Worin besteht…

der Sinn zu Fantasieren ?

Zu den Heiligen Zeiten, Allerheiligen, Weihnachten und Ostern,durften wir das Internat Tanzenberg verlassen, ich freute mich auf das Heimkommen. Ich tauschte den beheizten Schlafsaal im Knabenseminar gegen die unbeheizte Stube im Bauernhaus, die Waschräume mit Warm- und Kaltwasser gegen einen Waschzuber in der Küche. Das Schreibpult im Studiersaal gegen den Küchentisch für alle. Das Bett im Internat mit feiner Bettwäsche gegen einen Strohsack mit schweren, verschlissenen Gulder und in einer Ecke vom Schlafzimmer lagernden Birnen und Nüsse zum Trocknen. Mit klammen Fingern habe ich später auf einer gebrauchten mechanischen Remington Schreibmaschine im Dachboden vom Bauernhaus meine ersten Kurzgeschichten geschrieben. Diese Schreibmaschine und deren Bedienung hat für mich denselben hohen Stellenwert wie es heute mein Laptop hat. Das Zusatzfach Maschinschreiben in der Berufsschule leistet heute noch gute Dienste beim Arbeiten am Bildschirm. Inzwischen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der PC das gesprochene Worte in Buchstaben umwandelt. Ein Freudentag war es, wenn im Internat ein Jausen Paket eingetroffen ist und sich darin auch eine Schokolade oder eine Rolle Kekse befanden. Zu allererst las ich den Brief, welchen die Mutter geschrieben hat, das Briefschreiben war in Frauenhand. Meine Schwester gehört zu denjenigen, welche auch im Zeitalter von Facebook und Wats App Glückwunschkarten und Briefe schreiben. Zu meinen Gepflogenheiten gehört ihre Postkarten und Briefe über einen längeren Zeitraum in der Ecke vom Esstisch aufzuheben. Eine WhatsApp Nachricht bekommt eine Aufmerksamkeit von einer halben Minute und zumeist ist die Gefühlsregung schon vorgegeben, mitgeschickt mit einem Smiley.

Eine große Freude bereitete mir die Veröffentlichung meiner ersten Kurzgeschichte auf der Jugendseite in der Volkszeitung. Die Freude konnte ich mit niemanden teilen, da die Mitmenschen mit der Veröffentlichung einer Geschichte nichts anfangen konnten. Worin sollte der Sinn zu Fantasieren und Geschichten zu schreiben bestehen? Das Veröffentlichen in anderen Literaturzeitschriften begleitete mich bis in das dritte Lebensjahrzehnt. Freude, die eigene Stimme im Radio beim Vorlesen der Mundartgedichte zu hören. Ist im fortgeschrittenen Alter die Veröffentlichung von einem Leserbrief, zu emotional diskutieren Themen, ein Abstieg? Dabei den Reigen auf einer Leserbriefseite zu eröffnen. Darf ich mich darüber wie ein Kind freuen oder ist dies Freude ein Zeichen der Senilität.

Geschwisterpaar…

balanciert über die Brücke.

Bei grün fahre ich in die Kreuzung ein, da fährt ein Auto aus der Querstraße direkt auf mich zu. Instinktiv mache ich eine Ausweichbewegung und schaffe es knapp an seiner Motorhaube vorbeizukommen. Dies war arschknapp, ein Dankgebet an meinen Schutzengel. In manchen Situationen glauben wir fest daran, wir hatten in einer brenzligen Lage einen Schutzengel. In der Volksfrömmigkeit gehören Nothelfer und Schutzengel zum Glauben dazu. Solche Geistwesen und ihre Präsenz versuchen spirituelle Maler mit kreisförmigen Pinselstrichen in ihren Bildern auszudrücken. Wobei die hohe Anzahl an kreisförmigen Bewegungen und Linien das Spirituelle betonen sollen. Dazu gesellt sich die Farbe Gold in der Annahme, nur mit dieser Farbe dem Höchsten gerecht zu werden. Gerne verweisen sie darauf, dass den Pinsel die Eingebung und die Intuition geführt haben. Die Intuition wird nach Quadratzentimeter bezahlt, es verdient sich besser, wenn man ursprünglich ein größeres Bildformat und etwas mehr Goldpatina wählt.

Früher waren es Gelegenheitsmaler oder Bilddrucke, welche sehr eindrucksvolle Schutzengelszenen dargestellt haben. Über dem Bett der Eltern ist ein beliebtes Schutzengelmotiv gehangen. Abgebildet war eine Gebirgslandschaft, mit einem Bach und einer baufälligen Holzbrücke. Ein Geschwisterpaar balancierte über die Brücke und über sie schwebte ein Schutzengel mit ausgebreitetem Flügel, der dafür sorgte, dass die Kinder unbeschadet über die Brücke kommen. Im übertragenen Sinn finden wir in der Tiermalerei bei Vogelbildern die Mutter, wie sie ihre Flügel schützend über ihre Jungvögel breitet. Droht in der Natur in irgendeiner Art und Weise eine Gefahr, dann ruft die Mamma ihre Küken und sie finden in ihrem Gefieder Unterschlupf. Schön zu beobachten an einem See, wenn bei einer Bedrohung die Küken im Brustgefieder der Schwänin verschwinden.

Eine Reiseversicherung abzuschließen ist eine Variante, darauf zu vertrauen, dass der Schutzengel mitreist, eine andere. Die Schutzengelfunktion können auch Katzen übernehmen, wenn sie bei der Abreise aufgefordert werden die Pfoten hochzunehmen. Eine mentale Unterstützung, die manchmal hilfreich war. Nicht zugänglich für Schutzengelvorstellungen ist eine Internistin, sie vertraut den Ergebnissen vom Ultraschall.

haarschnitt

Wer heute so naiv ist, unabhängig ob Frau oder Mann und zu einem Friseur kommt, um sich die Haare zu färben oder schneiden zu lassen, die oder der wird als erstes gefragt, vor der Begrüßung, ob man einen Termin hat. Unverständliches Kopfschütteln, wenn dies verneint wird. Eine aufmerksame Behandlung erfährt man nur dann, wenn man vorher einen Termin vereinbart hat. Ich verstehe es so, wer von den Jüngeren, gewinn- und zukunftsorientierten Männern hat noch Zeit, eine halbe Stunde im Friseursalon Platz zu nehmen um auf einen Haarschnitt zuwarten. Während meiner Selbstständigkeit war es für mich eine willkommene Pause, wenn ich beim Friseur eine halbe Stunde warten musste. Es war dies eine gute Gelegenheit mit anwesenden Bekannten oder Zufallsbekanntschaften über Gott und die Welt in das Gespräch zu kommen. Heute bleiben die meisten Wartenden stumm und beschäftigen sich mit ihrem Smartphone. Die neue Generation von Salonbesitzerinnen schätzt ihre Freizeit mehr, als ein spontanes Bedürfnis ihrer Kundinnen für eine neue Frisur. Montags oder Samstag öffnen sie ihren Salon nur, wenn es genug Anmeldungen gibt. Die eigenen Pläne für den freien Samstag haben Vorrang vor einzelnen Kundschaften. Diese Praxis findet auch Eingang, befindet sich der Salon in einem Einkaufszentrum. Bewusst verzichten die Friseure auf die Zufallskunden.

Dieses Prozedere ist bei den Fußpflegesalons dasselbe. Wer spontan kommt, wird oftmals in die Irre gehen. Früher hat es geheißen, wer nicht zu fragen wagt, läuft leicht in die Irre, heute frag Google. Dieses Spektrum lässt sich für fast alle Körperanwendungen ausweiten, egal ob Massagen, Fango, oder die Zeiten im Fitnessstudio. Ein neues Phänomen macht sich breit, für die Pflege von den Haarspitzen bis zu den Zehennägeln braucht es eine Vorreservierung. So sind wir verplant und niemand schafft den Alltag ohne seinen Terminkalender am Handy.

pflegeroboter

Unterhaltung mit einer KI ablehnen?

In Nürnberg gibt es ein Zukunftsmuseum  wo ich beim Eintreten in die Ausstellungsräume von einer sprechenden KI- Dame empfangen wurde. Mit einem freundlichen Lächeln und gekonnten Handbewegungen wurde ich eingeladen Fragen zu stellen. Für die autonom agierende Dame war es selbstverständlich, dass alle sozialen Defizite und Umweltprobleme durch die künstliche Intelligenz überwunden werden können. Ist eine Unterhaltung mit einem KI gesteuertem Gegenüber abzulehnen? Fragwürdig oder doch besser als allein und einsam vor sich hinzudösen? Im schlimmsten Fall beginnt man nach vielen Jahren der Einsamkeit Selbstgespräche zu führen. Im ländlichen Bereich finden sich bis heute Angehörige und  Nachbarn welche Zeit haben, sitzt man vor dem Haus auf der Rentnerbank, ein kurzes Schwätzchen zu halten. Ist es körperlich möglich an der Sonntagsmesse teilzunehmen gibt es danach auf dem Kirchplatz Anknüpfungspunkte zu einem Tratsch. Früher einmal war das Zusammenstehen auf dem Kirchplatzl  nach der Messe den Männern vorbehalten. Die Frauen haben sich zumeist rasch voneinander verabschiedet und sind nach Hause geeilt um das Mittagessen zuzubereiten.   

Im städtischen Bereich wo die Menschen auf kleinem Raum zusammenwohnen könnten Pflege Roboter, da das Pflegepersonal knapp ist,  gute Dienste leisten. Bei meinen Rescheren im Internet interessierte mich eine Frage, warum ist es notwendig, dass der Pflegeroboter darüber Bescheid  wissen muss, ob die betreuende Person Links- oder Rechtshänder ist? Die Anschaffung eines Pflegeroboters würde sich für einzelne Stadtteile bestimmt auszahlen.  Er braucht keine Pause, macht Überstunden und benötigt keinen Urlaub. Technische Störungen werden in der Zukunft der Vergangenheit angehören, da die Systeme einen Selbstcheck durchführen. Sie weisen rechtzeitig darauf hin, dass dieses und jenes Teil getauscht werden muss. Zumeist können heute digitale Störungen online erledigt werden.  Für die Energie wird der KI gesteuerten Pflegeassistenten selbst sorgen, indem er seine freien Stunden nützt um seine Batterien in der Sonne aufzuladen. Futuristisch ist meine Annahme, dass der Pflegeroboter auch aus den Berührungen am Menschen Energie ziehen kann. Ein weiterer Schritt zur Anpassungsfähigkeit an das Menschliche wo es öfters vorkommt, dass die Pflegebedürftigen den pflegenden Angehörigen ihre Energie rauben.

internetkuhdorf

Neu hinzugekommen ist, dass Friseure, Masseure und Fußpfleger zu einem fixen Termin in das Haus kommen. Dies erinnert ein wenig an frühere Zeiten, wo der Schuster, der Schneider oder der Messerschleifer die Bauernhöfe für ihre Dienstleistungen besucht haben. Aus den Erzählungen der Großeltern weiß ich, dass der Schneider oder der Schuster zwei bis drei Tage am Bauernhof verbracht hat und in dieser Zeit die gewünschten Schuhe oder Kleider angefertigt hat.

Einen Heimvorteil erleben wir beim Einkaufen im Internet. Wir können darauf verzichten einen Laden aufzusuchen, die großen Einkaufszentren kommen zu Besuch nach Hause. Die Vielzahl der zur Auswahl betreffenden Artikel ist groß. Das Angebot übertrifft zumeist den stationären Fachhandel. Auf der Suche nach einem passenden Rollator, gab es blitzartig dreißig verschiedene Modelle. Ist diese Verkaufsschiene eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem ortsansässigen Handel, wo drei Modelle zur Auswahl waren?  Diese Frage stelle ich mir selbst, weil ich selbstständiger Einzelhändler war.  Um die Kunden an mein Geschäft zu binden, habe ich alles darangesetzt einen nicht lagernden Artikel schnellstmöglich zu besorgen. Zu meiner Zeit als Selbstständiger steckte das Internet, das online Shopping, in den Kinderschuhen. Die stärkere Konkurrenz waren damals die neu errichteten Einkaufszentren und Fachmärkte an der Peripherie der Bezirksstädte. Gegen diese Konkurrenz zu bestehen war eine Herausforderung, manchen Einzelhandelskollegen ist dies nicht gelungen. Eine Drogeriekette expandierte extrem und hat in jedem Kuhdorf eine Filiale eröffnet.

Die Empfehlung etwas im Internet zu bestellen bekam ich einige Male vom Personal im Fachgeschäft.  War ein Ersatzteil oder Zubehör zu einem Gerät nicht lagernd, dann kam der Rat, im Internet erhalten ich den Artikel schneller und billiger. Wohl auch der Bequemlichkeit geschuldet, dass ein „Besorger“ mit Mehrarbeit belastet ist. Dies betraf einen Blutsauerstoffmesser, wiederaufladbare Batterie mit einem speziellen Amper Bedarf oder den Filter für einen Luftbefeuchter.