Materialseilbahn

Die goldenen Jahre für das Heraklithwerk sind vorbei. Von vormals etwa siebenhundert Mitarbeitern sind noch etwa hundert Mitarbeiter in der Fertigung von Holzwolle-Leichtbauplatten »Heradesign« beschäftigt. Das Sirenengeheul bei Schichtwechsel, welches auch in der Politzen zu hören war, ist verklungen. Das Ortsbild von Ferndorf hat sich gewandelt, verschwunden sind zwei industrielle Einrichtungen, der Kran und die Materialseilbahn. Der Kran hat sich auf Schienen über die ganzen Werkshallen bewegt und für den reibungslosen Nachschub an Schleifholz gesorgt. Die Materialseilbahn hat das Heraklithwerk aus Radenthein mit Magnesit versorgt. Vom Rost gezeichnete Stützen der Materialseilbahn habe ich vor kurzem auf der Fahrt nach Döbrich, auf dem Glanz gesehen. Als Volksschulkind habe ich täglich zweimal die Materialseilbahn in Rudersdorf unterquert. Die Seilbahnstützen hatte ich in viel größerer Erinnerung.

Wie er die Unzufriedenheit in der Pension beseitigen konnte, hat ein Neurologe in der „Kleinen Zeitung“ geschildert: „Nach dem Genuss von einigen Jahren Rentnerdasein ist er dankbar, für einige Zeit in seinen Beruf zurückkehren zu können“. Treffend beschreibt er die Fahrt mit dem Auto zu seiner neuen Arbeitsstelle, einer Klinik im Gegendtal. Im morgendlichen Autoverkehr wird er von dem Gefühl überwältigt wieder dazuzugehören. Die Position, dass wir uns über die Arbeit definieren besteht noch immer. Die Forderung nach einem arbeitslosen Erwerbseinkommen ist ein Zukunftsmodell einiger weniger. Die Aussagen der Politiker schwanken zwischen dem Versprechen in Zukunft weniger zu arbeiten und dem Gegenteil. Um unseren Wohlstand zu erhalten, mit den staatlichen Beihilfen und Sozialleistengen müssten wir in Zukunft länger arbeiten.  

Schnellen Zugriff auf die Sozialleistungen haben die Migranten. Arbeitswillige Asylanten beklagen, dass sie bis zur Bewilligung des Asylantrages keine Arbeitserlaubnis bekommen. Beim Herumlungern fühlen sie sich in ihrer Ehre beschädigt.

Heraklithwerk

Sind dies schon Gründe alles schlecht zu reden oder wie gesagt wird, schlecht zusehen? In der besten Konditorei der Draustadt, nach eigenen Angaben, ist der Cappuccino zu zwei Drittel Milchschaum, den Kaffee findet man als Bodensatz in der Kaffeeschale. Zu jeder Tasse Cappuccino gibt es einen Beutel Zucker, früher waren es zwei. Das obligate Kecks oder Bonbon wird weggelassen. Die Welt steht nicht mehr lang, der Untergang hat längst eingesetzt. Mit dem Besuch eines Kaffeehauses verbinde ich die Muse ein wenig in den Tageszeitungen zu lesen, diese Zeit gönne ich mir. Seit der Coronapandemie hat sich dabei das Angebot ausgedünnt, eine ausländische Tageszeitung findet man in der Draustadt nicht mehr.  

Ist dies der Niedergang der Kaffeehauskultur? Auf einer anderen Ebene machen die Möbelhäuser immer mehr Werbung für ein billiges Frühstück in ihren Restaurants. Ein großes guten Morgen Frühstück bekommt man laut Werbung um € 7.90.  Viele Frauen nützen, nachdem Mann und Kind aus dem Haus sind, dies für ein gemeinsamen Frühstück mit Freundinnen. Das Frühstücken den ganzen Tag über Saison hat, zeigt sich auch in der Draustadt, zwei Neueröffnungen in der Gastronomie werben damit, dass man bei ihnen bis um vier Uhr nachmittags frühstücken kann. Ich kann mir als Frühaufsteher nicht vorstellen, dass ich nach zwölf Uhr mittags noch Lust auf ein Frühstück habe. Diese Zeiten wären einstmals optimal für Schichtarbeiter gewesen, wenn sie die Bude, wie die Fabrik genannt wurde, um zwei Uhr Nachmittag verlassen haben. Unter lautem Sirenengeheul haben die Arbeiter von der Frühschicht das Heraklithwerk in Ferndorf verlassen und sind durch das Werkstor in das Freie geströmt. Die Geschäfte und Wirtshäuser welche im Ortszentrum angesiedelt waren, Tabak Trafik, Gemischtwarenladen, Fleischhauerei und Gastwirtschaft haben bei Schichtwechsel an den Werksarbeitern verdient. Es war ähnlich, als ob ein Bus mit Touristen in den Ort gekommen wäre um die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Für eine halbe Stunde bevölkerten die Schichtarbeiter den Ortskern bis sie mit den Bussen in die Täler zurückgebracht wurden.

betagte mensch

Vor der Zeit verstorben.

Die Todesanzeigen werden virtuell in den Onlineausgaben von den Tageszeitungen veröffentlicht, für die Verstorbenen kann man eine virtuelle Kerze anzuzünden. Im Internet gibt es seit Jahren eine Todesanzeige mit demselben Namen wie ich heiße. Möglich wäre, dass eine weitschichtige Verwandtschaft besteht. In den 60er und 70er Jahren war es üblich, dass man die Partezettel in der Nachbarschaft, gemeint sind die Ortschaften Politzen, Beinten, Rudersdorf, Insberg und St. Paul ob Ferndorf in alle Häuser ausgetragen hat. Das Partezettel Austragen erledigten die größeren Schüler, von den Hausleuten erhielten wir ein paar Schillinge, zumindest ein paar Zuckerlen oder eine Tafel Schokolade. Für das Ministrieren bei der Beerdigung bekam ich von der Trauerfamilie einen zwanzig Schilling Schein. Das Sterben gehörte zu den frühen Kindheitstagen dazu. Der Tod wurde für uns versüßt.

Wann beginnt der betagte Mensch? Vor fünfzig Jahren siedelte man das betagte Alter um die siebzig Jahren an. Am Vormittag fühlte sich der Altbauer nicht wohl, auch der Tee mit Rum zeigte keine Wirkung. Am späten Nachmittag machte der Gemeindearzt einen Hausbesuch und gab dem kränklichen Altbauern den Rat, er sollte sich im nahegelegenen Bezirksspital untersuchen lassen. Er füllte eine handschriftliche Überweisung aus. Ein Transport mit dem Roten Kreuz kam nicht in Frage, ein Bekannter brachte ihn mit dem VW- Käfer in das Bezirkskrankenhaus. Dort wurde ein leichter Schlaganfall diagnostiziert und er stationier aufgenommen. Von einer Behandlungsmaschinerie, wie wir es heute aus der Praxis kennen, radiologische Untersuchungen, Infusionen und Spritzen war im Krankenhausalltag damals wenig vorhanden. In der Nachbargemeinde ordinierte ein junger agiler Gemeindearzt, dem ich den Zustand des Altbauern schilderte. Dieser war davon überzeugt, Mitte siebzig sei kein Alter, hier könnte man mehr machen als nur Pflegen. Er riet zu einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Am Faschingssonntag wollte ich dem Altbauern diesen Vorschlag nahelegen. Dabei meinen elektrischen Rasierapparat, welchen ich nicht mehr in Verwendung hatte, vorbeibringen. Am Sonntagmorgen bekamen sie am Bauernhof einen Anruf, der Altbauer ist nachts an einem weiteren Schlaganfall verstorben. Der junge agile Gemeindearzt ist nach der Pensionierung, vor der Zeit verstorben.

misstimmung

Man blickt direkt in die zerstörten Wohnräume.

Von Katastrophenbilder geht eine eigene Faszination aus. Verzweifelte Angehörige bahnen sich mit einer Tragbahre, darauf zwei notdürftig bekleidete Verletzte, einen Weg durch die aufgebrachte Menschenmenge. Entlang einer Straße, die von Bombentrichter übersät ist und wo sich rechts und links die Schuttmassen der beschädigten Häuser türmen. Die Fassaden der oberen Stockwerke sind eingestürzt, man blickt direkt in die Wohnräume. Diese Bilder und die Beschimpfungen der Einwohner gegen den Angreifer wiederholen sich täglich. Seit zwei Jahren sehen wir solche Bilder aus einem nahen Kriegsgebiet, seit kurzem ist ein Zweites dazugekommen.

Wie schaffen wir eine Bestandsaufnahme unserer unmittelbaren Situation? Würde dies bedeuten wir sind kleinlich, wenn wir uns auf Österreich beschränken? Hier sind wir nicht bedroht, was unsere Sicherheit und Versorgung angehen, was unseren Lebensunterhalt betrifft. In den Krisenherden eingreifen, etwas verändern, können wir als Einzelpersonen nicht. Ich zweifele an der Notwendigkeit, wenn der Außenminister, der Bundeskanzler oder der Bundespräsident irgendwo einem anderen Staatschef die Hand gibt. Der österreichische Staat kann außenpolitisch wenig bewegen. Diese Beistandsbekundungen sind eine Promotion für die eigenen Landsleute. Mein Dauerauftrag für die Initiative Ärzte ohne Grenzen gibt ihnen eine gewisse finanzielle Sicherheit für ihre medizinischen Einsätzen.

Da wir in keiner unmittelbarer Gefahr sind, müssten wir gut leben. Die eigene Missstimmung speist sich aus lokalen Missständen, die Leerstände bei den Geschäftslokalen in der Villacher Innenstadt, dass einem niemand im Hypermarkt eine Auskunft zum Badeöl geben konnte. Bei Fragen auf unfreundliche Weise darauf verwiesen wurde, nähere Informationen dem Regaletikett zu entnehmen. Es freut mich, wenn die Verkäuferin bei den Herrenhemden bei ihrer Frage, ob ich ein Hemd für den täglichen Bedarf oder für einen festlichen Anlass suche, einen aufmunternden Blick schenkt. Sie hilft mir gerne bei der Auswahl, für mich würde sie die Größen „Regular fit“ empfehlen. Ganz spontan sagte ich: „Ich suche ein Hemd, welches zu meiner eben gekauften Schuheinlage passt“. Da konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen.

faxgerät

Den ersten Kontakt hatte ich mit dem Telefon während meiner Ausbildungszeit in der Buch- und Papierhandlung Petz in Spittal/Drau. Meine Buch- und Papierhandlung in Arnoldstein war unter der Telefonnummer 04255 – 407 erreichbar. An der technischen Ausstattung hatte sich bis in die siebziger Jahre nichts verändert, Telefonapparat mit Wählscheibe für die Telefonnummer und Telefonhörer zum Telefonieren. Außerhalb der Geschäftszeiten konnte ich telefonieren, wenn ich abends das Telefon in die Wohnung mitnahm. Dort gab es einen Telefonanschluss mit derselben Nummer. Ein Jahrzehnt später gab es die Doppelversion, einen Telefonapparat in der Wohnung und einen im Geschäft. Beide Geräte klingelten bei einem Anruf gleichzeitig und es war einerlei wo der Hörer abgenommen wurde. In den 80er Jahren wurde am Telefonapparat die Wählscheibe durch eine Tastatur ersetzt.

Das Faxgerät habe ich als einen Fortschritt empfunden. So konnte ich schriftliche Dokumente, Bestellungen, Anfragen und Buchungen in minutenschnelle versenden. Es bedurfte keiner mehrmaligen Anrufe um den Gesprächspartner zu erreichen. In einigen Bereichen leistet das Faxgerät heute noch immer seine guten Dienste. Die Bewilligung von Heilbehelfen oder Medikamenten bei der Gebiets Krankenkasse erfolgt per Fax. Gebietskrankenkasse, ein Begriff der nicht mehr zeitgemäß ist, klingt der neue Name Gesundheitskasse schöner? Der Name kann an dem Übel der Krankheiten nichts ändern, eine optische Täuschung und eine oberflächliche Kosmetik.

Die Zeit reif für mein eigenes Handy war die Jahrtausendwende. Die vordringlichste Verwendung bestand darin, dass ich mit der Partnerin Kontakt hatte, wenn ich unterwegs war. Im geschäftlichen Bereich, teilweise auch im privaten, bevorzugte ich immer noch das Fax oder später das E-Mail. Die Gedanken beim Schreiben zu formulieren steht mir persönlich näher, als ein Telefongespräch. Das Facebook lernte ich beim Seniorenstudium Liberale an der Klagenfurter Universität kennen. Für die Gruppenarbeiten war es ein Muss eine Facebook Gruppe zu installieren und dieser beizutreten, mit allen Vor- und Nachteilen. Dabei kam es zu einigen Auswüchsen, dass Termine zur Gruppenarbeit im aller letzten Moment abgesagt und neue Termine vorgeschlagen wurden. Der Beitritt zur Verwandtschaft WhatsApp Gruppe liegt ein paar Jahre zurück. Ich bin froh, dass die Postings seit Gründung der WhatsApp Gruppe deutlich abgenommen haben. Auch ohne zehn Postings täglich kann ich gut leben, ohne der Gefahr etwas zu versäumen. So bleibt mir mehr Zeit für das wahre Leben, außerhalb des Metauniversum.