SELBST:wert

Wenige Menschen stellen sich die Frage, wie steht es mit meinem Selbstwertgefühl. Vielen wird diese Frage nicht in den Sinn kommen, sie sind, also sind sie etwas wert. Diese Frage stellen sich vor allem jene, die viel bewegt und Anerkennung gefunden haben. Von engen Freunden werden sie aufgefordert noch mehr zu leisten, mit noch mehr Perfektionismus. Andere verstecken ihre eigene Unzulänglichkeit, die unerreichten Ziele, in die Anforderungen an das Kind. Man möchte das perfekte Kind, die Erziehung zum perfekten Menschen. Es wird verlangt, dass sich das Kind für das kleinste Vergehen entschuldigt und beim Verdacht einer Sünde zur Beichte geht. Diese Art von Erziehung hat in den Internatsschulen Methode. Dabei kann es hilfreich sein, dass man sich selbst stärkt und für eine Aufgabe, die man gut erledigt hat lobt, den Jahresverlauf positiv betrachtet.

Während der Zugfahrt durch das Inntal den Werktätigen entspannt bei ihrer Arbeit zusehen. Der Railjet fährt mit hoher Geschwindigkeit, die Menschen draußen wirken wie emsige Ameisen.

Ameisenhaufen.

ENERGIE:verbrauch

Es gibt Familien, Betriebe und Dörfer in denen ändert sich nichts, die Tage verlaufen über Jahre immer gleich. Nur die wechselnden Jahreszeiten verlangen nach einer kleinen Anpassung, diese bestimmen die Feiern im Haus und im Betrieb. Dies ist auch in einem Papierwarengeschäft ähnlich, die Feste bestimmen den Geschäftsalltag. Für jedes Fest, wie Neujahr und Fasching, Nikolaus und Weihnachten, gibt es spezielle Produkte, sie werden als Saisonartikel bezeichnet. Für familiäre Ereignisse wie Taufe, Firmung, Geburtstag und Hochzeit gibt es spezielle Geschenkartikel. Dieser Rhythmus ist gestört, wenn sich bei der Nachfrage etwas ändert, wenn man merkt, dass verschiedene Artikel nur noch von älteren Kunden gekauft werden. Die Jungen verzichten oft auf Beiwerk, manche verzichten auf einzelne Feste.

So wird die Regelmäßigkeit in Frage gestellt, wie die Natur von uns in Frage gestellt wird, wenn sie auf uns Menschen hinhaut, sei es durch Erdbeben, Lawinen und Überschwemmungen. Der Mensch versucht sie zu bezwingen, dabei kann die Essenz der menschlichen Forschen außer Kontrolle geraten, wie die Atomenergie. Unsere Sehnsüchte und Ausschweifungen in Frage stellen, indem alles verstrahlt wird. Es bleibt die Frage offen, wie viel Energie braucht man zum Sterben und woher kommt diese?

Energielieferant.

BRUT:stätte

Der Zug fährt an einer kleinen Siedlung im unteren Drautal vorbei und für einen Moment sehe ich, wie auf dem Misthaufen der Hahn thront und rundherum ein paar Hühner sind. Während meiner Kindheit in Politzen sah ich es täglich, wie der Hahn mit einer Schar von Hühnern am Misthaufen im Hof nach Würmern, Käfern und Engerlingen geschart hat, es war ein Paradies für Hühner. Orte wo etwas Neues entsteht werden als „Brutstätten“ bezeichnet. Der Zug passiert als nächstes die Bahnstation Ferndorf, wo sich entlang den Geleisen das Heraklithwerk ausgebreitet hat. Beim Bahnübergang in der Ortschaft Rothenthurn, steht heute noch das Bahnschrankenwärterhaus, wo früher die Bacher Mitzi gewohnt hat, von uns Kindern liebevoll die „Eiertante“ genannt. Hierher brachten wir die Eier zum Verkauf, welche uns die Mutter zu hause sorgfältig im Rucksack verstaut hatte. Von Politzen Berg hinunter in die Beinten und dann der Bahnstrecke entlang nach Rothenthurn war ein weiter Weg, etwa sechs Kilometer. Je nach Witterung konnte der Marsch sehr beschwerlich sein. Nach mehreren Regentagen trat das „Bombachl“ über das Ufer und setzte den Feldweg unter Wasser. Behelfsmäßig wurden dann Bretter zum Überqueren der Wasserstellen ausgelegt, trotzdem kamen wir oft mit nassen Füssen nach Rothenthurn. Die Strecke vom Bahnschrankenwärterhaus in Beinten bis zum Bahnschrankenwärterhaus in Rothenthurn war für uns Kinder unheimlich, da es dazwischen keine Häuser gab, dafür viel Schilf, Sträucher und Auwald. Der Feldweg wurde von den Einheimischen kaum benützt, wohl aber von durchziehenden Scherenschleifer, Kesselflicker und Wanderburschen, die uns Kinder Angst machten. Vor ihnen wurden wir von den Eltern gewarnt und man erzählte sich, dass schon Kinder von den Handwerksburschen verschleppt, „vazaht“ wurden. Einen Sommer lang soll sich angeblich ein Mörder in den Auen versteckt haben.

Als wir das Moped zum „Eierführen“ benützen konnten, ging es viel schneller. Für die Mutter war es wichtig, dass wir die Eier sturzfrei zur Bachermitzi brachten. Die Mutter wollte es genau wissen, wie viel sie für die Eier bezahlt hat. Dabei spielten zehn Groschen, die die Bachermitzi mehr oder weniger bezahlte eine große Rolle. Die „Eiertante“ bezahlte je nach Größe der Eier und je nach Jahreszeiten unterschiedlich viel. Sie verkaufte die Eier am Spittaler Wochenmarkt. Vor dem Bahnschranken stauten sich im Sommer viele Autos, bis der Bahnübergang durch den Bau der Schnellstraße und später durch den Bau der Tauernautobahn seine Bedeutung verlor. Durch die Verlagerung des Durchzugsverkehr aus dem Ort verlor auch das Gemischtwarengeschäft mit angeschlossener Tankstelle seinen Umsatz. Waren es in der Reisezeit etwa fünfhundert Semmeln, mit oder ohne Wurst, die an einem Tag verkauft wurden, so waren es nach der Fertigstellung der Schnellstraße gerade dreißig Semmeln. Es war eine Frage der Zeit, bis zum Erreichen des Pensionsalters und das Gemischtwarengeschäft wurde geschlossen.

Eiertante

TROST:pflaster

Die Wahrscheinlichkeit krank zu werden ist gleich groß wie die Wahrscheinlichkeit gesund zu bleiben. Niemand weiß warum jemand krank wird und der andere nicht, oder wo man sich infiziert hat. Unser Wissen über Gesundheitsvorsorge und gesunde Ernährung ist groß, sodass man oft nicht mehr unterschieden kann, was krank macht und was gesund erhält. Würde man alle Gesundheitsvorschläge befolgen, wäre man am Ende krank. Wie krank man sich fühlt, hängt von der eigenen Vorstellungskraft ab. Man kann sich gesund, aber auch krank denken. Spekulieren, was daran schuld ist, dass man sich nicht wohl fühlt, die kalte Luft, der Nebel oder der Wetterumschwung. Ein breites Spektrum von Beschwerden löst die Nahrungsunverträglichkeit aus, sodass man gezwungen ist, tageweise zu hungern. Die sogenannten Hungerkünstler auf den Jahrmärkten im Mittelalter zählten zu den gesündesten und zählebigen Menschen.

Hinter den Spekulationen über Symptome steckt oft der Versuch sich einer Untersuchung zu entziehen, den Gang zum praktischen Arzt zu verzögern. Man gibt den Beschwerden eine Schonfrist, dass sie sich zurückziehen und verschwinden können. Meistens schlummern sie nur ein, um später wieder zu erwachen. Als Erwachsener will man vieles überspielen und den Weg zum Facharzt vermeiden. Als Kind schreit man einmal zu oft, wenn einem etwas weh tut. Es hat genügt, wenn ein Erwachsener ein wenig auf die wunde Stelle geblasen hat oder ein Stück Leukoplast über die schmerzende Stelle geklebt hat. Ein sichtbares Trostpflaster.

Die Erwachsenen waren zu Hause bei der Stallarbeit, das Vieh füttern und die Kühe melken. Mein Bruder und ich waren am Acker bei der Roggenernte und dabei fügte er sich mit der messerscharfen Sichel eine Schnittwunde am Knie zu. Ich war etwa dreizehn Jahre alt, er noch jünger. Ich konnte die Gefährlichkeit der Verletzung nicht einschätzen und war nur von dem Gedanken beseelt, dass wir versuchen mussten den Bauernhof zu erreichen. Dies war mit einem Fußmarsch von etwa fünfzehn Minuten möglich. Die Wunde hat durch den Schock zuerst nicht geblutet, erst als wir in die Nähe des Bauernhauses kamen. Der Vater machte die Erstversorgung der Schnittwunde, die sich durch den Fußmarsch vergrößert hatte. Der Bruder wurde von einen herbeigholten Nachbarn, mit seinem Auto, zum Arzt gefahren. Dieser schickte sie weiter in das Bezirkskrankenhaus. Dort wurde die Schnittwunde genäht und der Bruder musste im Krankenhaus bleiben. Am Sonntag besuchten wir den Bruder mit dem Auto, wobei einige Familienmitglieder zu Hause blieben, damit im Falle eines Verkehrsunfalles, die Versorgung der Viecher gesichert war.

Leukoplast.

ME(E)R.sitzung

Bei den Südländer kann man beobachten, wie sie ein menschliches Leben führen. Sie haben am Vormittag Zeit für einen Kaffee auf der Piazza, für ein Schwätzchen am Gehsteig. Sie benehmen sich als Gäste nicht ungestüm. Betreten sie eine Trattoria dann haben sie die Geduld, bis ihnen von der Bedienung ein Platz zugewiesen wird. Im Süden sollte man nicht den Fehler machen und sich eine Speisekarte von der Anrichte holen. Dieses Verhalten würde einen strafenden Blick des Kellners mit sich bringen und die Folge wäre, dass man bis zur Aufnahme der Bestellung lang warten müsste. Man durchschaut nicht, nach welchen Regeln die Gäste bewirtet werden. Dem Chaos liegt ein südländisches System zu Grunde. In den Küstenorte von Istrien, wie in Strunja, gibt es die Minisupermärkte “Mercator”. Dort bekommt man eine Semmel mit sieben Dekagramm Mortadella für 66 Cent, wenn man die Geduld hat zu warten, bis sich die zwei Verkäuferinnen über die Pläne für das kommende Wochenende ausgesprochen haben.

So gemütlich nimmt es unser Gehirn nicht, es kontrolliert über die Sinnesorgane im drei Sekunden Takt, ob es in der Außenwelt Veränderungen oder neue Reize gibt. Dies ergibt am Tag 14400 Kontrollaufrufe. So beschreibt es der Hirnforscher Prof. Pöbbel in seinem verständlichen Buch: „Je älter umso besser, neues aus der Hirnforschung“. Diese Aktivität hat einen Zusammenhang mit dem Wellenschlag des Meeres, der auch im drei Sekunden Takt erfolgt. Der Aufenthalt am Meer bietet eine gute Gelegenheit sich auf den Wellenschlag des Wassers einzulassen, um die Gehirnaktivitäten zu synchronisieren. Zwischen den Orten Piran und Strunjan gibt es am Uferweg viele Plätze, wo man mit dem Rauschen des Meeres allein ist.

Eile mit Weile.