FROH:botschaft

Vor kurzem bin ich mit dem Fahrrad an der Villacher Stadthalle vorbei geradelt und sah wie aus mehreren Seitenstraßen, Frauen und Männer, Mädchen und Burschen, in allen Altersstufen, auf den Eingang der Stadthalle zuströmten. Am meisten aufgefallen ist mir, dass sie in farbenfrohen Kleidern, gut gelaunt und mit einem heiteren Gesicht unterwegs waren. Auf dem Gehsteig begrüßten sich kleine Gruppen herzlichst untereinander, und redeten angeregt miteinander. Für mich, einen Außenstehenden, der zufällig vorbeigekommenen ist, war ersichtlich, dass diese Menschen von etwas begeistert sind, das ihnen Lebensmut gibt. Ich hatte das Gefühl, das dies ansteckend sein kann, dass sie  in der Stadthalle eine frohe Botschaft erwartet. Wie ich erfahren habe hielten an diesem Wochenende die „Zeugen Jehovas“ ihren Jahreskongress ab. 

In der Nähe der katholischen Kirchen vermisse ich am Sonntag, dass junge und ältere Menschen gemeinsam, mit Heiterkeit auf die Kirche zuströmen. Man nähert sich der Kirche mit einem ernsten Gesicht, mit Andacht, in sich gekehrt. Uns Christen konfrontiert man zuerst mit der Sünde, mit allem was wir falsch machen, an dem wir scheitern. Soll uns etwas Hoffnung machen, dann erreichen wir dies nur durch Reue, Askese und  Verzicht. Die Glückseligkeit muss uns schwerfallen, muss schmerzhaft sein. Der Ablauf der  Messliturgie wird dramatisiert, wirkt fast bedrohlich. Mit ernsten Gesicht folgen die Kirchenbesuchern, in den zumeist schlecht ausgeleuchteten, düsteren Kirchen dem Ablauf der Handlung, nie kommt Fröhlichkeit auf. Auch das Liedgut ist durchzogen von Opfer und Schmerz. Manchmal frage ich mich, ob ich bei der richtigen Glaubensgemeinschaft bin, oder kommen die Signale, die sie aussendet bei mir falsch an.

 Aus heiterem Himmel.

KUR:termin

Wer der Meinung ist, dass es bei den Kuranwendungen wie Massagen, Fangopackungen oder Unterwassergymnastik darum geht die Beschwerden des Bewegungsapparates zu mildern, trifft nicht den ganzen Zustand. Die Beschwerden haben eine Vorgeschichte und diese liegt nicht allein bei der körperlicher Arbeit.  Auch die schwindende Elastizität oder eine ungeschickte Bewegung verursachen in den Gelenken Probleme. Manche Verspannungen haben ihre Ursache in seelischen Zuständen. Es können  zu viele Verpflichtungen sein, die man sich auf die Schultern geladen hat oder es drücken unheilvolle Sorgen auf die Brust, dann nehmen die Muskelschmerzen in diesen Bereichen zu. Zu der Gymnastik und der Massage brauchen die Kurgäste das Gespräch. Da die finanziellen Möglichkeiten der Krankenkassen weniger werden, gibt es im Rahmen eines Kuraufenthaltes für den degenerativen Formenkreis keine Gesprächstherapie.

So wenden sich Kurgäste an andere Kurgäste und erzählen beim Kaffeetrinken, zwischen zwei Behandlungen, von ihren schweren Belastungen. Man lässt dem Gegenüber keine Zeit für ein lockeres, erfreuliches Gespräch. Die Menschen wollen sich von dem befreien, was sie am meisten bedrückt. Eine ältere Frau erzählt, dass die Kinder halbtags auf ihren Mann schauen, damit sie die Möglichkeit hat eine ambulante Therapie im Kurzentrum zu machen. Seit drei Jahren muss sie ihren Mann pflegen, waschen, füttern, und WC führen. Obwohl sie tagsüber immer in seiner Nähe ist, redet er seit Jahren kein einziges Wort mit ihr. Alles ist so gekommen, seit er vor drei Jahren in altersmäßigen Zustand in das Krankenhaus musste, um die Medikamenten gegen Alzheimer abzustimmen. Ihrer Meinung nach wurde er während des Aufenthalts mit Medikamenten zugemüllt und dabei ein Schlaganfall übersehen. Abgemagert, hilflos und sprachlos ist er nach Hause gekommen und wird jetzt von ihr und den Kindern gepflegt. Der nächste Therapietermin.

WORT:genau

Bei der Fülle von Wörtern die täglich auf uns einströmen, aus dem Radio, aus der Zeitung und den Zeitschriften, hat man das Gespür für den einzelnen Satz verloren. Niemand hat die Zeit sich einem Satz zuzuwenden. Für den Beruf, für die  Beziehung, wird  man in Kursen darauf trainiert, dass man viel spricht, alles zerredet. An einem Satz festhalten ist uns abhanden gekommen. Hat man Glück, dann kommt einem ein Satz aus der Kindheit in den Sinn, ein Vaterwort oder Mutterwort. Das kann man sich genauer anschauen. Diese Sätze prägen einen Menschen, sie erschaffen ein ganzes Weltbild. Die ganze Weltsicht beruht auf einem Wort, auf einem Satz: „Es mag mich niemand“. Es ist nebensächlich wer diesen Satz gesprochen hat, zu wem und in welcher Situation, dies ist ein Lebenssatz.

Zu uns Kindern wurde am Bauerhof immer gesagt: „Wir müssen gescheiter sein als die Viecher.“ Gemeint waren die  Kühe, Pferde, Schweine, Hühner und Schafe. Es lag in unserer Obsorge, dass die Kühe beim Weiden nicht in das Getreidefeld oder in den Obstgarten liefen, das Pferd nicht durch unachtsame Bewegungen aufscheuchte oder mit den Hufen ausschlug. Holten wir aus dem Garten Gemüse, durften wir  das Gartentor nicht offen lassen. Es dauerte keine fünf Minuten und die ganze Hühnerschar zerrupfte den Salat. Schuldig waren wir Kinder, nicht die Kühe, Pferde oder Hühner.

Selbstanklage

DER:wächter

Spaziere ich an einem Winterabend über die Wiese auf der Genottehöhe, wird es um mich nie ganz dunkel. Über der Stadt liegt ein heller Schein, verstärkt durch die Weihnachtsbeleuchtung, auf dem Schnee spiegelt sich das Licht des Mondes. Die hohen Fichten am  Waldrand weisen den Weg. Aus dem dunklen Wald treten zwei Rehe und scharren mit ihren Hufen unter den Sträuchern. Es wird von Wohnungseinbrüchen an den Stadträndern berichtet und manche Menschen fürchten sich am Abend spazieren zu gehen. Auf mich wirkt der Winterwald beruhigend.

Während meiner Lehrzeit bin ich abends von der Bushaltestelle in Olsach zu Fuß nach Politzen am Berg gegangen, zu jeder Jahreszeit. Für den Heimweg brauchte ich etwa eine Stunde. Nach einer Viertelstunde lagen  die Häuser der Siedlung hinter mir  und ich überquerte den Talboden. Im Winter war es  dunkel, außer an den Vollmondtagen. Bei Mondschein konnte ich jede Bewegung von Weitem erkennen, auch die Rehe, die vor mir flüchteten. Die Temperaturen waren in den klaren Winternächten frostig. Selten begegnete ich auf dem Nachhauseweg einem Nachbarn. Auf der Bahnstrecke von Spittal nach Villach huschten die Züge als Leuchtwurm vorbei. Nach passieren des Bahnschrankenwärterhauses konnte ich die Abkürzung durch das Schilf nehmen, das Sumpfgebiet ist in den Wintermonaten  zugefroren. Am Politzner Berg ging ich an einigen Bauernhäuser vorbei, die Menschen sasen in der Stube beim Abendessen. Aus den Viehställen hörte ich das Schnaufen und Wiederkäuen der Kühe, die Pferde begannen zu wiehern, wenn ich am Stall vorbeiging. Auf den letzten hundert Metern wurde ich vom Hofhund „Wächter“ erwartet, er sprang winselnd an mir hoch. Ich gab ihm ein Stück von meinem Jausenbrot, das ich für ihn aufgespart hatte.

Der Freund.

BEKANNT:machen

Von Historikern wird diskutiert, ob sich die Geschichte wiederholen kann oder ob wir aus der Geschichte lernen können. Verfolge ich als Laie die Weltgeschichte, so habe ich den Eindruck, dass aus der Geschichte nichts gelernt wird. Man spricht zwar darüber, dass  die Völker friedvoller miteinander umgehen sollen, dass man Fehler beim Umgang mit anderen Nationen vermeiden wird. In den Nachrichten höre ich täglich von neuen Grenzverletzungen, Kriegshandlungen. Die Staatengemeinschaft bemüht sich die Lebensmittel besser zu verteilen, der Wasserknappheit vorzubeugen und trotzdem hungern Millionen Menschen. Auch in unseren Breiten gibt es keine soziale Gerechtigkeit. 

In der Lebensgeschichte kann sich  manches wiederholen. Ein Beispiel ist die Partnerschaft. Oft hat der neue Partner dieselben Charaktereigenschaften, der beim Vorhergehenden  zur Trennung geführt hat. In der Familie  gibt es Situationen, wo ich mir denke, dies habe ich schon einmal erlebt. In der Kulturhauptstadt sitzt in einer Trattoria eine Schwester mit ihrer Tochter. Zwischen den beiden der neue Freund der Tochter, er wird der Verwandtschaft vorgestellt. Der Freund ist ein lustiger Steirabua, das tatsächliche Alter liegt etwas darüber. Die Schwester hört dem Freund zu und ist ratlos. Fragend schaut sie in die Tischrunde. Vor einigen Jahrzehnten habe ich ähnliches erlebt. Damals hat die Schwester ihren Freund dem Vater vorgestellt. Er war ein geselliger Holzknechtbua, seine Geschichten wurden schmunzelnd  aufgenommen.  

Die Wiederholung.