kas:nudeln

Wer in der Landwirtschaft arbeitet erlebt das Werden und Vergehen im Jahreskreislauf.

Vor kurzem bin ich nach Gurk gefahren. Vor der Abfahrt in die Diakonie nach Waiern hatte ich morgens in der Zeitung gelesen, dass es eine Ausstellung in Straßburg gibt.  Anderseits brachte ich ein Familienmitglied zu einem Aufenthalt in die Klinik in Waiern. Es war ein Frühsommertag im Mai und sollte, im Nachhinein, für mehrere Wochen auch der einzige bleiben. Um die spontane Kurbewilligung mit einem Gebet zu unterstützen, bin ich von Waiern nach Gurk weitergefahren. Von Feldkirchen ist es wesentlich näher, als hätte ich diesen Besuch von Villach aus unternommen. Wie war es mit dem Satz im Gastzimmer des Kronenwirtes, wo ich vor dem Dombesuch als Mittagessen einen gemischten Nudelteller zu mir nahm.

Ein älterer Herr erzählte den Wirtsleuten, dass der eh bekannte Sepp mit fast fünfundachtzig Jahren vor vierzehn Tagen verstorben sei. Akkurat in der selben Woche haben zwei Enkellinnen jeweils ein Baby bekommen. So ist das Leben, die einen müssen die Welt verlassen, die anderen kommen auf die Welt und hat dabei seine rauen Hände auf den Stammtisch gelegt. Wer in der Landwirtschaft arbeitet erlebt das Werden und Vergehen im Jahreskreislauf, beim Sähen, Wachsen und Ernten. Zwangläufig wiederholt sich bei den Haustieren der Lebenszyklus öfter, wenn Nachwuchs bei den Hasen, den Kühen oder Pferden kommt. Umgekehrt erlebt man es am Bauernhof öfter, dass die Nutztiere geschlachtet oder an einen Fleischhauer zu Verwertung verkauft werden. Spricht ein untersetzter Bauer und sei er jetzt in der Rente den Satz, so ist das Leben, dann ist dies näher beim Alltag.

herr:frau

Es war Usus, dass die Frau vom Gemeindearzt mit Frau Doktor angeredet wurde.

In meinen Jugendjahren war es Usus, dass auch die Frau vom Gemeindearzt mit Frau Doktor angeredet wurde. Herr und Frau Doktor haben regelmäßig den Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Paul ob Ferndorf besucht. Für das Arztehepaar war ein Platz in der Kirche reserviert. Als Ministrant machte ich vor Beginn der Heiligen Messe aus der Sakristei einen Blick in die gefüllte Kirche um nachzusehen, ob der Herr Doktor mit Gattin eingetroffen ist? War es der Fall, konnte der Gottesdienst beginnen. Der Herr Doktor besaß neben dem Betriebsleiter des Heraklithwerk eines der wenigen Autos in der Gemeinde, einen VW-Käfer. Dieser leistete gerade im Winter gute Dienste, denn in diesen Jahren war der ganze Berg noch tief verschneit. Die Güterwege, so nannte man die Zufahrtsstraßen zu den Gehöften, waren nicht asphaltiert, nur geschottert. Die Schneeräumung erfolgte zumeist von einem Bauern mit dem Traktor. Die geräumte Fahrspur war gerade einmal autobreit, ein Ausweichmanöver auf den steilen und schmalen Bergstraßen war eine fahrerische Höchstleistung.

Beim Betreten des Frühstückraumes in einem Hotel in Salzburg wurde ich mit Herr Supersberger begrüßt, obwohl ich erst den zweiten Tag im Hotel nächtigte. Bei den vielen Hotelgästen war ich davon total überrascht und hatte dafür keine Erklärung. Meine erste Vermutung war, dass die Servicedame aus dem Raum unteres Gailtal stammt und mich aus der Zeit als Kaufmann in Arnoldstein kannte. Das Geheimnis wurde bei einem kurzen Gespräch gelüftet. Schon am Vortag sei ihr mein Name aufgefallen, da sie bei einem HNO – Arzt mit demselben Namen einmal in Behandlung war. Eine Google Recherche lieferte die Bestätigung, es gibt einen HNO- Arzt mit demselben Namen in der Stadt Salzburg. Im Frühstücksraum wurde es sehr hektisch, es gibt die eine ideale Frühstückszeit, wo alles an das Buffett drängt. Die Sitzplätze wurden rar und der Gruppe am Nebentisch habe ich die freien Plätze bei mir angeboten. Sie kommen alle aus demselben Ort erzählten sie, einige von ihnen sind Nachbarn. Dies bedeutet aber nicht, dass sie sich mögen und gut vertragen würden, merkte einer von ihnen mit einem zwinkernden Auge an.

von:vulgo

Der Vulgo Name ändert sich nicht, dies bedeutet Stabilität.

In Österreich wurde der Zusatz „von“ im Namen, ein Hinweis auf eine adelige Herkunft, im Jahre 1919 vom Parlament abgeschafft.  Dies geschah unter dem Eindruck, dass die Habsburger Monarchie zusammengebrochen ist und die 1. Republik ausgerufen wurde. Die junge österreichische Republik wollte verhindern, dass sich Personen aus der Familie der Habsburger in die Innenpolitik der Republik einmischen. Diese Verordnung wurde oberflächlich überwacht und sanktioniert. In regelmäßigen Abständen gab es auch in der 2. Republik Diskussionen darüber, ob dies beibehalten wird und ob Verstöße gegen dieses Gesetz geahndet werden sollen. Der Adel selbst äußert sich unterschiedlich dazu, die jüngere Generation legt keinen Wert mehr darauf, bis zu tiefstem Bedauern bei älteren Semestern. Die Jahrhunderte mit den „von“ Titeln sind in Österreich vorbei. Innerhalb der Adelskreise wird an der Bezeichnung „von“, sowie an den Bezeichnungen Graf, Fürstin oder Herzog festgehalten.

In der bäuerlichen Welt bedeutet der Hausname, der Vulgo Namen, viel. Kein Partezettel eines Altbauern oder Altbäuerin wo nicht der Vulgo Name angeführt wird. Zum Beispiel vulgo Unterzmölnig, vulgo Anderlebauer, vulgo Oberdabernig oder vulgo Unterdabernig. Die Gehöfte haben zumeist eine wechselvolle Geschichte, sie werden vererbt, verkauft, die Besitzer haben neue Namen. Der Vulgo Name ändert sich nicht, dies bedeutet Stabilität. Auf dem Bergbauernhof, mit dem vulgo Namen Unterdabernig bin ich aufgewachsen. Das Gehöft wird schon im Jahre 1282 in einer Urkunde vom 4. Feber, des Klosters Millstatt, urkundlich erwähnt. Der Bestand dieses Bauernhofes und seine Mauern liegt weit vor die Zeit von Christoph Columbus. Zweihundert Jahre später, im Jahre 1492, hat Christoph Columbus Amerika entdeckt. Der Bauernhof vulgo Oberdabernig wird in der genannten Urkunde auch erwähnt. Der Unterdabernig befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz des Klosters Millstatt. Der Oberdabernig war zu diesem Zeitpunkt von Ulrich und Bernhard von Treffen an das Kloster Millstatt verpfändet. Beide Höfe haben sich bis heute erhalten…

po:litzen

Niemand kannte bei der KFZ-Behörde den Ort Politzen.

Die Registrierung der Migranten gestaltet sich nach Erzählungen oftmals abenteuerlich, wenn es unvollständige oder keine offiziellen „Papiere“ gibt. Probleme bei der Feststellung des Geburtsjahres, wo und wann geboren, sowie fehlende Zeugnisse von der Schul- und Berufsausbildung.

Im österreichischen Beamtenstaat, teilweise noch mit den Strukturen und Umfang wie es in der Monarchie notwendig war, kam es am Meldeamt zur Diskussion mit dem Beamten. Bei der Abmeldung meines Zweitwohnsitzes wurde ich vom Administrator gefragt, wo ich jetzt geboren wurde, Politzen oder Ferndorf. Zuerst war ich etwas irritiert, weil ich nicht wusste, nicht wissen konnte, war ich eine Hausgeburt oder kam ich im Wöchnerinnenheim zur Welt. Bei Hausgeburt hätte Politzen gestimmt, ansonsten sind zu dieser Zeit die Erdlinge im Wöchnerinnenheim der Hebamme Sulzenbacher in Ferndorf auf die Welt gekommen. Schon einmal, als ich meinen desolaten „rosaroten Lappen“, den Führerschein, in ein Scheckkartenformat umtauschte, wurde angezweifelt, dass ich in Politzen geboren wurde. Niemand kannte bei der KFZ-Behörde den Ort Politzen. Zur Überprüfung auf der Geburtsurkunde nachgesehen, hier steht geboren in Politzen, Gemeinde Ferndorf. Die Schwester erzählt, dass ich in Ferndorf bei der Frau Sulzenbacher zur Welt gekommen bin. Um den Status des fraglichen Geburtsortes hervorzuheben, unterschreibe ich manchmal in Gästebüchern oder Anwesenheitslisten mit „Franz von Politzen“. Eine Suchanfrage bei Google ergibt zu Politzen etwa sechstausend Treffer. Darunter auch Texte aus dem Blog „schlagloch“.

hand:tuch ll

Drei Wörter sind vielerorts als Warnruf zu hören, genug ist genug. Dieses genug ist genug steht für vieles: Beim persönlichen Konsum, beim Verbrauch von Naturressourcen, beim Abbau von Bodenschätzen, beim Verreisen, bei der Verpackung, beim Verschmutzen der Weltmeere oder bei der Erschließung von Bergwelten, für den Sommer- und Wintertourismus. Wahrscheinlich ist dies nicht mein erster Gedanke dazu.

Für den Alltag genügten drei paar Schuhe, ein kompaktes Paar für den Winter, für wirkliches Sauwetter und Schneefall. Für den Sommer ein leichteres Schuhwerk und für die Mithilfe bei der Arbeit am Bauernhof ein Paar so bezeichneter Hohen Schuhe. Die Hohen Schuhe wurden winters und sommers getragen, im Winter zusätzlich zu den Wollsocken mit Fußfetzen. Die kompakteren Winterschuhe schützen die Zehen kaum vor der Kälte, bei einem Fußmarsch von etwa einer dreiviertel Stunde von und zu der Bahnhaltestelle. Auch beim Umherirren währendder Mittagsstunde in Spittal an der Drau war es oft kalt. Beliebt als Wärmestuben waren der Warteraum am Bahnhof und der Speisesaal im Kolpinghaus. Vielleicht kommt daher mein Bedürfnis nach einer gut beheizten Wohnung, ein kleiner Luxus mit fortschreitendem Alter. Die ersten Frühlingstage haben wir bei Sonnenschein rund um den Springbrunnen im Schlosspark vom Schloss Porcia genossen. Auf einer Parkbank zu sitzen und gemütlich das Jausenbrot zu verzehren bedeutete Glück.

Gehe ich in mich, dann stelle ich mir die Frage, macht mich ein mehr an Handtüchern oder ein mehr an Winterschuhen glücklicher, steigert dies mein Wohlbefinden? Ich räume ein, wird ein ausgedientes Handtuch ersetzt, dann freue ich mich kurze Zeit darüber, bis es im Alltag angekommen ist. Mehr nicht, es hat keine Langzeitfolgen. Ich will damit nicht unsere Lebenslust dämpfen und auch nicht das eine und andere Zuckerl verbieten. Viele unserer Aktivitäten werden vom Bewusstsein unserer Endlichkeit befeuert, dies macht das Leben so spannend.