Seit mehreren Jahrzehnten lebe ich im Dreiländereck Österreich-Italien und Ex-Jugoslawien. Ich genieße es, seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und der Schaffung des Schengenraumes, dass die Grenzkontrollen zu den Nachbarländern abgeschafft wurden. Wer lange in einem Grenzort wie Arnoldstein lebt merkt, um wie viel entspannter die Leute heute von diesseits und jenseits der Grenze miteinander umgehen. Es hat früher einen Unterschied gegeben, ob man am Wurzenpass die Staatsgrenze von Österreich nach Jugoslawien oder in Thörl Maglern die Grenze nach Italien überschritten hat. Das Überqueren der Grenze nach und von Italien hatte zumeist einen heiteren Charakter. Dazu dürfte die Aussicht auf ein Glas italienischen Rotwein und einer Portion Spagetti beigetragen haben. Viele Jahrzehnte war der Tarviser Markt das Einkaufszentrum für die Kärntner. Heute weiß ich, es gab organisierte Einkaufsfahrten aus den Bundesländern Vorarlberg und Burgenland zum Tarviser Markt. Von Orten, die etwa sechshundert Kilometer entfernt sind. In der Sommersaison überschwemmten an Schlechtwettertagen die deutschen und die holländischen Urlauber den italienischen Grenzort. Ein Indiz dafür, dass die Gästebetten am Wörthersee, Ossiachersee und Millstättersee gut belegt waren. Einen freien Parkplatz zu finden war aussichtslos.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deckte man sich am Tarvisermarkt preisgünstig mit schicker Kleidung und Schuhen ein. Der besondere Kick waren Lederjacken, Ledermäntel sowie Handtaschen. Im Vergleich zu Österreich waren die Lederwaren in Italien billig. Bestimmt war es nicht immer die erste Wahl, teilweise mit kleinen Fabriksfehlern. Fehler, die ohne Fachkenntnisse unbemerkt blieben. Dazu kam das Kauferlebnis am Fetzenmarkt, wie der Tarvisermarkt liebevoll genannt wurde. Hier konnte gehandelt werden wie in einem Basar in Istanbul. Wer die Kunst des Feilschens nicht verstand oder sich schämte vor dem Zahlen zu handeln, der war fehl am Platz. Nach dem Kleiderkauf ging man mit dem Gefühl, einen günstigen Kauf gemacht zu haben, vom Marktstand weg. Die Freude währte solange, bis man bei einem anderen Händler dieselben Jeans um zwanzig Prozent billiger angeboten bekommen hat. Trotzdem fuhr man in der nächsten Jahreszeit wieder zum Modeshoppen auf den Tarvisermarkt.
Schöne Frau.