mensch:lich

Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung wird von Internetplattformen wie Facebook geschickt ausgenützt. Der Wunsch nach vielen Likes führt zu einem digitalen Suchtverhalten, nur wenige können sich dem entziehen. Unisono werden alle Posts von den Erfindern der Datenkracke dazu benützt, um unsere Daten für Werbezwecke weiterzugeben. Damit werden die Social Media zu einem profitablen Geschäft. Der Mensch sehnt sich nach sozialer Resonanz, nur im Netz hat dafür niemand Zeit. Die meisten Benützer sind der Meinung, je mehr Freunde sie haben und je mehr Likes sie verteilen, umso größer ist ihr soziales Netzwerk. Ein Irrtum des Facebook Zeitalters. In Wirklichkeit teilt man seine Zeit mit einer immer größeren Anzahl, zum Großteil unbekannten Freunden. Die Zeit für eine reale Beziehung fehlt, manche ziehen sich aus dem irdischen Beziehungsgeflecht total zurück. Passt mir die Nase eines Facebook Freundes nicht, so kann ich mit einem Mausklick die Freundschaft löschen und eine neue Freundschaftsanfrage versenden. Wir verkommen zu sozialen Beziehungsshopper.

Auf diese gesellschaftliche Veränderung könnte die christliche Seelsorge mit  persönlichen Gesprächen mit den Menschen antworten. Nicht mit der Ausweitung der Präsenz im Internet. Angesichts des Pfarrermangels ist dies ein frommer Wunsch. In der Krankenpflege und in Altersheimen werden versuchsweise Pflegeroboter mit künstlicher Intelligenz eingesetzt.

Im Vortrag wurde ein Vergleich zur Einführung der Elektrizität hergestellt. Diese technische Neuerung hat den Tagesablauf und die Arbeitsverhältnisse von breiten Bevölkerungsschichten verändert. Plötzlich waren Dinge bei Dunkelheit und in der Nacht möglich, die vorher unmöglich waren.

himm:lisch

So können sich Besucher den Himmel vorstellen, nachdem sie im weitläufigen Stift Kremsmünster die prunkvolle Bibliothek, die Museumsräume und den Kaisersaal besichtigt haben. Im Kaisersaal, mit seinen reichen Stuckaturen und dem Deckenfresko, werden Konzerte und Vorträge abgehalten. Die Prognosen bei der Sommerakademie in Kremsmünster mit dem Thema Gott und das Smartphone waren differenziert. Der Titel ist nicht ganz korrekt, er ist von mir frei gewählt. Offiziell hieß das Tagungsmotto: „Gott und die digitale Revolution“. Für mich ist das Smartphone das sichtbarste Produkt der digitalen Revolution. Es ist von allen digitalen Geräten am meisten verbreitet und bietet für seine Größe ein breites Spektrum an Anwendungen. Zudem begleitet es den Menschen vierundzwanzig Stunden lang: Auf die Toilette, beim Mittagessen, bei der Reparatur eines Schiebefenster, beim Autofahren und beim Einschlafen.

Am Freitagvormittag wurde von einer Referentin ein weiteres Mal auf die wesentlichen Gefahren des Internets hingewiesen. Obwohl der Siegeszug des PC in den neunziger Jahren begann und sich das Internet ab dem Jahr Zweitausend immer schneller und inzwischen flächendeckend auf der Welt ausgebreitet hat, fragt man erst jetzt, was machen die neuen Medien mit uns? Wie verändert sich unser Sozialleben und welche Absichten haben die großen Internetkonzerne? Lange glaubte man, dass die Möglichkeit Meinungen online im Internet zu veröffentlichen, das Leben gerechter machen wird. Jeder ist sein eigener Autor, man ist in der digitalen Welt Sender, wie auch Empfänger. Die Menschen werden dadurch mehr Freiheiten erlangen, wie es euphorisch bei Beginn des  Arabischen Frühling gepostet wurde. Heute muss man eingestehen, dass autoritäre Staaten die neuen Medien für ihre Interessen besser nützen, als die breite Masse. Beispiele dafür sind China, Sowjetunion oder Thailand.

Zum Kloster gehört eine Sternwarte, ein siebenstöckiger, mathematischer Bau aus dem 17. Jahrhundert. Wollten die Mönche durch astronomische Beobachtungen dem Himmel näherkommen? Die Erkenntnisse als Argument für Gottes schöpferischen Plan nützen?

Saturn

piran: II

Als ich am Hafenkai ankomme unterhalten sich die Menschen unaufgeregt. Von ihnen erfahre ich, dass in den letzten Jahren Kreuzfahrtschiffe vor Piran ihre Anker werfen und die Passagiere mit Tenderbooten an Land gebracht werden. Piran wurde als venezianisches Kleinod für den Tourismus entdeckt, seitdem tummeln sich in den schmalen Gässchen japanische, russische und finnische Reisegruppen. Die Fischrestaurants platzen aus allen Nähten, wenn sich mehrere Touristengruppen für ein Mittagessen angemeldet haben.

Der neue Reiseboom sind Kreuzfahrten. Durch die Größe der Passagierschiffe, dreitausend bis sechstausend Personen haben Platz, sind die Reisen preislich erschwinglich. Der Vorteil gegenüber Busreisen ist, das Zimmer fährt immer mit. Es ist nicht notwendig bei einer Rundreise mehrmals das Hotel zu wechseln. Den reisefreudigen Senioren bleiben dabei die Strapazen, wie bei einer Busreise, die Koffer mehrmals aus- und einzupacken, erspart. Da die großen Destinationen abgefahren sind, werden jetzt kleine Küstenorte, die malerisch gelegen und historisch interessant sind, von den großen Kreuzfahrtschiffen angefahren. Wenn die Tiefe des Hafenbecken für einen Schiffsriesen nicht reicht und die Infrastruktur fehlt, so wird am offenen Meer geankert. Die Passagiere werden mit Tender Booten an Land gebracht.

piran: l

Laute kratzende Geräusche, wie sie morgens an der Uferpromenade von Piran ansonsten nicht zu hören sind, wecken mich um sechs Uhr. Immer wieder, als würde eine Baggerschaufel an einem Felsen schaben. Von der Loggia blicke ich in Richtung Piran und werde von großer Unruhe gepackt. In der Nähe der Hafeneinfahrt erblicke ich ein großes Kreuzfahrtschiff. An Bord dieses Schiffes sind mehr Passagiere als Piran Einwohner hat. Die St. Georgskirche mit dem Turm, das Wahrzeichen des Küstenstädtchen, hätte im Schiffsbauch Platz. Die kratzenden Geräusche wiederholen sich, als würde der Kapitän versuchen ein auf Grund gelaufenes Schiff wieder flottzukriegen. Dieses Manöver wird noch zwei bis dreimal wiederholt, dann herrscht Stille. Nichts bewegt sich. Bei mir entsteht der Verdacht, da ich einige Reisen mit einem ähnlichen Kreuzfahrtschiff gemacht habe, dass dieses den Hafen von Triest verfehlt hat und vor Piran gestrandet ist. Dem Schiff nähern sich keinerlei offizielle Boote, telefoniert der Kapitän mit seiner Reederei? Beichtet er sein Missgeschick und wartet auf deren Anweisungen?

Unausgeschlafen würde ich das Kreuzfahrtschiff vor Piran für eine Fata Morgana halten. Der Hafen der idyllische Kleinstadt ist für den Luxusliner drei Nummern zu groß. Gleiches Erstaunen würde bei mir ein Buckelwal am Strand oder ein Ufo auf dem Tartiniplatz auslösen. An der Promenade herrscht gespannte Ruhe. Wer von den Einwohnern wird sich dem Schiff als Erster nähern oder kommt das erste Lebenszeichen vom gestrandeten Schiff? Über die Landung Außerirdischer wird erzählt, man wartet gespannt bis sich die Klappe öffnet. Mit welchem Signal gehen die Gestrandeten auf die Bevölkerung zu? Kommen sie in friedlicher oder feindlicher Absicht und wen bestimmt die Kommune zum Botschafter, um mit den Ankömmlingen zu verhandeln? Den Bürgermeister, ein Afrikaner?

franz:michael:felder II

Nach der Pflichtschule möchte Franz Michael Felder studieren, erfüllt aber den Wunsch seiner Mutter und bewirtschaftet den Bauernhof. Das Bedürfnis zu lesen bleibt bestehen und er bestellt sich Bücher von einer Bregenzer Buchhandlung. Dort, wird ihm erzählt, gibt es Regale vom Boden bis zur Decke, die alle mit Büchern gefüllt sind. In den Wintermonaten verdiente er sich, beim Dachschindeln fertigen, ein paar Kreuzer dazu. Dieser Nebenerwerb erlaubte es ihm aus Leipzig die Gartenlaube, eine Wochenzeitschrift, zu bestellen. Nach dem Kirchgang versammelten sich die Dorfbewohner in seiner Bauernstube, so viele darin Platz haben, um von ihm die neuesten Nachrichten zu hören. Jeder will einmal selbst die Bilder in der Gartenlaube betrachten.

Auf der Adressschleife sieht F. M. Felder seinen Namen zum ersten Mal in gedruckter Form, davon ist er ganz fasziniert. Als ich meine Kurzgeschichte Die Brille, sowie meinen Namen in der Volkszeitung abgedruckt sah, war ich tief berührt. Felder stellte in Frage, ob das Leben in immer denselben Bahnen verlaufen muss, ob es nicht bessere Möglichkeiten gibt? In seinen Aufsätzen, die er an die Redaktion der Gartenlaube schickte, formulierte er neue Lösungsansätze. Wege, außerhalb der gottgewollten Ordnung, wie es der Pfarrer von der Kanzel predigte. Mühselig versuchte er im Bregenzerwald Geistesverwandte zu finden, mit denen er sich austauschen kann. Für die meisten Dorfbewohner bleibt er ein Sonderling.

Bei mir war es der Roman von Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns und Berichte im Der Spiegel, die aufklärerisch wirkten. Darin wurden die bürgerliche Ordnung und die katholische Lehre hinterfragt. Ist alles, wie es sonntags von den Pfarrern gepredigt wird, auch so von Gott gewollt?  Wird damit eine Hierarchie unterstützt, die den Wohlhabenden ihren Wohlstand sichert?

Kirchgang