LEHR:meisterIn

Das Wort LehrmeisterIn hat viele Bedeutungen und jeder verbindet damit seine persönlichen Erfahrungen. Es kommt darauf an welche Schule man besucht hat, welchen Beruf man erlernt hat. Es gibt LehrmeisterIn im Sport, LehrmeisterIn in der Liebe, LehrmeisterIn im Beruf oder in der Lebensbewältigung. Früher war der  patriarchalische Begriff Lehrherr gebräuchlich. Von meinem Lehrherrn in einer Buchhandlung am Bahnhof in Spittal an der Drau habe ich vieles gelernt. Genauer ausgedrückt  hat er mir Raum gelassen vieles zu lernen, meine Neugierde und Wissenshunger nicht eingebremst oder eingeengt. Eine Buchhandlung ist ein Ort des Lernens, wie eine Bibliothek ein Ort des Wissens ist.

 

Zur Arbeit fuhr ich mit dem Zug. Damals waren die Übergänge von einem Waggon zum Nächsten offen und die Waggons mit Holzbänken ausgestattet. Heute ist der Zug eine  geschlossene Einheit und man sitzt auf gepolsterten Sitzen in klimatisierten Abteilen, ohne Zugluft. Mir gegenüber setzt sich ein älterer Herr und packt aus seiner Frischhaltedose zwei Speckbrote aus. Speck vom Nachbarn, wie er mir erzählt. In meiner Lehrzeit waren zwei Speckbrote meine Jause.

 

Täglich Speckbrote.

 

TELFON:zelle

Gegenstände und Einrichtungen die für uns heute selbstverständlich sind und den Alltag bestimmen, waren vor einigen Jahrzehnten nicht selbstverständlich. Nicht jedes Haus oder Wohnung hatte einen Telefonanschluss. Es war ein Fortschritt, dass von der Post auch in kleineren Ortschaften so genannte Telefonzellen errichtet wurden. Von diesen öffentlichen Telefonzellen aus konnte man am Wochenende mit Bekannten Telefongespräche führen und war nicht an die Öffnungszeiten der Postämter gebunden. Es war möglich im Notfall einen Arzt, Polizei, Rettung, Feuerwehr oder Tierarzt  zu verständigen. Die Telefonzelle bildete einen Treffpunkt für die Jugend, sie ersetzte oft einen Bildstock oder Wegkreuz. Für die Ortschaft bedeute eine Telefonzelle den Einzug der modernen Zeit. Am Samstagabend ist  es zu Wartezeiten bei der Telefonzelle gekommen, weil manche lange mit ihrer Freundin oder ihrem Freund in der Stadt telefoniert haben. Man hielt die Tür der Telefonzelle geschlossen, sodass niemand die Möglichkeit hatte mitzuhören. In Möselstein wurde von den Flüchtlingen aus Bosnien und Kroatien,  welche aus ihrer Heimat wegen dem Jugoslawienkrieg geflüchtet sind, viel von den öffentlichen Telefonzellen aus telefoniert. 

Heute sind in vielen Orten die Telefonzellen verschwunden, sie wurden abmontiert, weil sie nicht mehr benützt werden. Das Handy hat sich überall verbreitet. Es gibt keine privaten Gespräche mehr. Auf öffentlichen Plätzen, in Cafes oder Schwimmbädern wird für jeden hörbar telefoniert. Es gibt keine Tabuzonen mehr. 

Nicht privat.   

ACHT:samkeit

Es bedarf manchmal eines Steines über den wir stolpern oder ein Schlagloch in das wir stürzen um aus unserem Alltagstrott aufgeweckt und aufgeschreckt zu werden.  Wir leben oberflächlich in den Tag, in die Woche, in die Jahre hinein und nehmen vieles was uns an Schönheit umgibt nicht wahr. Mit der Achtsamkeit haben wir nicht viel am Hut. Manches mal genügt ein Spaziergang an einem klaren frischen Februartag nach Nussdorf, dass einem vieles auffällt, was man schon lange vergessen hat und doch jedes Jahr neu erlebt.
 
Auf der Sonnseite gibt es keinen Schnee und die Wiesen färben sich an manchen Stellen bereits grün. Unter den Bäumen liegt das braune Laub vom Herbst und beim genaueren Hinsehen entdeckt man an mehreren Stellen gruppenweise Schneeglöckchen in voller Blüte. Noch nie, empfindet man, hat man sich über diesen Frühlingsboten so gefreut. Den Sonnenschein achtet man als etwas Kostbares.
 
Ein paar schöne Jahre.   
 
21.2.08 16:44
 
 

 7 Kommentar(e)    

Hein
Danke für diesen tröstlichen Text an diesen trüben Nebel-Tagen. 
petros / Website Achtsamkeit… sie (wieder) zu gewinnen, ja, das ist etwas Kostbares.

LG
Petros

schlagloch @ Hein
@ Petros

Je früher man die Achtsamkeit für sich entdeckt, umso “reicher” wird das Leben.

Gruss schlagloch.

Gerhard Jemand sagte mal zu mir vergleichsweise: Euer Atem ist alles, was ihr habt…und bekommt (auf dieser Erde).
Solche Dinge, wie Du sie beschriebst, sind schon das Höchste, was es gibt. Man wird immer wieder mit der Nase drauf gestossen. Was es einen immer wieder vergessen lässt, ist allerdings eine Gier und Unrast, die einen beständig wegtreibt und wegzieht.
schlagloch Hallo Gerhard!
Vor allem die Gier und Unrast , die uns nach materiellen Dingen streben lässt, welche wir gar nicht brauchen.
Gruss schlagloch.
Gerhard Ja, was brauchen wir wirklich? Weisst Du’s?
schlagloch Hallo Gerhard!
Es wird von Person zu Person verschieden sein, was sie/er braucht. Ich würde es die Grundbedürfnisse des Menschen nennen: Essen, Wohnen, Arbeit, ein soziales Umfeld und körperliche und geistige Entfaltungsmöglichkeiten. Vielen mangelt es am “Überlebenspaket”. Hier in der westlichen Welt und in anderen Erdteilen sowieso.

Jeder kann mitwirken, dass es besser wird, ob das Web2 etwas verbessern wird, vielleicht.

ZU . FUSS

Die Zeit, wo das Baby sprechen und laufen lernt, gehört zu den interessanten Abschnitten der Kindheit. Man kann verfolgen wie sich unverständliche Laute zu Wörter formen. Irgendwo findet  das Baby eine Möglichkeit zum Anhalten und kann stehen. Das Baby versucht ein paar Schritte zu gehen. Dabei strahlt das ganze Gesicht. So beginnen die ersten eigenen Schritte, auch wenn man wieder hinfällt. Jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt, die Entdeckerfreude ist geweckt. Mit dem Schuleintritt kommt das Ende vom Gehen, man nimmt am öffentlichen Verkehrssystem teil. Heute werden die Kinder mit dem Schulbus zur Schule befördert.
 
Zu meiner Schulzeit gab es für Volksschüler keinen Schulbus, wir gingen bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit fünf Kilometer zu Fuß. Dabei spielten Hitze, Neuschnee oder Regen keine Rolle. Vieles habe ich nicht in der Schule gelernt, sondern auf dem Weg zu und von der Schule. Ich habe am Schulweg gelernt die Umgebung, die Pflanzen, die Tiere und die Menschen zu beobachten. Ohne die Schule des Sehen wären keine Blogeinträge möglich. Dies war mein Selbstunterricht. Später hat das Radfahren das Gehen ersetzt. Mit dem Fahrrad erreicht man eine höhere Geschwindigkeit und der Erlebnisradius wird größer.
 
In Aspach habe ich das Gehen, das Wandern wiederentdeckt und dabei festgestellt, wie weit man mit Ausdauer zu Fuß kommen kann. Das Gehen ist entspannend und es gibt viel zu beobachten, die Kindheit kommt zurück.
 
Zurück in die Kindheit.     
 

Kommentar(e)     

Mo / Website (29.9.07 21:52)
Ein, wie so oft, sehr eindrücklicher Beitrag, lieber Schlagloch.

Ich erinnere mich an die Zeit mit 16, 17 Jahren, als mein größter Wunsch war, nicht mehr gehen zu müssen, sondern mit dem Auto fahren zu können.
Heute stelle ich fest, dass ich viel von dem Vertrauen in meine Beine verloren habe und die Angst, dass sie mich nicht tragen werden, mich begleitet.

Wie schön wäre es, wenn wir auch als Erwachsene so unbefangen loslaufen und neue Wege beschreiten könnten, ohne Angst, hinzufallen und mit “Aufsteh-Automatik”, mit der Kinder immer wieder unbeeindruckt einen neuen Gehversuch starten…..

Gehe gut durch die nächsten Tage…..
Liebe Grüße
Mo

schlafmuetze / Website (29.9.07 22:31)
Hallo Schlagloch ..
Für uns gabs auch keinen Schulbus. Manchmal, im Winter, mußten wir uns auf halber Strecke entscheiden, ob wir das Rad stehen lassen und zurück gehen oder weiter zur Schule.
Unser Vater war ziemlich humorlos bei unseren Ausreden 😉 Wenn wir großes Glück hatten, wurden wir mit dem Traktor zur Schule gebracht.
Wir haben unsere Jugend noch draußen verbracht und nicht vor dem Fernseher, das war ein einziges Abenteuer.
Einen schönen Sonntag 😉
Gerhard (30.9.07 00:40)
Ein guter Freund hat mir eine Story erzählt, die ich schon längst vergessen hatte: In unserer Kindheit gab es das Angebot, bei meiner Tante Früchte aus ihrem Garten zu naschen. Mein Bruder und ich besassen zwei kleine Fahrräder, mein Freund besaß ein solches nicht. Aber es war noch ein Tretroller da. Mit diesem Tretroller und den zwei kleinen Fahrrädern ging es die 18 km zu meiner Tante der Bundestrasse entlang. So was machte man damals für Kirschen oder Erdbeeren. Ob die Beine hinterher ausgeleiert waren von dem vielen Treten des Rollers, das war egal.

Ungeheuer und schon längst nicht mehr wahr ?!

schlagloch
Hallo Mo,
danke für die guten Wünsche. Wahrscheinlich wünschen sich viele Erwachsene, dass sie noch einmal so unbeschwert loslaufen und neue Wege beschreiten können wie als Kind. Manchmal muss man Einschränkungen in Kauf nehmen und mit den neuen Gegebenheiten leben lernen.

Radfahren ist ein gutes Beintraining. Bei dieser Sportart kann man die Fortschritte nach wenigen Wochen in den Beinen spüren, egal ob am Heimfahrrad oder am Radfahrweg.

Gruss schlagloch.

schlagloch
Hallo Schlafmütze!
Es war ein schöner Sonntag, zum Abschalten und Ausspannen. Beim Kirchgang schönes und warmes Wetter und eine etwas unkonventionelle Meßfeier. Wenn mein Bericht von dieser Meßfeier im Gästebuch der Pfarre Völkendorf online ist, setze ich einen Link.

Gruss schlagloch.


schlagloch
Hallo Gerhard!
Heute würde niemand mehr für ein paar Kirschen achtzehn Kilometer weit radeln oder mit dem Tretroller fahren. Zum Stichwort “Kirschen” fällt mir eine Episode ein.

Am Bauernhof hatten wir einige Kirschbäume und die Kirschen versuchten wir in der nächstgelegenen Stadt, die fünfzehn Kilometer entfernt lag, zu verkaufen. Wir hatten weder Auto noch Traktor, sondern ein Pferd und eine Kutsche. Früh am Morgen wurden die Kirschen auf die Kutsche verladen und die Mutter und ich, fuhren mit dem Pferd nach Spittal/Dr. In der Barackensiedlung, die am Stadtrand gelegen war, versuchten wir die Kirschen zu verkaufen. Bis Mittag war die Kutsche meistens leer.

Gruss schlagloch.

HEIMAT . GEFÜHLE

Das Wort Heimat geht viele Verbindungen ein, wie Heimatort, Heimaterde, Heimathaus, Heimatschutz, Heimatfilm oder Heimatliebe. Die Liste lässt sich noch fortsetzen. Das Wort Heimat wurde und wird auch missbraucht, es wurde und wird dazu verwendet, Menschen anderer Nationen oder Rassen aus dem Land zu vertreiben. Man war und ist nicht bereit die Heimat mit verschiedenen Menschen zu teilen. Man anerkennt nur eine Rasse von Menschen.
 
Heimatgefühle habe ich, wenn ich bei der Wehr in der Schütt sitze, wo die Gail gestaut wird und dann in einem Kanal zum Kraftwerk fließt. Auch an heißen Tagen ist es hier angenehm kühl. Vor mir erheben sich die Felswände des Dobratsch, mit ihren Schluchten und Abbrüchen. Zwischen den hellgrauen und dunkelgrauen Felsen gibt es offene orange Stellen. Die Wunden wachsen weiter zu. Die Felsen lassen sich nicht vermarkten wie die Gladiolenwiese und die Bärenbrücken, die Hornviper und die Smaragdeidechse.  Das Gestein hat keinen Liebreiz, es bietet sich nicht als Klettergarten an. Sie erheben sich mit scharfen Kanten und glatten Flächen, am Fuße steht ein unsichtbares Schild „Zutritt verboten”. Herabstürzende Felsen haben Teile von zerschellten Flugzeugen, Menschenknochen und Tierköpfe unter sich begraben. Zwischen den Felsblöcken hat die Hornviper ihre Brutnester. Im leergepumpten Flussbett zeigen sich die blankgespülten Absturzsteine in seltenem weiß. Sie sind vom Wasser freigespült und gereinigt worden. Eine Aussicht auf die Dobratschwände und auf bekannte Gesichter.
 
Der Südwind.     
 

Kommentar(e)     

schlafmuetze / Website (22.8.07 23:03)
Hallo Schlagloch 🙂
Das Wort Heimat verhindert auch oft genug, in der neuen Heimat wirklich anzukommen. Weil in der alten Heimat alles schöner war ? Man verstanden wurde oder dort geboren und aufgewachsen war?
Bei uns gibt es immer noch den Bund der Vertriebenen, die Schlesiertreffen und ähnliches. Menschen, die nach dem Krieg die Heimat in Schlesien, Ostpreußen etc. verlassen mußten. Die vertriebene Generation ist bald verstorben, aber den Bund und die Treffen gibt es weiter… !
Gerade vorhin habe ich auf Spiegel online noch zu dem Thema “Ankommen” einen Artikel gelesen. Von einer türkischen Familie, die nie angekommen ist. http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,500637,00.html
Wir sollten beginnen, die Welt als Heimat anzusehen. Dann wäre es nicht so schwierig.
Lieben Gruß 🙂

schlagloch


Hallo Schlafmütze!
Es wird noch einige Generationen dauern, wenn nicht länger, bis wir die Welt als eine Heimat sehen. Bis dahin gibt es “Heimweh”.
Gruss schlagloch.