mein:pony l

„Komm Lisa, komm, wo bleibst du so lange, schnell komm“, ruft meine Mama. Ich mache einen Blick durch das offene Küchenfenster und sehe auf der Wiese, in der Nähe vom Gatter, ein braunes Pony grasen. Schon lange habe ich mir ein Pony gewünscht und der Papa hat es mir für das gute Zeugnis versprochen. Im Hintergrund höre ich meinen Bruder lachen und plötzlich ist es weg. „Nein, nein“, rufe ich und beginne zu schluchzen. „Beruhige dich Lisa, es ist Zeit zum Aufstehen, du musst aufstehen, heute fängt wieder die Schule  an“. Plötzlich bin ich hellwach, die Mama steht im Zimmer, ich muss aufstehen. Bis zum letzten Ferientag habe ich auf das Pony gehofft, vielleicht hat es sich verlaufen? Ich wollte es pflegen, füttern und auf ihm reiten. Meine Freundinnen leben in größerer Entfernung von mir, am Bauernhof sind die Tiere meine besten Gefährten. Allen voran die schwarz-weiße Katze Dorli, sie hat ein weiches Fell, drei weiße und eine schwarze Pfote. Während ich die Hausaufgaben erledige schmiegt sie sich an meine Hüfte und beginnt zu schnurren. Andere Katzen pfauchen, wenn ich ihnen das Fell streicheln will. Der zottige Hofhund Benno folgt mir überallhin, in den Garten, auf das Feld und in den Stall. In das Haus darf er nur bis in das Vorgebäude, weil von ihm Stallgeruch ausströmt. Ist er beim Fressen oder döst er in der Nähe seines Futternapfes, dann mache ich einen weiten Bogen um ihn, wie die Hühner. Kommt eine unvorsichtige Henne in seine Nähe, so reagiert er unwirsch und mit einem Satz, den man ihm ob seines Alters nicht zutraut, verscheucht er sie. Manche Henne hat dabei schon einige Federn eingebüßt. Die Haustiere sind meine engsten Verbündeten und dann mein älterer Bruder. Habe ich ihn nicht im Traum schadenfroh lachen gehört? Er hat mich wegen meines Pferdewunsches immer gehänselt. Ein Pony für unsere „kleine feine  Dame“, wie ich vom älteren Bruder boshaft genannt werde. Die „kleine feine Dame“  ist ein Verweis auf seine Schulkameradinnen aus dem Dorf. Es sind Mädchen aus den Angestelltenfamilien, welche in hübschen Kleidern, schönen Schuhen und gepflegten Haaren mit ihm die Hauptschule besuchen. Meine  liebsten Freundinnen treffe ich in den Ferien nicht oft, deshalb  freue ich mich, dass die Schule beginnt, auch wenn sich der  Ponywunsch nicht erfüllt hat. Nach dem Waschen und Ankleiden kämmt mir die Mutter die Haare und flechtet zwei Zöpfe. Gemeinsam sitze ich mit dem Bruder am Küchentisch. Zum Frühstück bekommen wir Kakao und ein Honigbrot. Ich werde nicht mehr vor dem Bruder losgeschickt, im dritten Schuljahr kann ich genauso schnell gehen wie er. Mein Bruder schämt sich, wenn Buben aus seiner Klasse zu uns stoßen, für seine kleine Schwester. Von den Bubenstreichen bin ich ausgeschlossen, ich gelte als verweichlicht. Es verletzt ihren Bubenstolz, wenn sie sich mit einem Mädchen unterhalten. Vor dem Haus warten schon Kinder aus der Nachbarschaft, zu Fuß gehen wir eine halbe Stunde in die Schule.

Fortsetzung folgt…..

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