warum:wie I

In einem Fernsehbericht über das Karmeliterinnenkloster bei Innsbruck äußerten die Nonnen die feste Überzeugung, dass sie durch ihr Gebet sehr viel für die Menschen und die Weltgemeinschaft erreichen können. Der Orden ist dafür bekannt, dass sich die Klostergemeinschaft hauptsächlich dem Beten und Schweigen hingibt. Auf ihrer Webseite besteht die Möglichkeit für ein persönliches Anliegen ein Email an sie zu senden und um ihr Gebet zu bitten. Ob das Stellvertretergebet dieselbe Wirksamkeit entfaltet, als wenn man um das Anliegen persönlich betet? Im Laufe der Reportage haben verschiedene Klosterschwestern erzählt, warum sie den Weg in das Kloster gewählt haben. Einigen war die neue Freiheit hinter den Klostermauern wichtig. Sie müssen nicht am Treiben und Trubel der Welt teilnehmen, sie haben ein Ziel, sich mit Gott zu vereinen. Die Gewissheit, dass ER für sie da ist und für sie sorgt. Für die meisten heutigen Menschen würde ein einfaches Leben, keine Zerstreuung, kein Entertainment, keine digitale Vernetzung, einen Verzicht bedeuten. Für außenstehende Personen ist das keusche Leben der Nonnen schwer nachvollziehbar. Auf diesen Verzicht angesprochen hat eine junge Schwester mit einem Zitat von Friedrich Nietzsche geantwortet: Wer ein WARUM hat, wird mit jedem WIE fertig. Ohne Scheu hat die Novizin Nietzsche zitiert, der gesagt hat:Gott ist tot.

Alles was die Klosterfrauen gesagt haben klang sehr plausibel, manchem würde ich als Mensch mit einigen Jahrzehnten auf den Schultern, in Kärnten sagt man am Buckel, gleich zustimmen. Manches Mal habe ich selbst Sehnsucht nach Bedürfnislosigkeit, den Wunsch mich vom Trubel und dem Lärm der Welt abzukoppeln. Wahrscheinlich wächst dieses Bedürfnis bei vielen altersbedingt. Ehrlicher ist es, wenn man sich dafür in der Blüte des Lebens entscheidet, nicht aus Resignation, sondern aus ganzer Überzeugung. Der weiterverbreiteten Logik, sich im späteren Alter dem Religiösen zuzuwenden, begegne ich mit Skepsis. Dies erscheint mir wie ein Rettungsanker, an den man sich klammert. Dadurch erhoffen sich manche ein längeres irdisches Dasein und eine Verlängerung des Lebens im Jenseits.

Schwimmweste.

kraft:ort

Die steirische Landesausstellung „Wallfahrt – Orte der Kraft“ findet in einem ehemaligem Kloster, in Pöllau bei Hartberg, statt. Die Ausstellung beginnt mit religiösen Symbolen von Opfer- und Kultstätten der Antike und führt dann weiter zu den christlichen Wallfahrtsorten. Zuerst waren es Kirchen mit den Reliquien verschiedener Heiliger. Im Mittelalter entsteht die Marienverehrung mit neuen Kultstätten. Maria war vor allem für die  armen und einfachen Leute eine Bezugsperson und gab ihnen Hoffnung. Als einzelne Person ist man schon immer Gefahren ausgesetzt, welche oft nicht zu bewältigen sind. So haben wir bei Göttern, bei Gott und Maria um Hilfe und Schutz gesucht. Ein Zeichen der Marienverehrung sind die Opferkerzen vor den Marienaltären. Jede Kerze die hier angezündet wird, ist mit einer Bitte oder Dank verbunden. Es gibt im Leben jedes Einzelnen, trotz aller privaten Versicherungen und Absicherungen durch die Gemeinschaft, immer ein Restrisiko, dem man machtlos gegenübersteht. Dafür sucht man Hilfe bei einer höheren Macht. Ich erlebe es persönlich, dass ich bei den Worten, „Der Friede sei mit Dir”, Trost finde. Im schönen Innenhof des Klosters werden bäuerliche Produkte aus der Umgebung, Kerzen, Andenken und esoterische Waren verkauft.

Am Pöllauberg steht eine mächtige Wallfahrtskirche, der Kirchturm ragt weit in den Himmel. Ich gehe in die Kirche, ein angenehmer Zustand.

Aus meinem Tagebuch…

wald:heimat

Ich besuche eine Verkaufsausstellung in Bruck a. d. Mur und fahre danach weiter zur steirischen Landesausstellung „Wallfahrt-Orte der Kraft“. Die Fahrt führt durch  Roseggers Waldheimat. In Krieglach bleibe ich bei Peter Roseggers Landhaus stehen und besichtige die im Original erhaltene Schreibstube und das Schlafzimmer, indem  Rosegger  gestorben ist. Die Uhr wurde zu seiner Todesstunde angehalten. Er hat über fünfzig Bücher veröffentlicht, alle mit Federstiel und Redisfeder geschrieben. Er ist ein fleißiger Mensch gewesen. Von  Rosegger (31.7.1843 – 26.6.1918 ) kennen wir hauptsächlich die Geschichten über das Landleben im Jahreskreislauf. Er war darüber hinaus ein engagierter Schriftsteller der sich mit den wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und religiösen Themen seiner Zeit  beschäftigt hat. Die Vorgänge in der Steiermark waren der Zerfall der Dorfstrukturen durch das  Bauernsterben und die Industrialisierung. Nach meiner Auffassung ist die Zeit ein Rad, es wiederholt sich vieles, nur die Darsteller, die Menschen werden ausgetauscht. In dieser Zeit gab es viele Arbeitslose, einerseits arbeitslose Landarbeiter und durch die neuen fabrikmäßigen Herstellungsverfahren beschäftigungslose Handwerker. Mein nächster Halt ist Roseggers Waldschule. Um die Schule stehen nette Holzhäuser. An ihren Fassaden sind übergroße Sat-Spiegel angebracht. Den meisten Zuspruch bei den Besuchern hat das Waldgasthaus.

Aus meinem Tagebuch…

kultur:religion III

Gegen Ende des Essays stellt Schnädelbach die Frage, was wird aus dem Christentum in der modernen, säkularen Welt? Es gibt noch immer eine lebendige Frömmigkeit und die meisten Eltern, auch wenn sie sich nicht viel mit dem Glauben beschäftigen, lassen ihre Kinder taufen und melden sie zur Erstkommunion und zur Firmung an. Meiner Auffassung nach hat es den Anschein, je weniger die Erwachsenen an ein jenseitiges Weiterleben, an einen Gott glauben, umso größer und feierlicher gestalten sie die Familienfeiern anlässlich der Taufe, der Erstkommunion und der Firmung. Dazu wird die ganze Verwandtschaft  in ein Restaurant eingeladen. Wie weit die Volksfrömmigkeit geht, kann man in Kärnten bei der Fleischweihe  am Karsamstag erleben. Diesen Brauch will man sich von keinem aufgeklärten Theologen madig machen lassen. Es herrscht Einigkeit darin, dass die Geschäfte, um den Angestellten die Teilnahme an der Fleischweihe zu ermöglichen, geschlossen halten. In der Seelsorge gibt es heute zwei Stoßrichtungen, den Volksglauben und den Individualglaube. Die Volkspfarrer und die Individualpfarrer. Die Volkspfarrer wollen mit einer schönen Leichenrede alle zufriedenstellen, die Individualpfarrer wollen das spirituelle Individuum erreichen.

Eine Schwierigkeit des Christentums sieht Schnädelbach darin, dass die Evangelien nicht die Offenbarung selbst sind, wie im Koran, sondern sie berichten von ihr und verkündigen sie, indem sie von ihr berichten. Damit ist dem Zweifel Tür und Tor geöffnet, der Zweifel beginnt schon bei der Nachricht von der Auferstehung Jesus. Er stellt die Frage: „Kann man Christ sein ohne Theologie studiert zu haben und wenn nicht, lebt man dann in der Prämoderne?“[1] Das andere Szenario von dem das Christentum bedroht wird ist die Kommerzialisierung der Religion. Es gibt einen religiösen Supermarkt, wo jeder nach seinen Bedürfnissen religiöse Waren  einkaufen kann. Schnädelbach, der sich als frommer Atheist bezeichnet, findet es merkwürdig, dass er sich Sorgen um die Kirche macht. Wobei sich bis jetzt die katholische Kirche durch innerkirchliche Disziplin gegen Auflösungstendenzen ziemlich immun erweisen hat. Ich möchte andeuten, dass durch den freiwilligen Rücktritt von Papst Benedikt des XVI, vieles in der Hierarchie der katholischen Kirche fraglich geworden ist. Vor ein paar Jahrzehnten wäre es unvorstellbar gewesen, dass ein Papst, der Stellvertreter Gottes auf Erden, freiwillig zurücktritt. Ein Teil der heutigen Protestanten neigt dazu, sich als die selbstgerechten Wiedergeborenen zu sehen und setzen mit marktwirtschaftlichen Mitteln zur Heilsverkündigung an. Mit der Sorge, dass Tausend Jahre christliche Überlieferung nur noch in pervertierter Gestalt fortwirkt und keine Stütze mehr für eine humane Gesellschaft sein wird, bedauert Schnädelbach diese Entwicklung.

Es gibt in der westlichen Welt bei den Einen die Trauer über den Abschied von eingelebten Ritualen und Institutionen, bei den Anderen ist damit die Hoffnung auf neue Formen der Spiritualität verbunden. Schnädelbach ist der Meinung, dass die Nächstenliebe, welche auch die Feindesliebe miteinschließt, für die heutige und die zukünftige Gesellschaft über lebenswichtig ist.

[1] Seite 19, Herbert Schnädelbach, Religion in der modernen Welt,

religion:kultur II

Von Immanuel Kant wird Aufklärung so definiert: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“[1]  Die eigene Aufklärung, „…sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, beginnt mit dem Zweifel an vorhandenen Sachverhalten und Autoritäten. Mit dem Zweifel fängt die Suche nach neuen Erkenntnissen an. Dies führt zum Wohlfühlverlust,(Paradies), es tritt die Last der Eigenverantwortlichkeit ein. Nach der Infragestellung von Thesen folgen die Kritik und die Selbstverantwortung. Man kann nicht mehr einer höheren Macht die Schuld für etwas zuschieben. Umgekehrt, braucht man sich auch nicht mehr bei einer höheren Macht für alle Gaben zu bedanken.

Jesus ist, wenn ich Schnädelbach richtig verstehe, ein Kulturkritiker, der mit den Thesen der Schriftgelehrten hart in das Gericht geht. Nach Darstellung Schnädelbachs ist das Christentum eine „Freiheitsverheißung“, die Befreiung von der Last der Sünde und des Todes. Wobei im Essay nicht angeführt  wird, durch wen die Sünde und der Tod in die Welt kam. Das Christentum, das Judentum und der Islam sind allesamt Offenbarungsreligionen, wobei nur das Christentum eine nachhaltige Theologie ausgebildet hat und sich selbst aufklärte. Die Theologen verstanden ihre Arbeit als eigenen Wissenschaftszweig. Im Islam ist der Koran und im Judentum die Thora  dagegen Gottes Wort. Gottes Wort ist gegen jede weitere Interpretation durch den Menschen resistent.

Durch Jesus kam die Freiheit, die Entscheidungsmöglichkeit des Menschen zwischen gute und böse Taten, in die Welt. Die Bürde der Selbstentscheidung.  Ebenso die Wahrheit, wobei damit die Anerkennung  der Mysterien der Schöpfung, der Inkarnation und der Auferstehung verlangt wird. Die meisten Philosophen der  Aufklärung  „…..  machten sich auf  die Suche nach dem rationalen Kern der christlichen Überlieferung“.[2]  Ab dem 19. Jahrhundert besorgte dies die Theologie, als eigener Wissenschaftszweig, selbst.

[1] Herbert Schnädelbach, Religion in der modernen Welt, Seite 11 zitiert nach I. Kant; [2]  ebenda, Seite 16;