morgenwäsche

Ein Taxifahrer machte mich während der Fahrt von Warmbad zum Hauptbahnhof Villach darauf aufmerksam, dass seine Kinder für die voraussichtlichen Schneefälle gut gerüstet sind. Sie sind abgehärtet, nicht jeden Meter werden sie mit dem Auto gefahren. In seiner Schulzeit, in den 70er Jahren am Land, waren Zuhause nicht alle Räume geheizt. Der Fußweg zur Schule dauerte etwa eine halbe Stunde. Im Herbst war es oft regnerisch und windig, im Winter der Fußweg verschneit und morgens bitter kalt. Er musste die Bekleidung von seinem älteren Bruder nachtragen, nicht alle Kleidungsstücke passten gut.

Meinerseits kann ich zwei Jahrzehnte weiter zurückschauen, in die 50er und 60er Jahre. Im Bergbauernhaus gab es einen beheizten Raum, dies war die große Küche. Der Holzherd wurde jeden Morgen neu eingeheizt, patzte man beim Feuer machen verzögerte sich die Erwärmung der Küche. Dort stand in einer Ecke die Waschschüssel für die Morgenwäsche. Unser Kinderschlafzimmer konnte nicht beheizt werden, auf den Zimmerfenstern bildete sich im Winter eine Eisschicht mit Eisblumen. Hauchten wir die Fensterscheibe an, konnten wir einen engen Blick in das Tal machen. Beim zu Bett gehen diente uns ein Schamotteziegel, welcher im Backrohr erwärmt und dann in ein ausrangiertes Flanellhemden eingewickelt wurde, als Wärmeflasche. Während der Lehrzeit erwärmte ich in der Mittagsstunde meine Füße und Hände, in den Wintermonaten, an der warmen Luft welche aus den Kanalgittern aufstieg. Zuflucht suchte ich teilweise im beheizten Warteraum vom Spittaler Bahnhof, den ich mit Unterstandslosen und einigen Alkoholikern über die Mittagszeit teilte. Dort verzehrte ich meine Jausenbrote, selbstgebackenes Schwarzbrot, bestrichen mit Butter und belegt mit Käse und Speck.

seniorchefin

Die gebückte, ältere Frau, welche über die Stufen aus dem Lager kam und der Floristin mitteilte, dass sie die leeren Kartons entsorgt habe, erinnerte mich an die Seniorchefin in meinem Ausbildungsbetrieb zum Buchhändler. In der Bahnhofstraße in Spittal / Drau absolvierte ich in einer alteingesessenen Buchhandlung meine Ausbildung. Ums Eck befand sich das Wohnhaus des Chefs und dort lebte auch die Seniorchefin. Der Chef hatte im Magazin, hinter einer Regalwand seinen Büroplatz. Dies war ein Schreibtisch mit einem Aufsatz, wo diverse Firmendrucksorten und Bestellkarten von verschiedenen Lieferanten steckten. Neben dem Schreibtisch türmte sich am Boden ein Stapel von Buchkatalogen und -Prospekten der Neuerscheinungen diverser Verlage. Am Schreibtisch gab es einen Stempelhalter mit dem diversen Firmenstempel, eine Schale für die Bleistifte, Büroklammern und den Anfeuchter für Briefmarken. Auf der linken Seite stand eine Kofferschreibmaschine. Zumeist saß der Chef versunken in seinem Stuhl, verarbeitete die Lieferscheine zu Rechnungen, füllte Bestellkarten aus oder blätterte in den Bücherprospekten mit den Neuerscheinungen. Im Regalschrank hinter ihm befanden sich die notwendigen Ordner für die Buchhaltung.

Zweimal die Woche, um halb zehn Uhr Vormittag, kam die zierliche Seniorchefin durch die hintere Eingangstür in das Magazin. Sie machte sich beim Altpapier, welches unter der massiven Schneidemaschine aufbewahrt wurde, zu schaffen. In den 60er Jahren wurden die Lieferungen von Büchern, Schreibgeräten, Formularbücher und Schulartikel in Schachteln geliefert und diese waren mit Packpapier umwickelt und mit Spagat verschnürt. Das Packpapier wurde von uns geglättet und im Verkauf zum Einpacken verwendet. Auch der Bindfaden wurde weiterverwendet. Die Seniorchefin stellte uns die Frage: „Ist Harry hier“? War der Chef anwesend setzte sie sich bei seinem Büroplatz auf einen wackeligen Sessel und schaute Harry bei der Arbeit zu. Manchmal unterbrach sie seine Arbeit mit den Worten: „Harry was machst du jetzt oder Harry warum machst du dies so“?

machtinstrument

Das überbordende Warenangebot ist ein Machtinstrument für die Kunden. Die Zeit der Mangelwirtschaft ist lange vorbei, die Ansprüche der Käufer werden immer größer. Würde man Kunden, Händler und Lieferanten auf verschiedene Stufen stellen, dann kommen die Lieferanten auf die unterste Stufe, die Händler auf die Mittlere und die Kunden auf die oberste Stufe. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man findet was gewünscht wird. Umgekehrt ärgert man sich darüber, dass es eine so große Auswahl an Shops und Auswahl an Waren in den Einkaufszentren gibt. Zusätzlich kommt dazu das Angebot im Internet. Bei der Fülle an Artikel rätselt man darüber, was das Passende sein könnte.

Im Blumenladen wünschte sich ein Herr im eleganten, winterlichen Anzug und Krawatte für seine Gattin, zum heutigen Hochzeitstag, einen Blumenstrauß. Kein Arrangement, er wählte Blumen in den Farben orange, rot und lila und dazu ein passendes Grünzeug. Beim Zahlen fragte er die Floristin, ob er die Blumen umtauschen könnte, wenn der Gattin eine Sorte oder Farbe nicht gefällt? Die Verkäuferin, einiges an Wünschen gewöhnt, war im ersten Moment sprachlos. Einen Blumenstrauß umzutauschen, dies habe sie in ihrer zwanzigjährigen Praxis nicht erlebt. Eigentlich müsste sie die Chefin fragen, aber ihre Erfahrung schließt dies aus. Sarkastisch hat die Verkäuferin reagiert und den Herrn darauf aufmerksam gemacht, der Umtausch der Blumen sei nur mit Kassenbon möglich. Wird der Herr, wenn der Blumenstrauß zu welken beginnt wiederkommen und sagen: „Der Frau gefallen die Farben der Blumen nicht“? Er hat die Rechnung eingesteckt und das Blumengeschäft verlassen. Sprachlos stand ich in der Nähe der Verkäuferin. Der Wunsch des Kunden überraschte mich als langgedienten Kaufmann. Bereits in meiner Zeit als aktiver Buchhändler haben die Kunden zu Recht ihre Ansprüche vertreten, etwas ähnliches habe ich nicht erlebt. Dies wäre dem Wunsch gleichgekommen ein Buch umzutauschen, wenn es beim Lesen nicht gefällt.

blumenstrauß

In einem Blumengeschäft in der Feldkirchner Innenstadt habe ich nach einem Blumenstrauß zum Geburtstag der Lebensgefährtin gesucht. Ein Blumenstrauß zum Geburtstag scheint aus der Mode gekommen zu sein, ähnlich wie ich etwas aus der Mode gekommen bin. Das meiste Angebot gab es bei vorgefertigten, kleinen und größeren Blumenarrangements. In diesen Arrangements steckt sehr viel Kreativität was die Utensilien, welche eingebettet werden, betrifft. Für mich hat es den Anschein, wie beim Verkaufsgespräch von einem Smartphon, wenn der Verkäufer die vielen Funktionen erklärt und zum Schluss sagt: „Telefonieren können sie mit dem Smartphon auch.“ Ähnlich scheint es bei den Blumenarrangements ob der vielen Dekorartikel zu sein, Blumen sind auch dabei. Könnte die Floristin durch die künstliche Intelligenz ersetzt werden? Die KI könnte sich damit brüsten ein Blumengesteck kreativer zu gestalten als die Floristin, was die Vorschläge betrifft? Eine Probe auf das Exempel wäre interessant. Meine Experimente mit KI zeigten, dass sich Chatbot durch keine Frage in Verlegenheit bringen lässt. Weiß sich Chatbot nicht zuständig, dann kommt erst einmal eine Entschuldigung oder es gibt den Hinweis, dass man mit dieser Frage bei einem Fachmann, Lehrer oder Arzt besser aufgehoben sei. Bis jetzt habe ich die KI nur einmal verlegen erlebt, als es um die Frage ging, ob KI-Emotionen haben. Nein, Emotionen kennen sie nicht, sie sind ein auf Logarithmen geführtes Programm. Chatbot bedauerte, dass es zu keinen Emotionen fähig ist.

Eine Gefahr für den Arbeitsplatz in Österreich lauert im Import von arrangierten Blumengestecken. Im benachbarten Ausland, im fernen Osten oder im transatlantischen Süden ist die Arbeitszeit länger und die Entlohnung niedriger.

sängerknaben II

Mein Beitrag zu, “wo kommt dieses viele Geld her war”, dass in der Coronazeit sehr viel an Förderungen und Beihilfen ausbezahlt wurde, wo ich mich heute frage wie dieses Geld erwirtschaftet werden wird. Schade, dass man dabei ein internationales Aushängeschild, die Wiener Sänger Knaben, übersehen hat. Die Wahrheit von Nachrichten in den Zeitungen ist eine Grenzerfahrung. Wie gut wird eine Meldung, welche von einer Presseagentur versendet wurde, nachkontrolliert? Wer hat die Unterscheidung getroffen ob dies die Reklameaussendung einer Firma, die Presseaussendung eines Generalsekretärs einer politischen Partei oder NGO Organisation war. Ist es die Meinung eines Redakteurs oder handelt es sich um eine selbst erfahrene Begebenheit. Meine Geschichten erzähle ich so, wie ich es erlebt habe.

Im Internat in Tanzenberg war ein Mitschüler bis zu seinem Stimmbruch im Chor der Wiener Sängerknaben. Klassenkameraden mit einer schönen Stimme fanden Aufnahme im Knabenchor des Marianums. Unverständlich war einigen Mitschülern, dass ich nicht so vortrefflich singen konnte wie sie. Als Ausgleich habe ich interessante Aufsätze geschrieben, diese durfte ich des Öfteren vorlesen. Ein geflügeltes Wort, der liebe Gott hat jedes seiner Schäfchen mit anderen Talenten ausgestattet.

Wegen meinem Dialekt fragte mich die erregte Wiener Dame ob ich aus Kärnten komme und von wo? Ich nannte Villach als jetzigen Wohnort. Sie schwärmte mir vor, dass sie und ihr Freundeskreis seit Jahrzehnten das Adventsingen mit dem Grenzlandchor Arnoldstein im Wiener Musikvereinssaal besuchen. Dieses Konzert möchte sie in keinem Advent missen. Die Eintrittskarten dafür werden im August gekauft, da der Saal schnell ausverkauft ist. Ich erinnerte mich, dass der Grenzlandchor viele Jahre bei Heinz Conrads in seinen Radio- und Fernsehsendungen aufgetreten ist. Heinz Conrad ist mir seit der Kindheit aus dem Radio ein Begriff. Das bescheidene Vergnügen von der Mutter am Bauernhof war, am Sonntagvormittag das Radio aufzudrehen. Neben der Zubereitung des Schweinsbraten horchte sie die Sonntagsmorgensendung mit Heinz Conrad: „Was gibt es Neues, die klingende, singende Wochenplauderei“.