie anderen das Augenlicht erhalten können. Das neueste Plakat hat sofort meine Aufmerksamkeit erregt: Ein Foto von einem afrikanischen Mädchen, vor dem Hintergrund der afrikanischen Savanne, in Sepia Ton. Das Mädchen trägt eine Augenbinde, dazu der Text: „Ich werde wieder sehen. Schenken sie einem Menschen mit einer Spende von € 30.– sein Augenlicht wieder“. Dieser Aufruf nimmt in etwa ein Drittel der Plakatwand ein. Zwei Drittel sind mit grellen Artikeln eines Möbelhauses plakatiert, es gibt seine Neueröffnung in der Draustadt bekannt. Mir kommt der symbolische Gedanke was sieht das Mädchen, wenn es die Augen öffnet. Da wären poppige Schuhlöffel, das Stück für 69 Cent, Kissen in Trendfarben zu € 8.99 und zu jedem Stück ein T-Shirt gratis. Tischleuchten in Intensivfarben, jedes Stück für € 3.– und ein Funktionssofa in schwarz oder weiß um € 199.–. Das Unternehmen mit dem rosa X verkündet: „Sieht doch gleich besser aus“. Sieht die Welt besser aus weil es ein Möbelhaus mehr gibt, das Fünfte in der Stadt, bei zirka 50.000 Einwohnern. Die Ossiacherstraße ist die Möbelmeile.
Hinsetzen.