Das Wort Seitenstechen habe ich schon lange nicht mehr gehört. Geglaubt, dass es aus unserem Sprachgebrauch verschwunden ist. Aufgrund unserer Tätigkeiten, die immer weniger mit Bewegung zu tun haben, kein Thema mehr ist. Kommt es auch daher, dass ich als Buchhändler in Muse nicht mehr so flott unterwegs bin, zu keinen endlosen Wanderungen aufbreche? Erinnere ich mich recht, hat die Befindlichkeit Seitenstechen etwas mit dem Laufen zu tun? Sind wir als Kinder übermäßig gelaufen, beim Räuber- und Gendarmspiel, dann hat der Eine oder der Andere aufgeben müssen, das Laufen hat zu Seitenstechen geführt. Heute klagt man darüber, dass spielen und umher toben im Freien keine Sache der Kinder mehr sei. Diese bloß irgendwo an einem Tisch hocken und sich mit dem Handy beschäftigen. Das Thema in den Medien ist die Handysucht der Jugendlichen. Besorgt klingt es aus dem Mund der Omas, dass deshalb ihre Enkel alle eine Entziehungskur mitmachen müssen, bevor sie das vierzehnte Lebensjahr erreichen werden. Für viele Omas ist eine heimlich gerauchte Zigarette oder ein kleines Bier das kleinere Übel. Meine Wahrnehmung ist, es vergeht fast kein Nachmittag, dass nicht im Nachbargartens ein paar Jugendliche einander hinterherjagen.
Beim Gebrauch des Wortes Seitenstechen hat es für mich eine große Durststrecke gegeben. Bis vor einigen Wochen, da wurde zu einem Event, „Seitenstechen. Literatur im Zeichen der Liebe“, geladen. Da wurde mir bewusst, vielleicht hat Seitenstechen auch etwas mit Verliebtheit zu tun? Die Einen bekommen vor lauter Liebe Herzweh, andere Seitenstechen. Ich kann mich nicht erinnern, vor lauter Sehnsucht Seitenstechen bekommen zu haben, aber die menschlichen Befindlichkeiten sind verschieden.
Ob bei den BesucherInnen des Events Seitenstechen. Literatur im Zeichen der Liebe durch die vorgetragenen Texte auch die erotische Fantasie angeregt oder konkrete Bedürfnisse geweckt wurden, bleibt im Dunkeln. Beim Ausgang wurde an alle eine poppig gelbe Tragtasche mit Werbematerial verteilt. Damit wurde für etwaige Eventualitäten vorgesorgt. In der Tasche befand sich eine Reklame für reizende Dessous, wer aber gleich zur Sache kommen wollte, fand darin ein mit Gleitmittel beschichtetes Markenkondom. Eine Teeprobe, eine Info zu einem Yoga Wochenende, ein Prospekt für Trachtenbekleidung und ein Buchmagazin befanden sich auch in der Tasche. Wer fantasievoll ist, kann dies alles um den Gebrauch des Kondom arrangieren.
Neuseeland
Handysucht der Jugendlichen?
Nein, die zocken eher, im abgedunkelten Zimmer.
Bei uns im Dorf hies ein Jugendlicher “Stopfer”, nicht “Stecher”.