grenz:übertritt II

Um die Einkäufe Revue passieren zu lassen gehörte der Besuch einer Pizzeria dazu. Dabei wurden im Kopf die ersparten Münzen zusammengezählt und gegenseitig Geheimadressen ausgetauscht. Gestärkt mit einer Pizza oder einer italienischen Jause und einem Glas Wein fuhr man entspannt der Grenze entgegen. Im vorhinein wusste niemand, wird heute kontrolliert oder durchgewunken. Für den Fall der Fälle hatte man sich für die Frage des Zöllner: „Haben sie etwas zu verzollen“, eine ausweichende Antwort zurechtgelegt. Zumeist gab es für Einheimische kaum Kontrollen. Ein altgedienter Zöllner beschreibt es so: “Wie ein Polizist bei einer Verkehrskontrolle die Alkoholfahne vom Lenker riecht, so konnte er den Ledergeruch aus dem Kofferraum wahrnehmen”. Besonders in der Vorweihnachtszeit wurde beim Verdacht auf die Einfuhr von Lederwaren Nachschau gehalten.

Die Stimmung am Wurzenpass war beim Passieren der Grenze, nach und von Ex-Jugoslawien, gedrückt. Schon bei der Einreise wurde der Pass einer strengen Prüfung unterzogen. Den jugoslawischen Zöllnern und Grenzpolizisten kam dabei kein Lächeln über das Gesicht. Schwerbewaffnete Soldaten standen rechts und links des Grenzbalken. Auf der Passhöhe war das Militär in geheimen Bunkern omnipräsent. Auch auf österreichischer Seite gab es Bunkeranlagen, man war sozusagen immer gefechtsbereit. Der Aufenthalt in Ex-Jugoslawien bestand aus der Einnahme eines preiswerten Mittagsmenüs und einmal günstig Auftanken. Bei der Einreise konnten die Raucher im Dutyfreeshop billig Zigaretten kaufen. Dort gab es auch Kosmetika und Markenuhren zu reduzierten Preisen. Hier war man bei der Einreise um vieles angespannter als in Thörl Maglern. Lag es daran, dass der jugoslawische Wein nicht so süffig war? Niemand verweilte in Ex-Jugoslawien länger, als unbedingt notwendig.

Bei mir verflüchtigen sich diese Stimmungsbilder immer mehr, die Waren- und Personenkontrolle ist beim Grenzübertritt obsolet, damit auch der Reiz des Verbotenen. In Kärnten haben sich inzwischen internationale Modeketten, von Diskont bis Markenqualität, etabliert. Der Tarviser Markt leidet seit über einem Jahrzehnt unter Besucherschwund. Durch die Generalsanierung um die Jahrtausendwende hat er zusätzlich an Flair verloren. Die Verkaufsstände sind zu korrekt, die Ladenbesitzer zu professionell. Der Besuch einer Pizzeria ist immer noch einen Ausflug wert. Am Wurzenpass  hat man jetzt die Möglichkeit die ehemaligen Bunkeranlagen zu besuchen, der Einkauf von Zigaretten und Kosmetika in den Dutyfreeshop ist immer noch beliebt.

Kofferraumkontrolle.

grenz:übertritt I

Seit mehreren Jahrzehnten lebe ich im Dreiländereck Österreich-Italien und Ex-Jugoslawien. Ich genieße es, seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und der Schaffung des Schengenraumes, dass die Grenzkontrollen zu den Nachbarländern abgeschafft wurden. Wer lange in einem Grenzort wie Arnoldstein lebt merkt, um wie viel entspannter die Leute heute von diesseits und jenseits der Grenze miteinander umgehen. Es hat früher einen Unterschied gegeben, ob man am Wurzenpass die Staatsgrenze von Österreich nach Jugoslawien oder in Thörl Maglern die Grenze nach Italien überschritten hat. Das Überqueren der Grenze nach und von Italien hatte zumeist einen heiteren Charakter. Dazu dürfte die Aussicht auf ein Glas italienischen Rotwein und einer Portion Spagetti beigetragen haben. Viele Jahrzehnte war der Tarviser Markt das Einkaufszentrum für die Kärntner. Heute weiß ich, es gab organisierte Einkaufsfahrten aus den Bundesländern Vorarlberg und Burgenland zum Tarviser Markt. Von Orten, die etwa sechshundert Kilometer entfernt sind. In der Sommersaison überschwemmten an Schlechtwettertagen die deutschen und die holländischen Urlauber den italienischen Grenzort. Ein Indiz dafür, dass die Gästebetten am Wörthersee, Ossiachersee und Millstättersee gut belegt waren. Einen freien Parkplatz  zu finden war aussichtslos.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deckte man sich am Tarvisermarkt preisgünstig mit schicker Kleidung und Schuhen ein. Der besondere Kick waren Lederjacken, Ledermäntel sowie Handtaschen. Im Vergleich zu Österreich waren die Lederwaren in Italien billig. Bestimmt war es nicht immer die erste Wahl, teilweise mit kleinen Fabriksfehlern. Fehler, die ohne Fachkenntnisse unbemerkt blieben. Dazu kam das Kauferlebnis am Fetzenmarkt, wie der Tarvisermarkt liebevoll genannt wurde. Hier konnte gehandelt werden wie in einem Basar in Istanbul. Wer die Kunst des Feilschens nicht verstand oder sich schämte vor dem Zahlen zu handeln, der war fehl am Platz. Nach dem Kleiderkauf ging man mit dem Gefühl, einen günstigen Kauf gemacht zu haben, vom Marktstand weg. Die Freude währte solange, bis man bei einem anderen Händler dieselben Jeans um zwanzig Prozent billiger angeboten bekommen hat. Trotzdem fuhr man in der nächsten Jahreszeit wieder zum Modeshoppen auf den Tarvisermarkt.

Schöne Frau.

kur:kuh II

Nach den Aussagen der Manager seien die Kuraufenthalte zu wenig effizient und nostalgisch. Diese Aufgaben könnten ebenso ambulante Gesundheitszentren übernehmen. Kuraufenthalte wären ein von der Allgemeinheit bezahlter Urlaub, aufgelockert durch Therapien. Alle,die schon einmal auf Kur waren wehren sich gegen diesen Vorwurf. Sie bestätigen, dass die Kur bei ihnen auf jeden Fall notwendig war. Anders am Nebentisch oder zwei Zimmer weiter, dort hätte es Patienten gegeben, welche jede freie Minute zwischen den Therapien genützt hätten um mit dem Mountainbike Berge wie den, Schmittenstein zu erklimmen. Zwischen Mittagsessen und Nachmittagstherapie  mit dem Fahrrad von Bad Vigaun nach Berchtesgarden geradelt wären. Während des Aufenthalt in der Kuranstalt ein Zweigbüro eingerichtet haben. Heute, zu Zeiten der mobilen Kommunikation, ein leichtes Unterfangen. Dies sind jene, welche beim Warten auf die nächste Therapie am Smartphone die neusten Email checken. Unter den Patienten findet sich auch eine Gruppe von Genussmenschen, welche abends ein Kasino oder Gourmetrestaurant besuchen. Darüber diskutieren, welche nahe gelegenen Sehenswürdigkeiten in der therapiefreien Zeit einen Besuch wert wären. In der Tiefgarage steht eine breite Palette der teuersten Autos, alles was die deutsche Autoindustrie an Prestigeautos anbietet. Treffen mehrerer Faktoren, wie ein starkes Genussleben und ein offensichtlicher Luxus bei der Mobilität zusammen,stellt sich die Frage, ist es sozial verträglich, dass diese Personengruppe auf Kassenkosten auf Kur geschickt wird? Wäre es nicht gerecht, dass diese Klientel die Kosten selbst trägt.

Eine breite Schicht von Kurgästen stöhnt über die Höhe ihres Selbstbehalt, je nach Einkommen. Zumeist sind in den Kurhäusern die Einzelzimmer mit einem Zuschlag behaftet. Es bedarf eines umgänglichen Menschentypus, verbringt man mit einem völlig fremden Menschen in einem Zweibettzimmer einen dreiwöchigen Kuraufenthalt. Keiner weiß etwas über die Vorlieben oder Gewohnheiten des Anderen, diese können den eigenen Lebensgewohnheiten ganz diametral entgegenstehen. Dabei kann Frust aufkommen, was dem Kurerfolg nicht dienlich ist. Allemal eine Überraschung ist, mit wem man zu den Mahlzeiten am Tisch sitzt. Es ist wie beim Lotto, es kann ein großer Treffer mit Zusatzzahl sein oder man kann leer ausgehen.

An schean Tog.

kur:kuh I

Auf den Schultern der Beschwerdenträger, von den lädierten Knie- und Hüftgelenken und den schmerzhaften Lendenwirbeln, wird von den Managern in den Krankenkassenanstalten diskutiert, ob Kuren noch zeitgemäß sind. Ein Vorstandsmitglied ließ mit der Aussage aufhorchen, Kuraufenthalte sind ein Relikt aus der Kaiserzeit und waren etwas für wohlhabende und hysterische Herrschaften, dem ehemaligen österreichischen Adel. Zur Kaiserzeit hat sich der Wiener Adel in den Kurorten Warmbad Villach, Bad Ischl und Bad Hof Gastein getroffen. Dazu gesellen sich die Orte Opatija und Grado an der oberen Adria. Diese Orte waren schon zu Monarchiezeiten mit der Eisenbahn erreichbar. Alle aktuellen Hotelprospekte verweisen auf die ehemaligen Gäste aus dem österreichischen Kaiserhaus. In Österreich leben wir noch oftmals im kaiserlichen Umfeld. Die kostenlosen Kuren werden vor allem von der Beamtenschaft in Anspruch genommen, die direkten Nachfolger der kaiser-königlichen Hofbeamten.

Seit vielen Jahrhunderten war bekannt, dass die natürlichen Heilvorkommen von Thermal- und Schwefelwasser bei längerer Anwendung eine wohltuende und heilende Wirkung auf die Gelenke, den sogenannten Bewegungsapparat ausüben. Gleichzeitig auch besänftigten auf die überreizten Nerven wirken. Andere Heilwasser lindern Beschwerden des Verdauungsapparats,der Gastritis.Der Aufenthalt am Meer vertreibt Atembeschwerden,Bronchitis und Hauterkrankungen. Es gibt eine Unzahl von Indikationen und jeder Kurort versucht seine Indikationen zur Linderung der Beschwerden schmackhaft zu machen. Bei einer Gesundheitsvorsorge kann nicht immer genau geklärt werden, ob eine Therapie sinnvoll oder überhaupt notwendig ist. Meistens handelt es sich um ein subjektives Empfinden, einmal fühlt man sich während der Anwendungen euphorisch, ein andermal werden die Schmerzen stärker. Man verwünscht den Kuraufenthalt, weil zuhause hatte man weniger Beschwerden. Dazu gibt es einen Befindlichkeitsindex, ähnlich dem Bodemasterindex, eine Skala von 0-10.

Eindeutiger sind die Aussagen zur Befindlichkeit bei einem Rehabilitationsaufenthalt. Einer Nachbetreuung nach einer Knie- oder Schultergelenksoperation. Auch die Hüftler, Menschen nach einer Hüftgelenksoperation, brauchen zu ihrer Mobilisierung und Integrierung in den Alltag einen Reha – Aufenthalt. Genauso Menschen nach einem Arbeits-, Auto- oder Freizeitunfall um ganz alltägliche Fähigkeiten, wie gehen, sitzen, bücken und heben wieder zu erlernen. Ähnliches gilt für die Vielzahl an Herzpatienten, mit dem nachfolgenden Ausdauer- und Krafttraining. Die Reha-Aufenthalte stellt niemand in Frage. Es wird gefordert, dass diese viel schneller und effizienter erfolgen sollen.

Gsund bleibn.