sünden:fall I

Die Frau vom mobilen Kiosk auf dem Villacher Hauptplatz greift mit einer Serviette nach dem letzten Kaiserbrezen, dem letzten großen Bierbrezen und reicht ihn mir. Ich bin gerade auf dem Weg zur Post, dazu schenkt sie mir einen warmen Tee ein. In den letzten Febertagen ist es abends kühler, obwohl der Föhn aus Oberitalien den Winterfrost gebrochen und die kalte Luft aus dem Villacher Becken weggeblasen hat. Die Neugier der Passanten soll geweckt werden, weil  wenige Meter weiter auf einem LKW mit transportabler Bühne, der noch amtierende Landeshauptmann zu einer Abschlusskundgebung geladen hat. Noch weiß niemand, wer nach der Landtagswahl am Sonntag  der neue Landeshauptmann sein wird. Die große Ansprache ist schon vorbei, geblieben ist ein Rest von Leuten, mit ein paar Losen in der Hand. Von den Wahlhelfern wurden sie unter der Menge  verteilt, zum Abschluss werden Kärntner Schmankerln verlost. Der Landeshauptmann  erzählt gerade einige Witze und  nebenbei werden Kärntner Brettljausn und Villacher Bier verlost. Dafür lohnt es sich auszuharren, weniger zwecks der politischen Schlagwörter und den politischen Phrasen.

Um 20 Uhr beginnen von allen Stadtpfarrkirchen die Kirchglocken, aus Anlass des Papstrücktrittes, zu  läuten. Die Veranstaltung wird  abgebrochen, der LH verschwindet von der Bühne und die Musik wird abgedreht. Die Kirchenglocken haben die Funktionäre der  Landeshauptmannpartei erschreckt, sind diese Töne des Abschieds? In einer schlechten Verfassung würde man sagen, die Sterbeglocken läuten. Wird der Abschied des LH eingeläutet, muss er in Kärnten abdanken wie der Papst? Vom Papst sagt man, er sei freiwillig zurückgetreten. Politiker verzichten nicht freiwillig auf ihren Politikersessel, sie müssen von ihren Sesseln gestoßen werden. Es liegt im Ermessen der Wähler und – innen, am Sonntag haben sie dazu Gelegenheit.  Am Sonnabend wird man die Bedeutung der Glockenschläge kennen, waren es Sieges- oder Verliererglocken.

Aus dem Tagebuch, Feber 2013…

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