Den Laden für Südfrüchte betrete ich mit dem Vorsatz, mir auf schnelle Art Energie zuführen. Als pensionierter Kaufmann schweift mein Blick durch den Miniladen, er ist etwa so groß wie mein Papierladen zu Beginn meiner Selbstständigkeit in Arnoldstein. Etwa dreißig m2 und für den kleinen Einkauf der Sommergäste konzipiert. Ende September neigt sich die Saison am Wörthersee, außer in den Tophotels, dem Ende zu. Hinter einer Plexiglasscheibe, Corona verlangt es, sitzt auf einem Bürostuhl eine ältere weißhaarige, zierliche Frau. Nach dem Äußeren tippe ich um die achtzig Jahre. Sie sortiert die Cent von der letzten Kundschaft in die Kassalade ein. Der Kühlvitrine entnehme ich ein Coca-Cola und dem obligaten Süßwarenregal in Kassanähe ein Kägi Fret mit 50 Gramm. Beides schiebe ich durch die Lucke im Plexiglas und nach dem Bezahlen erhalte ich einen Kassa Bon. Bedauern klingt in meiner Stimme, als ich die Frau darauf anspreche, dass sie bestimmt schon lange im Geschäft steht? Die Dame richtet sich auf und strahlt, als ich sie auf ihre Berufszeit angesprochen habe und beginnt zu erzählen: „Seit einundsechzig Jahren steht sie im Laden, jetzt ist sie sechsundachtzig Jahre alt. Im Kopf fühle sie sich wie siebzig, der Körper fühle sich an manchen Tagen wie neunzig Jahre an. An stark frequentierten Tagen, wie heute am Radsonntag, würde sie noch immer im Geschäft aushelfen. Der Sohn und seine Familie haben alle Hände voll im Restaurant zu tun. Seit den sechziger Jahren hat sie zusammen mit dem Mann das Geschäft, das Gasthaus war in den frühen Jahren eine Imbissbude, aufgebaut. Daneben die Kinder großgezogen, für die Familie gesorgt und die ersten vierzig Jahre war sie nie auf Urlaub“.
Für ihr arbeitsreiches Leben spreche ich meine Bewunderung aus. Wehmütig meint sie: „Es gab gute Zeiten, die Fremden machten früher zwei Wochen, manche drei Wochen Urlaub am Wörthersee. Heute bleiben sie zwei bis drei Tage. Ob ich sie vor einer Woche in der Fernsehsendung ORF Kärnten gesehen habe? Sie war Gast bei der Ombudsfrau.“ Die Frage musste ich verneinen. „Ihre private Kranken Versicherung, für welche sie ein Leben lang brav die Beiträge gezahlt hat, hat ihr ein Krankengeld verweigert. Drei Tage nach der Sendung mit der Ombudsfrau wurde ihr das Krankengeld überwiesen.“