hermann:nitsch

Ein Gustostückerl unter den Museen in Wien ist die Albertina, dieses Jahr widmete sie eine Sonderausstellung den Schüttbildern von Hermann Nitsch. Neben den großformatigen Bildern wurde in einem separiertem Raum Videos von seinen Orgien Mysterien Theater gezeigt. Seine spektakulären Kunstaktionen in Prinzendorf, wo man mit dem Schlachten von Schweinen, mit Wein, Weib und Gesang sinnliche Feste gefeiert hat. Bei mir wurden dabei Erinnerungen an meine Jugend auf dem Bauernhof hervorgerufen. Bei der Ankündigung, am Wochenende wird ein Schwein geschlachtet, würgte mich ein gewisser Ekel. Kam der Moment, wo das Schwein vom Stall nach außen getrieben wurde und durch einen gezielten Hieb auf den Kopf, mit der Breitseite eines Hackbeils, betäubt wurde, blickte ich zur Seite. In rascher Folge wurde das darniederliegende Schwein durch einen Herzstich geschlachtet. Eines von uns Kindern musste das herausströmende Blut mit einer Schüssel auffangen. Die Blutschüssel wurde in den Schnee gestellt und das gestockte Blut für eine Blutsuppe und zu Blutwürsten weiterverarbeitet.

Als Kind war für mich ein totes Schwein ein gutes Schwein, damit war die Gefahr, es könnte beim Schlachtvorgang etwas schieflaufen gebannt. Mehr Sicherheit gab es, als zur Betäubung ein Schussaparat verwendet wurde. Das Enthaaren des Schweines erfolgte mit Holzketten, im kochend heißen Wasser und möglichst rasch. Über dem Haartrog wurde der Dreifuß aufgebaut und das Schwein an den Hinterfüßen aufgehängt. Dann folgte das Öffnen des Bauraumes, dabei ähneln sich die Bilder mit denen bei Nitsch, wo nackten weiblichen und männlichen Leibern die Gedärme und Innereien auf den Unterleib, auf das Geschlecht, gelegt werden.

Beim Öffnen des Bauchraumes quellen immer mehr Gedärme, die Lunge, das Herz, die Nieren und weitere Innereien körperwarm heraus. Diese Innereien wurden nicht auf einem nackten Menschenkörper platziert, sondern auf dem Brett, welches zum Zubereiten des Teiges für das Brot- und Reindling backen verwendet wurde. Darauf die Innereien in die Küche zur Weiterverarbeitung gebracht.

Festfolge

krise:chance II

Die Diskrepanz zwischen dem verfügbaren Wissen und dem Handeln des Menschen gibt es seit Jahrhunderten. Für mich ein innerlicher Streitfall und meine Frage an den Vortragenden Metnitzer: „Haben die vielen guten Schriften, Bücher und Belehrungen für einen würdigen Lebenswandel versagt? Wir müssten ansonsten dem Paradies nahe sein, dem Paradies über die Jahrhunderte wenigstens näherkommen sein?“  Die Antwort des Psychologen und Theologen war nicht hoffnungslos, auf jeden Fall ehrlich. Er brachte diese offen zutage tretende Diskrepanz damit zusammen, dass jede neue Generation, jede größere Gemeinschaft, jeden Tag aufs Neue damit beginnen muss, die Welt besser und sinnvoller zu gestalten. Wir können uns nicht zurücklehnen, im Bewusstsein, dass dies schon soundso viele vor uns probiert haben.

Dabei ist mir Sisyphus, der König von Korinth, in das Gedächtnis gekommen, der von den Göttern dazu verdammt war,  täglich einen Stein den Berg hochzustemmen und im letzten Moment rutscht er ihm wieder aus der Hand. Der Mensch muss täglich mit den Aufgaben neu beginnen, in der Hoffnung, dass es ihm diesmal gelingen wird. Mit dem Ende der Vielgötterei durch den Monotheismus sind die Aufgaben und Unbilden für uns dieselben geblieben. Gnädig ist keine Eigenschaft des Göttlichen.

Gott sei bei uns.

krise:chance

Ist es das tägliche Nachrichtenszenario oder ist es der Name, des aus den Medien bekannten Therapeuten, welche die Menschen zum Vortrag, Krise als Chance, magnetisch anzieht? Der Vortragssaal in der Berggemeinde Fresach ist bis auf den letzten Platz gefüllt. In seinen Ausführungen zählt der Psychiater alle aktuellen Krisen auf: Die Klima- und Umweltkrise, die Hungersnöte, die Flüchtlingsströme auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Im Fokus stehen die leiblichen Krisenszenarien, weniger die Einschränkungen der geistigen Freiheiten, wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und politische Freiheit. Als westliche Gesellschaft und als Individuum wollen wir immer mehr von den Ressourcen der Welt, ohne mit den anderen zu teilen. Das Bedürfnis unentgeltlich zu helfen, etwas dem Nächsten zurückzugeben, schwindet in der Gesellschaft. Dabei ist das Miteinander für den Einzelnen über lebenswichtig. Daraus entsteht die Kraft  sich gegen negative Gedanken zu wappnen, die zu unserem Menschlein dazugehören.

Davon sind einige stärker betroffen, andere weniger, genauso wie einige ein besseres Immunsystem besitzen, andere ein schwächeres. Seine (drei) Tipps für ein starkes seelisches Immunsystem waren: Sich für etwas begeistern, was macht mir Freude, ein Ziel für die Zukunft haben. Kein übermäßiges Leistungsdenken und die Nächstenliebe. Eine Liebe ohne Gegenleistung, wo ein Dankeschön genügt. Für diese  Lebensweise gibt es Vorbilder in der griechischen Philosophie, in den Schriften der östlichen Religionen und in der Bibel. Ermahnungen von europäischen Gelehrten des Mittelalter, wie Erasmus von Rotterdam oder Hildegard von Bingen. Beispiele In der Neuzeit, Friedensbotschafter Mahatma Gandhi, der Dalai-Lama, Umwelt- und Klimaaktivisten. Obwohl die Menschheitsgeschichte in den letzten zweieinhalb tausend Jahren reich an Mahner und WeisheitslehrerInnen war, stehen wir vor immer größeren Krisen und Herausforderungen. Ich habe den Eindruck, mit Zunahme der Bevölkerung nehmen auch die Krisen zu.

Management

spät:herbst II

Auf der gegenüberliegenden Talseite von Maria Saal erblicke ich auf einer Anhöhe, im diesigen Licht, das Schloss Tanzenberg. In keinem der vielen Fenster, die so zahlreich wie die Tage des Jahres sein sollen, ist ein Licht zu sehen.  Es verschwindet immer mehr hinter den wuchernden Bäumen und Sträuchern rundum. Wie bei Dornröschen wartet das Schloss auf einen Prinzen, welcher die Dornenhecken durchtrennt. Vor einigen Jahren wurde das bischöfliche Knabenseminar aufgelöst und jetzt träumt die Anlage vor sich hin. Zu seinen Füßen habe ich in den Tag hinein geträumt, ich als Missionar im tiefsten Dschungel von Afrika. Eingeschlossen im Urwald, bedroht von hochgiftigen Schlangen und angriffslustigen Leoparden und hinterhältigen Negern. Beim nächsten Schritt könnte ich in eine Falle tappen und mit einer Schlinge am Fuß kopfüber von einem Baum baumeln. Dann doch lieber mit einer Schulfreundin einen Bauernhof bewirtschaften. Wer ist der Prinz, der das Schloss Tanzenberg wachküssen wird?

Mit Beginn des Murtales rücken die Wälder näher an die Bahnstrecke, ein sanftes Licht bringt die verfärbten Nadelbäume zum Leuchten. Rechts und links tauchen hin und wieder landwirtschaftliche Gebäude und allein stehende Weiler auf. Auf den leicht geneigten Hängen weiden Kühe und Schafe völlig unbeaufsichtigt. Später reiht sich ein Sonnenkollektorfeld  an das andere, so werden die Felder nach Strom abgegrast. Statt Schafwolle für warme Kleidung und Decken gibt es Strom für die Heizung. Hier wird organische Wärme durch technische Wärme ersetzt.

Die meisten Mitreisenden bleiben von den unverhofften Ausblicken unberührt. Je länger die Zugreise dauert, umso intensiver wird der Blick auf das Smartphone. So, als müsste der Bildschirm entlaubt werden, um mehr von der digitalen Welt zu sehen.

Laubbäume

spät:herbst

Berufstätige und Schüler welche täglich mit dem Zug pendeln verlieren mit der Zeit den Blick auf die vorbeihuschende Landschaft. Wechseln die Jahreszeiten, verändert sich zumeist auch die Landschaft, dies erregt kaum noch Aufmerksamkeit, oder doch? Es ist so, als sitzen wir zu Hause im Wohnzimmer und nehmen es nicht wahr, wenn die Frau im Wohnzimmer die Dekoration verändert. Am ehesten noch zu Ostern und Weihnachten. Häuser, Gehöfte, Kirchen und Ortschaften, welche über den Sommer hinter belaubten Bäumen und Büschen verborgen sind, werden im Spätherbst sichtbar.

Bei einer Bahnfahrt an einem Spätherbsttag kann ich am meisten entdecken. Im gedämpften Sonnenlicht erscheint die Landschaft friedlicher, die meisten Felder sind abgeerntet, die Wiesen noch immer im satten Grün. Die Äcker wurden teilweise neu bestellt, nichts deutet auf den nahenden Winter hin, auf Kälte und Schnee, die immer später eintreffen. Meinem Gefühl nach hat sich im letzten Jahrzehnt die Herbstzeit um einen Monat verlängert. Die Bahnstrecke von Villach nach Friesach, durch den Kärntner Zentralraum, hat eine eigentümliche Faszination. Ein großes Stück führt die Bahnlinie den Wörthersee entlang. Zumeist ist die Wasseroberfläche ruhig, der See ist wieder ein See, abseits seiner wirtschaftlichen Pfründe. Es wird nicht vermessen, nicht gerechnet, wie viel Umsatz und Profit zehn Meter Ufer erwirtschaften. Der See ist frei von schaukelnden Schiffen, Wasserakrobaten, Schnellboten und Holiday Stimmung am Ufer.

Die entlaubten Büsche gestatten einen Blick auf die sommersüber versteckten Herrschaftsvillen. Plötzlich sind die Villen die Nackedeis, wie sie sonst in der Sommersaison auf den Badestegen liegen. Vielfach besteht die Meinung, dass für die Bahnfahrer die Landschaft eine untergeordnete Rolle spielt, ihnen geht es um die schnellste Bahnverbindung. Die Wünsche gehen in Richtung Hochgeschwindigkeitsstrecken, wie man sie in Deutschland für den IC angelegt hat. Dort geht die große Faszination von der Anzeigetafel im Waggon aus, wo die erreichte Geschwindigkeit angezeigt wird. Spannend wird es, wenn die Geschwindigkeit über die 300 km/h Marke klettert. In dem Moment lösen die Bahnreisenden die Augen von den Smartphone und den Tabletts für einen kurzen Augenblick. Die Wahrnehmung der Landschaft erübrigt sich, weil vielerorts die Lärmschutzwälle die Sicht einschränken. Wenn überhaupt etwas zu sehen ist, sind es die turmhohen Reklame Säulen der Einkaufszentren und die Spitzen der Glockentürme.

Hoch hinaus