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Kann man es schaffen, dass man sich in der Rente von den alten Berufsinteressen trennt? Bei einem Bummel durch einen Ort oder einer Stadt schmerzt es mich, wenn wieder ein Lokal leer steht und das Schaufenster mit Plakaten oder ausgebleichtem Packpapier zu gepickt ist. Es sieht auch nicht attraktiv aus. Abgesehen vom Optischen kommen mir die Gedanken, wie wird es dem Geschäftsinhaber gehen, wie steht es um seine Finanzlage? Hat er noch Schulden aus dem Geschäft und wird er diese über Jahre aus seinem neuen Broterwerb begleichen müssen? Vielleicht hat er einstmals von einem gut florierenden Laden mit schicken Sachen geträumt? Jetzt teilt er das Schicksal vieler kleiner Ladeninhaber, dass ihre Lebens- bzw. finanzielle Situation um vieles schlechter ist, als vor ihrer Selbstständigkeit.

Bei Neueröffnungen von Boutiquen überlege ich mir, gerade wenn sie mit Glamour aufgesperrt wurden, wie lange werden sie Bestand haben und wie lange wird ihr finanzieller Atem reichen. Ich denke darüber nach, was schieflaufen könnte. Aus meiner langjährigen Berufserfahrung weiß ich, wie schnell man in die roten Zahlen rutschen kann. Anderseits wünsche ich den neuen Inhabern viel Erfolg und behalte meine Bedenken für mich. Ich bewundere den Mut und die Unbekümmertheit der Neueinsteiger. Mit dem heutigen Wissen sehe ich vieles kritischer, zumeist die Gefahren welche auf die Jungunternehmer lauern. Dabei wäre es auch für mich ohne einen gesunden Optimismus nicht möglich gewesen, die Selbstständigkeit über Jahrzehnte durchzuziehen. Wahrscheinlich haben andere Kollegen auch des Öfteren den möglichen Absturz gesehen, den ich aber umgangen bin. Ohne den Wagemut der Jungen wäre es um den Fortbestand unserer Wirtschaft schlecht bestellt. Wir Ruheständler begnügen uns damit die Vorteile zu beziehen und sind risikoarm geworden, stützen uns auf sichere Aktivitäten. Ohne Risikobereitschaft und Wagemut wäre unser jetziger Lebensstandard nicht vorstellbar.

Jungunternehmer.

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Hat man ein Handelsgeschäft betrieben weiß man, wie schwer das Überleben für die kleinen Fachgeschäfte geworden ist. Sie haben eine wichtige Funktion für den Fremdenverkehr, sie bilden eine willkommene Abwechslung für die schaufensterbummelnden Gäste in der Fußgeher Zone der Innenstadt. Um vieles ärmer wären die Flanierstraßen in den Städten, wenn es nicht die kleinen, bunten Geschäften gäbe. Nicht nur die Filialen der großen Handelsketten, egal ob Schuh- oder Kleidermode, weil diese sind an allen Orten der Welt gleich. Dazu kommen in den kleineren Räumlichkeiten die Kebab, Snacks- und Pizzastuben. Bei den Bäckereien gibt es den Boom, das Backwarenangebot mit einer Imbissecke zu kombinieren und sich dadurch über Wasser zu halten. Das Geschäft, welches sich finanziell lohnt, machen die Einkaufszentren am Stadtrand.

Wenn ich durch die Fußgängerzone flaniere, bleibt es bei mir nicht beim Genuss, es holt mich die Kaufmannsvergangenheit ein. Ich stelle Überlegungen an, ob sich das Geschäft rentiert, es dem Inhaber ermöglicht ein erträgliches Auskommen zu haben. Oft sehe ich weit und breit keine Kundschaft und ein Monat ist gleich vorbei. Dann sind Zahlungen verschiedener Art fällig, allen voran die Geschäftsmiete, der Lohn für eine Angestellte und andere Abgaben, sowie die Kosten für den Wareneinsatz. Ist dies alles beglichen, dann kann es schon einmal vorkommen, dass für einem selbst weniger übrigbleibt, als der Lohn für die Angestellte beträgt. Eine eigene kaufmännische Mentalität stelle ich bei den sich stark vermehrenden Fastfood Lokalen fest, die sich in immer kürzeren Abständen in einer Straße ansiedeln. Im Lokal sind mehrere Familienangehörige anwesend, die mitarbeiten und versorgt werden müssen, nur die Kundschaft gibt es vereinzelt. Sie setzen vielfach auf die Touristen, die aber in den Hotels mit Halbpension gut versorgt sind. Während des Frühstückbuffets kann ich beobachten, zumeist obliegt diese Aufgabe den Frauen, wie in die Handtasche belegte Brote und Obst verschwinden. So wird für den Snack tagsüber vorgesorgt, aus der Hotelküche.

Zuträger.

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Vor einem Antiquitätengeschäft, in der Fußgängerzone von Abano, stehen neben der Eingangstüre zwei steinerne Löwen. Diese beiden Löwen sollen die Aufmerksamkeit der vorbeieilenden Menschen auf die Schaufenster lenken. Beim Flanieren kann ich beobachten, wie ein English Setter, einen der Löwen anbellt, vielleicht will er sein Revier verteidigen. Er lässt sich auch durch die Zurufe seines Frauerl nicht von seiner Hundepflicht abbringen. Erst als sie an der Leine zieht, lässt er vom fremden Artgenossen ab. Der Löwe blickt unbeeindruckt auf die vorbeiströmenden Menschen, wahrscheinlich wird er auch des Öfteren von Hunden angepinkelt. Das vergebliche Kläffen des Hundes erinnert mich an die Bemühungen des durchschnittlichen Bürgers, wenn er sich gegen Missstände in der Politik, gegen ökologischen Verwerfungen, der Erschließung von neuen Straßen oder gegen Spekulationen an der Börse zur Wehr setzt.

In den Seitenstraßen von Abano sind die leeren Geschäftsflächen nicht zu übersehen. Im Innenstadtbereich werden neue Wohnanlagen errichtet, wo im Erdgeschoß Geschäftslokale geplant sind. Wer hier was mieten wird und in welcher Branche darüber gibt es nur Spekulationen. Auch darüber, warum dieses und jenes Geschäft schließen musste, welches vor einem Jahr noch geöffnet war. In Abano soll es zirka neunzig Hotels geben, die Meisten mit mehreren Stockwerken und von großer Ausdehnung. Dabei bellen viele auch gegen einen steinernen Löwen, weil sie nicht wissen, welche Überlebenschance sie haben, manche sind nicht in der Lage die notwendigen Adaptierungen durchzuführen. Diese verbluten innerlich, sie hätten dringend eine Blutkonserve, eine Renovierungsspritze notwendig. Eines der schönsten und wahrscheinlich auch ältesten Hotels von Abano, das Grand Hotel Orologio, liegt im Dornröschenschlaf. Die Fensterbalken sind verschlossen und die Zufahrt ist abgesperrt, es steht in einem Park von beachtlicher Größe. Auch in diesem Kurort erweist sich das Überangebot an Gästebetten, auf den ersten Blick, für die Kurgäste als Vorteil. Alle Hotels bieten Thermenpakete mit vielen Vergünstigungen oder verbilligte Wochenpakete von Sonntag bis Donnerstag, an. Diese Angebote laufen über einige Jahre gut und dann fehlt es den Eigentümern an den Rücklagen für die notwendigen Reparaturen. Die Reisebusunternehmen offerieren einen Aufenthalt in Abano in der Nebensaison, inklusive der Busfahrt, zu  Spezialpreisen an. Der Frühling und der Spätherbst sind die besten Jahreszeiten für die Senioren, nicht zu heiß und nicht zu kalt.

PensionistenThermalOrt.

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Im Haus und im Stall verspürte ich die von Menschen und Tieren gespeiste Wärme.Den Bauernhof erlebte ich in den Weihnacht-und Osterferien anders als vor dem Aufenthalt im Internat. Äußerlich hatte sich nichts Nennenswertes verändert, trotzdem erschien mir die Küche und unser Zimmer anders. Ich verspürte eine Fremdheit, als wäre ich lange abwesend gewesen. Die Räume waren auf einmal klein und niedrig, sodass ich mich bückte, wenn ich durch die Küchentür trat. Diese Stimmung des Fremdsein ist in den Weihnacht- und Osterferien nie gewichen, nur in den großen Schulferien hat sich dieses Gefühl etwas verflüchtigt. Es war mir nicht unangenehm, wenn ich zurück in das Internat gebracht wurde. Im Internat, ein adaptiertes Schloßgebäude, waren der Studier- und der Speisesaal sehr groß und extra hoch.Von dieser Fremdartigkeit wurde ich immer wieder erfasst, auch als Erwachsener, wenn ich die Eltern im Bauernhaus besuchte.

In einer Lehrveranstaltung zur Philosophie habe ich von einer Idee Adornos gehört. Seine “Utopia” vergleicht er mit dem Zustand der Fremdheit die eintritt, wenn jemand lange abwesend war und dann wieder nach Hause kommt. Es ist zwar dieselbe Umgebung und es sind dieselben Dinge, aber sie erscheinen einem anders. So wird es uns ergehen, wenn wir in unserem Ziel, Utopia, angelangt sind.

Vor kurzem bin ich am Politznerberg spazieren gegangen, es waren dieselben Häuser, aber diese sind mir anders vorgekommen. Kleiner, baufälliger und mit einem gewissen Chaos rund um das Haus. Die Menschen bewegen sich in einem Rhythmus, der von meinen ganz verschieden ist. Sie sprechen von Ereignissen, die mir fern erscheinen, obwohl ich einmal mit diesen Dingen zu tun hatte. Mir wurde erzählt, wie die Hühner immer wieder die Gemüsebeete des Nachbarn verwüsten oder wie die jungen Kühe plötzlich aus der Weide ausgebrochen und auf die Landstraße gelaufen sind. Ein Teil der Hausmauern vom Bauernhof sind über siebenhundert Jahre alt und darin befindet sich der Keller, wo immer noch das Obst, die Kartoffel, der Most und das Sauerkraut eingelagert sind. Die dicken Mauern sorgen dafür, dass die Früchte über Monate frisch bleiben, ohne Konservierung und Kühlung. Die Lebenswelt der Kindheit bleibt,in die Ferne gerückt.

Ein Wiedersehen mit dem Internat, Anfang dieses Sommers, erwarte ich mit gespannter Freude. Eine kleine Gruppe soll ich bei ihrem Ausflug dorthin begleiten. Welche Stimmungen werden hochkommen? Das letzte mal war ich vor etwa zwanzig Jahren dort. Rein äußerlich hat sich am Schloss, vom Zug aus betrachtet, nichts verändert. Das Schloss thront wie ehe und je majestätisch auf einer Anhöhe über dem Zollfeld.

Zauberberg

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In den sechziger Jahren war es üblich, dass man aus dem Internat nur zu den hohen Feiertagen, wie Weihnachten und Ostern nach Hause durfte. Mit dem Briefschreiben pflegte man den Kontakt zu den Eltern und den Geschwistern. Unter günstigen Umständen kam einmal im Monat jemand von der Familie zu Besuch auf das Zollfeld. Nur wenige Eltern der Schüler hatten ein Telefon, zumeist waren diese Eltern Unternehmer. Zum Telefonieren musste man in die Internatskanzlei gehen und um ein Telefonat bitten. Bei uns zuhause gab es kein Telefon.

Am meisten freute ich mich über die Zusendung eines Jausenpaketes, mit einer Tafel Schokolade, Butter und Marmelade, Speck und Wurst, sowie einem beigelegten Brief. Brot gab es im Heim genug, aber für die Nachmittagsjause konnte ich einen Aufstrich gut gebrauchen. Nach vier Monaten im Internat konnten wir zu den Weihnachtsferien das erste Mal nach Hause fahren. Ich hatte Glück, ein Bub aus der Nachbargemeinde ging mit mir in die selbe Klasse, dessen Vater war Viehhändler und fuhr einen Opel Caravan. Bei der Heimfahrt saßen wir zu sechst im Auto, der Kofferraum vollgestopft und auf dem Schoße hatten wir noch zusätzliches Gebäck.

So glücklich ich für eine kurze Zeit war, wieder zu Hause zu sein, so stellte sich bei mir in den Weihnachtsferien ein eigentümliches Befremden ein. Der so vertraute Bergbauernhof erschien mir eigentümlich ungewohnt. Mir machte die Lebendigkeit des Bauernhofes zu schaffen. Der Internatsalltag hatte seine geordneten Mahlzeiten, Unterrichts- und Studierzeiten. Ebenso festgelegte Gebets-, Freizeit- und Schlafzeiten. Der Schlafsaal, der Speisesaal und das Studierzimmer waren steril. Am Bauernhof herrschte eine gewisse Unordnung, eine gesunde Mischung aus Schmutz und Sauberkeit. Die Menschen und Tiere strahlten Wärme aus, es war ein anderer Tagesrythmus. Der unmittelbare Zugang zu den Lebensmittel war augenscheinlich, vieles wurde selbst erzeugt: Kartoffeln, Brot, Salat, Obst, Milch, Fleisch und Eier. Auf Schritt und Tritt war ich von Tieren umgeben, dem Hund, den Katzen, den Hühnern, Schafe, Pferd und Kühen. Von den jungen Kälbern und Schweinen, alles lebendig. Beim Eintreten in den Stall wandten mir die Kühe den Kopf zu, das Pferd wieherte und scharrte mit den Hufen. Das frisch geborene Kalb war warm und die Kuh schleckte mit ihrer Zunge das Fell sauber. Der Hofhund „Wächter“ trottete unentwegt hinter mir her und auch ohne Hundeschule befolgte er „Sitz und Pfote“. Einen Leckerbissen fing er mit einem Sprung in die Luft. Von dem Komfort, der im Internat herrschte, war am Bauernhof nichts zu spüren. Das Heim hatte eine Zentralheizung, Warm- und Kaltwasser im Waschraum, sowie Duschen.

Speckbrot