01.06.2004 SUCHT . GEFAHR
Der Mensch ist ein suchtgefährdetes Wesen, er will sich seine Sehnsüchte erfüllen. Besitzt man eine schöne Wohnung, möchte man eine noch schönere Wohnung. Kann man sich diesen Wunsch erfüllen, dann bleibt von der Sehnsucht nichts übrig, man spürt eine Leere in sich. Dann entsteht die Sehnsucht nach einem Haus und die Suchtspirale dreht sich von neuem. Als Bewohner eines Alpenlandes habe ich eine große Sehnsucht nach dem Meer. Die Sehnsucht der Alpenbewohner nach dem Meer ist einige Jahrhunderte alt. Schon Bürger und Künstler der vergangenen Jahrhunderte konnten sich diesen Wunsch erfüllen. Zur Bildung gehörte damals eine Reise nach Italien und die Besichtigung der Bauwerke und Kunstschätze. Von mir wurde ein Zimmer mit Meeresblick gebucht. Beim Bezug des Zimmers stellte ich fest, dass der Blick auf das Meer durch Bäume beeinträchtigt ist. Das Meer schimmerte durch die Äste der Bäume durch, ich konnte das Meer nur erahnen als sehen. Die Sehnsucht nach dem Meeresblick blieb erhalten, sozusagen am Kochen. Wäre der Blick auf das Meer ungehindert möglich gewesen, dann hätte ich mir einen schöneren Blick auf das Meer gewünscht oder mehr Sonne. Die Suchtspirale hätte sich weiter gedreht.
Die schönste Sehnsucht ist die unerfüllte Sehnsucht.
07.06.2004 ÖSTERREICH . HEURIGE
Zu dieser Jahreszeit hält man beim Einkaufen vermehrt Ausschau nach frischem Gemüse. Da freut man sich, wenn man bei einer großen österreichischen Super-Marktkette in der Obst- und Gemüseabteilung frische Kartoffeln entdeckt. Auf der Verpackung steht in großer Schrift: „Heurige aus Österreich”. Wenn man den Sack aus dem Regal nimmt und auch die Rückseite liest, dann steht dort: Herkunftsland Ägypten, abgepackt in Österreich. Wo Österreich draufsteht, muss nicht Österreich drin sein.
Traue keinem über dreißig.
08.06.2004 MENSCHEN . FEIND
Ein Zitat sagt : „Der schlimmste Feind des Menschen ist der Mensch„. Vor Naturkatastrophen müssen wir uns kaum noch fürchten. Wir haben viele Schutzvorricht-ungen aufgebaut. Es ereignen sich trotzdem alle Jahre Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Wirbelstürme die oft viele Menschenopfer fordern. Unsere tägliche Furcht ist die vor unseren Mitmenschen. Diese Furcht durchzieht unser ganzes Leben. Die Angst vor den Eltern, Lehrern und Arbeitgeber. Die Furcht den Arbeitsplatz zu verlieren oder einen Auftrag nicht zu bekommen. Die Macht einzelner fußt auf der Furcht der Abhängigen. Wir werden nicht von Tieren oder bösen Mächten gequält, wir werden oft von unseren nächsten Mitmenschen gequält. Dazu genügen falsche Beschuldig-ungen, der Zorn eines Mitmenschen, der Entzug von Zu-wendung oder auch Forderungen die man nicht erfüllen kann.
Der Mensch ist der Feind.
Kommentare:
S. am 8. Juni 2004 um 21:01
Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
schlagloch am 12. Juni 2004 um 17:01
Wie wäre es, wenn aus Menschen Schafe werden.
S. am 12. Juni 2004 um 17:27
Der Wolf im Schafspelz.
15.06.2004 KUNST . KUH
Im Grazer Kunsthaus, ein UFO dem eine saubere Landung zwischen den Altstadthäusern neben der Mur gelungen ist, öffnet sich die Kunst auch den Babys. Am Vatertag konnte man sehen, wie die Väter mit ihren Babys im Brustbeutel durch die Ausstellung „Living in Motion„ spaziert sind. Die Stadtkinder kommen früher in das Kunsthaus als in den Kuhstall. Sie kennen die Haustiere als Kunstobjekte, mutiert zu Kunstgegen-ständen. In Politzen sehen die Babys früher den Kuhstall und vielleicht nie ein Kunsthaus. Es ist alles eine Frage des Geburtsortes.
Ein Leben für die Kunst.
17.06.2004 PC . KUH
Durch die jahrelange Fernsehwerbung glauben viele Österreicher, dass die Farbe der Kühe lila ist und das die Milch in der Molkerei erzeugt wird. Da ist es gut, dass durch das neue Tierschutzgesetz in Österreich die Rinder in die Schlagzeilen der Medien gekommen sind. Ab sofort ist es verboten, dass die Rinder ständig angekettet werden, die zeitweise Freihaltung wird vorgeschrieben. Heute wird die Fütterung der Kuh durch den Computer gesteuert. Zuerst wird die Milch der Kuh in einem Labor am Bauernhof untersucht. Nach diesem Ergebnis wird die Zusammensetzung des Futter durch ein Computer-Programm festgelegt. Vor dreißig Jahren überprüfte bei der Milchsammelstelle in Politzen die Milchfrau Kathl die Qualität der Milch dadurch, dass sie den Zeigefinger in die frisch angelieferte Milch steckte und dann den Finger abschleckte.
Labor oder Zeigefinger.
21.06.2004 GAIL . UFER
Am Sonntag ist das Radfahren am Gailufer für mich ein Ausgleich zum Berufsalltag. Das Radfahren befreit mich von unwichtigen Sorgen. So wird im Kopf Platz für kreative Gedanken. Wir verstricken uns im Laufe der Arbeitswoche leicht in Alltäglichem und binden einen Grossteil unserer Fähigkeiten im Erledigen vom Alltags-Kram. Wir verstellen uns sozusagen den Blick für das andere Ufer. Das Rauschen der Gail klingt wie ein freudiges Lied, es ist eine beruhigende Melodie. Die Wellen rufen mir etwas zu und eilen sofort weiter.
Das andere Ufer.
Kommentare:
D. am 29. Juni 2004 um 15:00
Zwei Stunden am Tag reichen um sich in den Sand der Gail, der in gewisser Weise ähnlich dem des Meeres riecht, zu legen, um dem Alltag zu entfliehen und sich von der Sonne wärmen zu lassen. Du hörst nichts als nur das Zwitschern der Vögel und das ständige, beruhigende Rauschen des Wassers. That´s living.
23.06.2004 BLOG . BIBLIO
Meine Notizen für das Weblog schreibe ich am liebsten auf Zettel, welche auf einer Seite schon bedruckt sind. Dies können Mitteilungen von Vereinen, Aussendungen zu einer Veranstaltung oder auch die Rückseite von einer Buchbesprechung sein. In meiner Vorstellung sind in einem solchen Blatt Papier schon Gedanken und Ideen investiert worden. Mit der Schrift haben wir Menschen eine Möglichkeit Erlebnisse, Beobachtungen und Erforschtes aufzuschreiben. Ein großer Fortschritt war, von der mündlichen Überlieferung zu schriftlichen Auf-zeichnungen zu gelangen. Die Bibliotheken sind unser Gedächtnis der Vergangenheit.
Weblog, Bibliothek der Zukunft .
25.06.2004 KAMEL . PARTY
Im Sommer gibt es mehr Veranstaltungen als zu anderen Jahreszeiten. In unserer Gesellschaft ist es ein Makel wenn man von sich sagt, dass man arbeitet und nicht bei jeder Party und jedem Event dabei sein kann. Die Politiker versuchen die Leute von sich dadurch zu überzeugen, dass sie diese Festspiele, jene Ausstellung und das dritte Sommerfest eröffnen. Nach ihrer politischen Arbeit fragt niemand. Es gehört zum Alltag, dass Brauchtumsveranstaltungen um der Touristen willen veranstaltet werden, obwohl es dafür keine Basis in der Bevölkerung gibt. Komisch ist es, wenn in der Süd-steiermark eine Wüstenparty stattfindet. Gezeigt werden Vorführungen von Kamelen, Bauchtänzerinnen und Feuerschlucker.
Wer ist ein Kamel ?
28.06.2004 ZERRISSENE . MENSCH
Von den Berufstätigen gibt es die Klagen über den Stress und den Arbeitsdruck. Eine Ursache liegt darin, dass wir an zu vielen Dingen gleichzeitig arbeiten. Niemand hat mehr die Ruhe eine Arbeit fertig zustellen. Wenn heute ein Handwerker kommt, zum Beispiel ein Installateur, dann wird neben dem Werkzeug, wie Zangen, Feile oder Gewindeschneider auch das Handy ausgepackt. Es liegt auf der Baustelle gleichberechtigt neben dem Werkzeug. Es vergeht keine halbe Stunde und das Handy läutet. Der Installateur gibt Arbeitsanweisungen per Handy, beim nächstem Läuten muss er geschwind zu einem Notfall, ein anderes mal braucht jemand seine Fachkenntnis. So vergeht der Vormittag und der Installateur war bei vier Auswärtseinsätzen. Der Auftrag, das Auswechseln eines Ausdehnungsgefäßes bei der Heizungsanlage und die Installation eines Wasserhahnes ist nicht fertig. Geplant waren zwei Arbeitsstunden. Der Stress in der heutigen Arbeitswelt ist selbstgemacht. Wir sind an zu vielen Orten und bei zu vielen Aufgaben gleichzeitig.
Kommentare:
D. am 28. Juni 2004 um 14:55
Der zerrissene Mensch kann sich durch das Besinnen auf das Elementare wieder einigermaßen zusammenfügen, aber nur insofern er diese Gabe noch besitzt. Ich denke, also kann ich, muss aber jetzt noch diverse Arbeiten erledigen.
29.06.2004 NACHBAR . AFFE
In wissenschaftlichen Aufsätzen habe ich gelesen, dass der Mensch und der Menschenaffe zu 98 Prozent die selben Gene haben. Könnte es daher sein, dass die Menschenaffen uns verstehen können und sie gerne mit uns kommunizieren möchten? Vielleicht hat es bis jetzt nur an unserem guten Willen gefehlt. Diesbezügliche Versuche und Bemühungen gibt es in den letzten fünfzig Jahren. Wie würde das Zusammenleben zwischen Mensch und Menschenaffe aussehen, würde es diese Bemühungen schon seit fünftausend Jahren geben? Vielleicht würden wir heute mit den Menschenaffen im Alltag genauso zusammenleben wie mit den Nachbarn.
Nachbar Affe.
30.06.2004 LEIB . GEFÄNGNIS
Warum steigt ihr auf die Berge: Um dem Gefängnis zu entfliehen. Dies ist der Schlüsselsatz im Buch „Bergfahrt” von Ludwig Hohl. Zwei Alpinisten mit unterschiedlichem Charakter wollen gemeinsam einen Berg besteigen. John kehrt nach den ersten Schwierigkeiten um, Ull klettert alleine weiter. Er wird, bevor er den Gipfel erreicht von einem Schneesturm zum Umkehren gezwungen, rutscht beim Abstieg aus und stürzt in den Tod. John kommt beim Rückweg in das Tal auf einer Bergwiese in das Rutschen und ertrinkt im Bergbach. Ist unser Leben ein Gefängnis, vor dem wir zu Lebzeiten versuchen zu entrinnen? Immer wieder brechen wir zu neuen Abenteuer auf. Für unsere Seele ist unser Leib ein Gefängnis, dem sie versucht zu entfliehen. Alles strebt im Leben auf die Befreiung der Seele zu, auf den Tod zu. Manche scheiden freiwillig aus dem Leben, weil ihre Seele die natürliche Befreiung nicht erwarten konnte. In unseren Träumen entweicht die Seele dem Leib.
Das Leben und das Sterben.