kinder:stube l

Wir, die Großelterngeneration, erinnern uns zwischendurch an Situationen wie es in unserer Kinderstube war. Ich will  nicht versuchen diese mit denen der Enkelkinder zu vergleichen. Keineswegs, dies wäre rückschrittlich oder wie der Enkel sagt, ihr mit eurer alten Zeit. Mit der Formel, früher war dies so und so. Vor allem wenn es erzieherisch und nicht erzählerisch gemeint ist. Schon bei uns hat sich gezeigt, war ein Freund oder eine Freundin ein Einzelkind, dies war in den sechziger Jahren eher selten, besaß er oder sie zumeist eine schönere Jacke oder eine buntere Schultasche. Seine Hemden und Hosen waren zumeist neu, während die Kinder aus einer größeren Familie die Kleider und die Schultaschen von den größeren Geschwistern aufgetragen haben. Diese Kleidungsstücke sahen nicht mehr so schön aus, von modisch keine Spur. Dazu gab es Langzeitkleidungsstücke, bei uns Burschen war es die Lederhose. Diese hatten schon mehrere Kinder vor mir getragen. Mit jedem Kind wurde sie stabiler und schöner. Um das Leder geschmeidig zu halten wurde am Bauernhof das natürlichste Lederpflegepalsam verwendet, die Speckschwarte. Das ständige Einreiben mit der Speckschwarte war am Leder nicht zu übersehen, es glänzte wie eine Alufolie. Bekam die Lederhose einen Riss oder verlor einen Knopf, war dies eine Arbeit für den ortsansässigen Schuster. Zumeist gab es am Hof auch ein paar Schuhe, welche repariert  werden mussten. Die Schuhe zum Schuster zu bringen und dort abzuholen war eine Beschäftigung für uns halbwüchsige Kinder. Vorher wurden wir von den Eltern darauf aufmerksam gemacht, die Schuhe beim richtigen Schuster  abzugeben. Im Ort gab es zwei Schuster, den Oberen und den Unteren. Wir gingen zum Unteren Schuster.

Egal ob es sich um den Schuster, das Gemischtwarengeschäft oder um eine Gastwirtschaft handelte, die Trennung verlief zwischen Arbeiterschaft und Bauernschaft. Die Arbeiterschaft kaufte die Schuhe beim Oberen Schuster und die Bauernschaft beim Unteren. Ähnliches passierte beim Einkauf der Lebensmittel. Die Landbevölkerung kaufte beim Gemischtwarenhändler Bacher, die Arbeiterschaft im Werkskonsum des Heraklithwerkes. Die Menschen waren im Gemeindegebiet einander nicht Feind, es gab nur die feinen Unterschiede, wer wo was einkaufte.

Peternell

inter:aktiv II

Für einen ehemaligen Internatszögling erweist sich die Diskussion über Datenschutz, seien es die persönlichen Daten zu Krankheiten und dem Medikamentenkonsum, die Datenerfassung beim Bezahlen mit einer Kreditkarte, als eine nebensächliche Diskussion. Genauso die Fragen zur Speicherung der Einkäufe beim Lebensmitteldiskonter auf dem Kundenkonto, egal ob es um Joghurt, Kaffee oder Wurstsorten geht, als Kaffeeplausch. Welchen Stellenwert haben die Fragen rund um die Erlaubnis zur Aufzeichnung von Internetkontakten, Telefonanrufen oder dem Email verkehr, wenn man in der Zeit aufgewachsen ist, wo Gott selbst die geheimsten Gedanken lesen konnte. Dieses Gefühl begleitet die Internatszöglinge noch Jahrzehnte später. Die Pessimisten befürchten, dass wir mit der Zunahme der Vernetzung und der freiwilligen Preisgabe von wesentlichen Ereignissen aus unserem Leben darauf zusteuern, dass Google bald unsere geheimsten Gedanken lesen kann. Wie ist es sonst möglich, dass mir bei jeder Gelegenheit freie Hotelzimmer in Portoroz angeboten werden?

Zumeist fühle ich mich in einem größeren Speisesaal wohler, als in einem kleinen Restaurant, wo das Buffet ständig vom Oberkellner beobachtet wird. Auch die Stimmung unter den Gästen ist in einem größeren Ambiente lockerer, als wenn in einem kleinen Saal die Tische zumeist sehr eng gestellt sind und jeder auf jeden acht gibt. Schleppe ich noch immer etwas aus meiner Internatszeit herum oder ist es einfach der Wunsch nach mehr persönlichen Freiraum?

Schwarzes Loch.

inter:aktiv I

Die Möglichkeit eine höhere Schule, in Verbindung mit einem Internat zu absolvieren, war in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ein Privileg. Zumeist konnten dies ihren Kindern nur Eltern der gehobenen Einkommensschicht  bieten. Die monatlichen Internatsgebühren schlossen die Kinder der Arbeiter- und Bauernklasse davon großteils aus. Neben dem Vorteil von einem kurzen Schulweg, wenn Schule und Internat im selben Gebäudetrakt untergebracht waren, gab es am Nachmittag bei den Hausaufgaben eine Aufsicht, bei festgelegten Studienzeiten. Der Tagesablauf in einem Internat ist zum größten Teil geregelt, es gibt feststehende  Essens-, Schlaf-, und Studierzeiten, dazwischen die Freizeitbeschäftigungen.

Zu den leiblichen Erziehungsbevollmächtigten, den Präfekten und dem Lehrpersonal kam noch eine übergeordnete Instanz, die Transzendente. Für uns Zöglinge eine ganz und gar unheimliche Instanz, weil dieser nichts verborgen bleibt. Egal ob man sich im Turmzimmer oder in einer Hütte im Wald versteckte, dem lieben Gott, wie er von den Präfekten genannt wurde, bleibt nichts verborgen. Selbst die bösen Gedanken, die man gegenüber einem Mitschüler hegte, weil er einem bei der Hausaufgabe nicht geholfen hat. Ebenso die unkeuschen Gedanken, die einem nach dem Blick auf den Busen der Tochter vom Schulwart nicht mehr losließen. Von alldem wusste Gott, Gedanken auf die sonst niemand Zugriff hatte. Die Präfekten konnten sich im Umgang mit den Zöglingen viel Ärger ersparen, es genügte der Hinweis, dass Gott alles sieht, auch wenn wir es vor dem Erzieher verheimlichten.

Drittes Auge

vor:gestern

Als der Vater ein Moped, die blaue Puch 50, kaufte bedeutet dies für uns Jugendliche einen Schritt nach vorne. Die blaue Puch durfte auch von uns Burschen benützt werden, plötzlich waren wir mobil. Das zweisitzige Moped wurde vielseitig eingesetzt, um Lebensmittel im nahen Ferndorf zu besorgen, die Eier und die Milch zur Sammelstelle zu bringen, zum Besuch der Sonntagsmesse und an Wochentagen um den weit entfernten Holzschlag zu erreichen. Im Sommer fuhren wir mit dem Moped  am Sonntagnachmittag in das Ferndorfer Strandbad nach Döbriach. Diese Fahrten gingen nicht immer ohne Blessuren an uns über die Bühne. Die erste Frage nach einem Ausrutscher mit dem Moped war, ist die Blaue nicht beschädigt und fahrtüchtig?, alles andere war nebensächlich. Die wenigen Stunden am Millstättersee reichten aus, dass wir die nächsten Tage an einem Sonnenbrand litten. Zur Fütterung und dem Melken der Kühe mussten wir abends pünktlich am Hof sein. Das schrille Nacht- und Strandleben am Millstättersee, in den wilden 60er Jahren, ging an uns ungenützt vorbei. Die Unterhaltungstempel Rossmann oder Hausboot kannten wir nur vom Hörensagen. Für uns hingen die Trauben tiefer, dies war die Diskothek Untersteggaber in Olsach und die Kirchtage in den umliegenden Dörfern.

Meine Tagehefte werden von mir nummeriert, mit einem Index versehen und in ein Verzeichnis eingetragen. Ein Teil der Notizhefte, deren Ursprung bereits Jahrzehnte zurückliegt, wird  in absehbarer Zeit an das Deutsche Literaturarchiv Marbach am Neckar verschickt. Dort finden sie eine neue Heimat, ergänzend zur online Archivierung meines Blog schlagloch.

Ein Sommer wie damals.

reise:gestern II

In einem Sommer arbeitete die Schwester im familiären Hotel Miralago in Pörtschach am Wörthersee. Direkt am Ufer gelegen mit eigenem Badestrand, Bootshaus, Bootssteg und hoteleigenen Ruderbooten.Die Schwester servierte dort morgens das Frühstück und räumte am Vormittag die Zimmer auf. Während ihrer Zimmerstunde saßen wir gemeinsam auf der Hotelterrasse, blickten auf den Wörthersee und genossen unser Eis. Eines der Wenigen während des Sommers. Als Getränk gab es für uns Kinder zumeist Almdudler. Zugleich beobachteten wir die vornehmen Leute am Strand beim Baden, bestaunten die braungebrannten Körper der feinen Damen. Vor einigen Jahren haben wir der Schwester eine Überraschung bereitet und mit ihr nochmals das Hotel Miralgo besucht. Die Außenfassade des Hotels ist unverändert, es führt dieselbe breite Treppe von der Terrasse zum Badestrand. Wie damals vor  fünfzig Jahren. Die Jugendstilvilla hat inzwischen die Besitzer gewechselt, in den Sommermonaten wird weiterhin vermietet. Aus ihrer Zeit als Stubenmädchen gibt es ein Foto mit der damaligen Belegschaft, aufgenommen auf der Stiege. Diese Fotoszene haben wir nachgestellt.

Weder die Eltern noch meine Brüder konnten schwimmen. Als einziger in der Familie lernte ich in Tanzenberg, im internatseigenen Badeteich, schwimmen. Beim selben Professor, bei dem ich während eines Skikurses auf der Flattnitz Schifahren lernte. Nichts desto trotz gingen wir an besonders heißen Samstagnachmittagen mit dem Vater zu Fuß über den Berg, vorbei an Nußdorf und Kleinegg, zum Millstätersee in die Laggerbucht zum Baden. Zuvor wurde die Heuarbeit auf den steilen Wiesen in Politzen erledigt. Im Gebäck unsere schwarzen Klothhosen, die sowohl beim Turnen, beim Fußballspielen und beim Baden getragen wurden. Das Planschen im Millstättersee,  nach einem verschwitzten Arbeitstag in der Landwirtschaft, ersetzte zugleich das Baden in der Badewanne. Ansonsten wurde im Hof eine große Blechwanne mit lauwarmem Wasser gefüllt, dort konnten wir uns den Schmutz und den Staub vom Leibe waschen. Ein Bad oder Dusche im heutigen Sinne gab es zur Jugendzeit auf dem Bauernhof nicht.

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