Die Sträucher und Bäume um die Kirche Völkendorf sind frisch beschneit. Überfallsartig füllt sich der Parkplatz mit Autos, viele junge Menschen steigen aus und eilen in die Kirche. Aus einem Fahrzeug wird ein Baby gehoben, in den Kinderwagen gelegt und in die Kirche geschoben. Von den anderen Kirchenbesuchern unterscheiden sich die Eltern durch ihr jugendliches Aussehen, der trendigen Frisur und der modischen Kleidung. Zwei Männer helfen einer älteren Frau gemeinsam aus ihrem Auto, der Rollstuhl wird aus dem Kofferraum geholt und man fährt sie nach vorne zum Altar. Die Heilige Taufe wird beim Taufbecken, im rückwärtigen Teil der Kirche, gespendet. Für das Wohlergehen des Neugetauften werden die Heiligen der anwesenden Personen um ihren Segen angerufen. Zuletzt meldet sich ein Unsteter und ruft seinen Heiligen an: „Heiliger Jakobus, bitte für sie.“ Sein Geschenk an das Neugeborene. Neben ihm zittert der Freund, in eine dünne Windjacke gehüllt, erbärmlich. Der Bettler, der vor der Kirchentür gekniet ist hat inzwischen in einer Kirchenbank Platz genommen um sich ein wenig aufzuwärmen. Er hat wahrscheinlich schon vor wärmeren Kirchen gebettelt. Eine Prozession bestehend aus Kindern, den Ministranten, dem Pfarrer, dem Taufkind, den Eltern, den Paten und den Angehörigen zieht durch die Kirche zum Altar.
Die kühle Raumtemperatur kann die Herzen der Besucher nicht erwärmen, vielleicht können es die Worte des Pfarrers? Die Gläubigen erfahren vom Geheimnis, das der Engel Maria und Josef verkündet, von der Menschwerdung Gottes, Jesus ist Gottes Sohn. In unserer Zeit fahren die Menschen zum Weihnachtsstern, der über dem Einkaufszentrum erstrahlt. Autokolonnen von Hirten sind unterwegs. Sie suchen nach passenden Geschenken, nach dem Glück, dass sie kaufen wollen. Der Warenstall ist warm und hell erleuchtet und es gibt genügend Parkplätze.
Zur Gabenbereitung bittet der Pfarrer alle Kinder und das Elternpaar mit dem Baby zum Altar. Ein ungewöhnlicher Ort für eine junge Mutter mit ungewöhnlichen Bewegungen, die Hände weit zu öffnen und zu schließen. Mit ihrem Blendamed Zahnpasta-lächeln kann sie die Situation gut meistern. Von den näher rückenden Weihnachten kündet der Adventkranz, darunter sind Josef und Maria mit ihrem Esel auf dem Weg nach Bethlehem unterwegs. Die Geburt Christi vollzog sich damals unbemerkt von den Menschen, die derweil mit dem Handy telefonieren, während im Stall ein Wunder passierte. In Wohlgefallen erhebt man sich zum Schlusssegen von den Kirchenbänken, man freut sich schon auf das Pfarrcafé, auf ein Stück Kuchen und Kaffee im geheizten Pfarrsaal. Der Ischiasnerv wird sich in der Wärme wieder beruhigen. Nach dem Auszug des Pfarrers und den Ministranten bleibt die Mutter mit dem Baby noch sitzen und stillt es. Die Sonne scheint durch die Glasfenster.
Aus dem Tagebuch.