corona:66 III

Bescheiden ist das Stichwort, werden wir beim Kontakt mit Verwandten, Bekannten oder Freunden gefragt, wie es uns jetzt zwei Monate nach einer überstandenen COVID Infektion geht? Ich zähle so selbstverständliche Handreichungen auf, denen sonst kaum Beachtung geschenkt wird. Wir können uns selbst waschen und ankleiden, haben keine Probleme beim Aufstehen und Niedersitzen. Die notwendigen Einkäufe an Lebensmittel erledigen wir selbst und sind auf keine fremde Hilfe, wie Essen auf Räder, angewiesen. Für viele mag dies banal klingen, auch für uns war dies vor der Infektion keine Silbe wert. Sobald es die Pandemie erlaubt möchten wir wieder ein Fest, ein Schwimmbad oder eine Ausstellung besuchen. Diese Vorhaben waren während der Infektionsphase nicht selbstverständlich. Wir hoffen, dass die neue Bescheidenheit uns erhalten bleibt und wir mit dem Zustand der Unvollkommenheit und Gebrechlichkeit liebevoll umgehen.

Eine Bekannte hat vor kurzem ihren sechsundsechzigsten Geburtstag gefeiert. Wir konnten sie leider nicht besuchen und haben ihr fernmündlich unsere Glückwünsche übermittelt. Sie soll das Lied von Udo Jürgens, „mit 66 Jahren fängt das Leben an“, nicht als eine schöne Phrase, als Schnulze sehen, es steckt darin ein wahrer Kern. Dabei denke ich nicht an einen in Zahlen gegossenen Termin, sondern auch daran, dass das Pensionsantrittsalter in den EU-Staaten bei 66 Jahren liegt. Angeglichen an die längere Lebenszeit kommt ein Vorschlag von David Precht, dass sich alle nach dem Pensionsantritt für ein Jahr in einem sozialen, gemeinnützigen Verein einbringen sollen. „Mit 66 Jahren“ sollte man für sich reale und utopische Wünsche formulieren und schrittweise realisieren. Dies ist nicht allein von den finanziellen Mitteln oder dem körperlich Befinden abhängig, auch die mentale Verfassung und der eigene Wille spielt eine Rolle. Der Bogen kann weit gespannt sein, von Bergwanderungen, dem Garten neuen Glanz verleihen, einen Fotokurs zu besuchen oder das angrenzende Ausland zu erkunden. Spannende Orte bedürfen nicht immer einer Fernreise, viel historisches, architektonisches und botanisch Interessantes findet man in Kärnten oder eine Autostunde von der Grenze entfernt. Gezielte Aktivitäten können die Lebenserwartung um einiges verlängern. Die Bekannte hat vor ein paar Monaten ein himmlisches Geschenk erhalten, ihr erster Enkel wurde geboren. Dies dürfte derzeit ihr größter Motivator sein, der Sohn kommt in den nächsten Tagen mit der Familie für eine Woche zu Besuch.