stern:suche

Im Winter ist es morgens möglich, dass über die Gärten und die Häuser am Plateau von Warmbad zähe Nebelschwaden liegen. Beim Blick zum Himmel versuche ich irgendwo den Morgenstern zu erkennen. Die Suche nach dem Licht am Ende der Nacht. Das Licht am Ende des Tunnels, ein geflügeltes Wort des Exbundeskanzlers während der Pandemie, wurde nie erreicht. Die Zeiten gleichen der Zugfahrt auf der Tauernstrecke, ist ein Tunnel zu Ende, kommt der Nächste. Krisenbedingt nimmt die Zugfahrt auf der Tauernstrecke kein Ende. Erkennen kann ich das Schimmern des Positionslichts am Ausleger eines Baukranes. Dieses schafft es durch den Nebel. Dieses Licht wird zu einer Orientierungshilfe für alle Wohnungssuchenden. Ähnlich dem Stern von Bethlehem, der die Heiligen Drei Könige zu einem Schafstall auf einer Weide geführt hat. Heute würde man dazu Notunterkunft sagen, die nicht dem Standard für Migranten entsprechen würde. Beim “Stall von Bethlehem” müsste vieles adaptiert werden, bevor man versuchen könnte Flüchtlingen dies anzubieten. Zum Probewohnen einladen.

Die neuen Eigentumswohnungen sind nichts für Mittellose, für eine Zweizimmerwohnung bedarfs es etwa zweihunderttausend Euro. Ärmliche Menschen, welche nach der Suche für eine leerstehende Herberge wären, würden die Immobilienhändler davonjagen. In einem Ranking über die Vertrauensbasis von verschiedenen Berufen erreichen Rechtsanwälte auf einer Skala von eins bis hundert, sechzig Punkte , Immobilienhändler erreichten gerade auf fünfzehn Punkte.

Die weiter entfernten, sehr diffusen Lichtquellen kommen vom Einkaufszentrum, dem Elektro Markt, dem Möbelhaus. Es gibt die XXXL Rabatte für die Unbehausten, manches kostet fast nix. Alle hoffen auf ein Licht zur 3ten Corona Weihnacht. Lichten sich die Nebel, dann zeigt es sich ob man einem zeitlosen Stern gefolgt ist? Oder einem Therapeuten der auf die natürlichen Abwehrstoffe gegen das Coronavirus setzt, auf Ameisensäure. Beide Hände abwechselnd auf einen Ameisenhaufen legen und danach die Ausdünstungen der Ameisen einatmen…

Allen Leserinnen und Leser ein friedvolles und erholsames Weihnachtsfest !

per:habs II

Meine Überzeugung ist, dass die Englische Sprache ihre Wurzeln im Kärntner Dialekt hat. Dies kann ich an drei Beispielen nachweisen: perhabs, de meiss und lei lei.

Das englische Wort perhabs, welches in der üblichen Verwendung mit ungefähr übersetzt wird, gibt es auch in der Kärntner Mundart. Ein Beispiel für seine Anwendung, der Verkauf eines Schweines an einen Fleischhauer. Bauer und Fleischhauer sind sich einig, dass das Kalb perhabs hundertdreißig Kilogramm wiegt, dafür zahlt der Fleischhauer perhabs zweihundertfünfzig Euro. Mit einem Wort, beide Seiten verzichten darauf das Schwein zu wiegen, sie schätzen sein Lebendgewicht. Im beiderseitigen Einvernehmen, ohne um einzelne Cent beim Kilopreis zu feilschen, einigen sie sich auf den runden Betrag von zweihundertfünfzig Euro. Im kärntnerischen Alltag kürzt das Wort perhabs ein langes Feilschen um jeden Deka und jeden Euro ab.

Wohl viele Kärntner haben schon einmal den verzweifelten Ausspruch, „jetzan hom de Meis bei de Salotpflanzln de Wurzln obgfressn“ oder „heit woarn de Meis im Kella und hom den Speck ongeknappert“ ausgerufen oder gehört. Die Mäuse haben bei den Salatpflanzen die Wurzeln abgefressen oder die Mäuse haben im Keller den Speck angeknabbert. Geht es um die Mehrzahl von Maus, geht es um eine Mäuseplage, sind sich die Kärntner und die Engländer in ihrer Wut einig, das waren de Meis.

Lei ist in Kärnten nicht nur im Fasching ein geflügeltes Wort, es wird auch im Berufsalltag verwendet. Es bezeichnet nichts Bestimmtes, zumeist ein schlampiges Vorgehen. Wir werden noch ein paar Tage an der Fassade malen, dann können wir im Stiegenhaus lei weitermachen. Es ist nicht sicher ob uns die Hausverwaltung die ganzen Überstunden lei bezahlen wird. Das Wort Muse wird im Englischen mit lei übersetzt. Die Kärntner verbandeln die Arbeit mit der Muse. Bei einem Vorhaben lassen sie sich nicht hetzen es wird schon lei amol fertig sein.

per:habs

Wo liegt der Unterschied zwischen Anfänger und Echter Anfänger? Was ein Anfänger ist, ist für mich klar und dürfte auch für andere verständlich sein. Über den Status eines Echten Anfängers herrscht bei mir Unklarheit.  Bin ich, wenn ich ohne Vorkenntnisse einen Kochkurs oder einen Englischkurs besuche ein Anfänger oder ein Echter Anfänger. Besuche ich einen Kochkurs würde ich mich als Echten Anfänger einstufen. Ich kann mir eine Tasse Kaffee oder Tee zubereiten und weis was ein Becher, ein Teller und ein Löffel ist. Bin ich deshalb kein Echter Anfänger mehr, sondern nur mehr Anfänger? Eine paradoxe Situation.

Diese erlebte ich, als ich mich zu einem Englisch Sprachkurs an der Volkshochschule anmeldete, der für Echte Anfänger ausgeschrieben war. Wie die Teacher ausführte, wird eine Unterscheidung zwischen Anfänger und Echte Anfänger getroffen. Die meisten können ein wenig Englisch aus der Schulzeit, den Medien und viele englische Fremdwörter sind in der deutschen Sprache integriert. Im Übrigen liegen die Wurzeln der englischen Sprache im Germanischen, wie die Teacher immer wieder betonte, speziell im Niederdeutschen. Also gab es aus ihrer Sicht keine Echten Anfänger, maximal Anfänger. Sie wird ihre Ausführungen ab sofort nur in Englisch halten. Wir würden so mehr und schneller lernen, uns auch an die Aussprache gewöhnen. Folgsam, wie Menschen ab einem bestimmten Alter sein können, gab es keinerlei Widerspruch. Bei der überwiegenden Anzahl der Anwesenden veränderte sich der Gesichtsausdruck immer mehr ins Unverständliche. Die Teacher war in ihrem Wortschwall nicht zu stoppen bis ich einwarf, ob sie mit uns spricht und plötzlich hellten sich bei allen Kursteilnehmern die Gesichter auf.

Den ultimativen Satz lernte ich in der dritten Kurseinheit: I am hungry. Ein Überlebenssatz den ich beim Heimkommen sofort meiner Frau gegenüber anwenden konnte. Der zweite Satz den ich öfters brauchte war: Excusmea i am leater. Entschuldigung, ich bin zu spät. Als ich einmal zu früh dran war, war ich sprachlos

u:bahn

Bei der Rückfahrt mit der U-Bahn, von einer Ausstellung in die Unterkunft um rechtzeitig am Abend eine Theateraufführung zu besuchen, zeigte sich, dass gut Geplantes plötzlich in ein vages Unternehmen umschlagen kann. Die U-Bahn zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof war durch ein technisches Gebrechen ausgefallen, zur Verkehrsspitze um fünf Uhr Nachmittag. Eine nicht abreißende Menschen Schlange, welche mit den Rolltreppen in die U-Bahnstation eingefahren ist, machte unten kehrt und fuhr mit den Rolltreppen wieder nach oben. Bei der Straßenbahn Station Opernring staute es sich auf allen Warteflächen, es herrschte eine babylonische Sprachverwirrung. Jeder Zweite telefonierte am Smartphone um einen Termin oder Verabredung zu verschieben, da die U1 ausgefallen ist. Für alle die zum Hauptbahnhof wollen wird als Ersatz die Tramway D außerplanmäßig in verstärktem Interwall geführt. Die erste Garnitur der Tramway D ist bereits vollgestopft mit Fahrgästen, bevor sie noch zum Stehen kommt. In der zweiten Garnitur ergattere ich einen Stehplatz, bei der Aufforderung zu anderen Menschen Abstand zu halten, trifft genau das Gegenteil ein. Immer noch drängen Menschen in die Straßenbahn, bis wir Körper an Körper stehen, um jeden Zwischenraum wird gerauft. Zuletzt die Aufforderung Rucksäcke und Taschen auf den Boden zwischen die Beine zu stellen, damit noch für ein paar weitere Fahrgäste Platz wird.

An den Haltestellen kommt es bei den Abfahrten immer wieder zu Verzögerungen, weil die Lichtschranken blockiert werden und so das Schließen der Türen verhindert wird. Von den Fahrgästen gibt es lautstarke Unmutsäußerungen über die schlechte Information, über unfreundliche Schaffner bis zu den Aussagen, man werde sich bei den Wiener Verkehrsbetrieben über das Personal Beschwerden. Dieser Ansage will man Nachdruck verleihen, indem man lautstark verkündet, dass dies das erste Mal im Leben ist. Für eine Beschwerde einzureichen sei es nie zu spät im Leben, auch nicht mit fünfzig.

unz:markt

Am Bahnsteig in Villach, vor der Fahrt nach Wien, kommt mir der Gedanke ob ich auch diesmal mit meinen Notizen in das Tageheft in Unzmarkt beginnen werde? Werde ich auch diesmal beim Passieren vom Bahnhof Unzmarkt die Lust verspüren mit den Eintragungen in die Tagehefte zu beginnen?  Ich kann mir nicht erklären, warum ich gerade hier zum Schreiben beginne. Ist es der Ortsname welcher bei mir den Schreibimpuls auslöst? Auf jeden Fall weiß ich von einer Leere in mir welche mich zum Schreibwerkzeug greifen lässt. Wohl befinde ich mich hier in der nötigen Distanz zum Alltag in Villach. Wer es noch nicht erlebt hat, dem empfehle ich zur Selbstfindung eine Bahnreise zu buchen. Sitzt man erst einmal im Zugabteil braucht es keinerlei eigene Aktivitäten für eine Ortsveränderung, die zumeist auch eine Veränderung des Blickwinkels bedeutet. Nach einer mehrstündigen Zugreise kommt man am Ziel als ein neuer, ein anderer Mensch an. Eine Art von Beschäftigung, welche zum Loslassen geeignet ist. Die Art der Beschäftigung, des Wohlbefindens ist während der Zugfahrt frei wählbar.

Einige Zugreisende betrachten entzückt die vorbeiziehende Landschaft, andere vertiefen sich von der ersten Minute an in eine Zeitung oder blicken aktuell auf das Smartphone. Dazu gibt es ein geheimes Timing mit Bekannten, auf die Minute genau telefoniert man mit Gott und der Welt. Zu meiner ersten Beschäftigungen bei einer Zugfahrt zählt, dass ich mein Jausenbrot auswickle.  Meine Reise beginnt mit einem Imbiss andere sprechen von der Reiselust, ich vom Reisehunger. Nirgendwo lässt sich so genussvoll und geruhsam eine Salamisemmel verspeisen wie bei einer Zugfahrt. Jeder hat seine Vorlieben oder wie der Volksmund sagt, jeder tickt anders. Während der letzten zwanzig Jahre hat sich vieles beim Zugfahren verändert, zu kurz kommt derzeit das Gespräch mit den Nachbarn. Dazu hat die Coronakrise in den letzten zwei Jahren das Ihrige beigetragen.