VER:laufen III

Hat man sich in einer Stadt verlaufen, dann kann die Neuorientierung sehr mühselig werden. Auch bei alltäglichen Dingen kann man sich verlaufen, wie beim Konsum von Nachrichtensendungen. Wo ist die Zeit, da im Radio nur dreimal pro Tag Nachrichten gesendet wurden, einmal um acht Uhr Früh, um zwölf Uhr Mittag und um zwanzig Uhr am Abend. Heute gibt es stündlich Nachrichten, bei den meisten halbstündlichen Kurznachrichten. Dazu kommen Radiojournale in Stundenlänge. Ähnlich hat es sich beim Fernsehen entwickelt. In Österreich war einst die „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr ein Pflichttermin. Zu dieser Uhrzeit hat ein Großteil der Erwachsenen vor dem Fernseher Platz genommen und die Einnahme des Nachtmahl wurde nach diesem Termin ausgerichtet. Aus heutiger Sicht muss man anmerken, dass wir  beim Verlesen der Nachrichten getäuscht wurden. Wir  haben angenommen, dass die Politiker, Wissenschaftler oder Fachleute, im Fernsehen die ganze Wahrheit sagen. In den fünfziger und sechziger Jahren haben die Reporter keine kritischen Fragen an die Politiker und Fachleute gestellt, wir waren zum Glauben verurteilt.

Heute gibt es sogenannte Nachrichtensender die rund um die Uhr Nachrichten, Bilder und Fotos, aus allen Teilen der Welt senden. Man kommt, verfügt man über sehr viel Zeit, sei es Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Pension, leicht in den Sog dieser Bilder. Stimulierend ist dabei, werden Nachrichten aus Katastrophengebieten und von Katastropheneinsätzen gesendet, wenn man feststellen kann, dass Andere schlechter dran sind,  als man selbst. So zieht man sich nicht aus dem Sumpf, so werden die eigenen Aktivitäten durch die Bilderflut abgewürgt. Eine Erweiterung der Bilderflut sind die Wetterkameras mit den Panoramabildern aus den Tourismusgebieten.

Eine Pensionistin ist täglich um zehn Uhr Vormittag in das Geschäft gekommen, hat die Bildzeitung gekauft und dabei erzählt was sie im Wetterpanorama gesehen hat. Sie hat von mindestens zehn Regionen gewusst, welches Wetter dort herrscht.

Wetterwarte.

VER:laufen II

Eine besondere Erfahrung beim Gehen macht man in der Lagunenstadt Venedig, wo man neben der Benützung der Vaporetto auf dem Canale Grande, sehr viel zu Fuß unterwegs ist. Nach den sogenannten Ameisenstraßen, wo sich die Fülle der Besucher durchschlängelt, kann man sich leicht orientieren. Sie führen verlässlich zu den Sehenswürdigkeiten wie Markusplatz, Rialtobrücke, Guggenheimmuseum oder Palazzo Grassi. Besteht die Absicht ein unbekanntes Stadtviertel zu erforschen wie, Cannaregio oder Castello, dann steckt die Tücke bei der Besichtigung im Detail. In den schmalen und verwinkelten Gassen, die oft nur körperbreit sind, kann man sich schnell verlaufen. Viele Gassen sind nicht beschriftet, die Häuser haben eine Hausnummer. Die Gassen machen oft einen Hacken und plötzlich geht es nicht mehr weiter oder sie enden an einem Kanal, aber es gibt keine Brücke. Sie  sind meist dann nicht vorhanden, wenn man dringend eine sucht. In dieser Situation hilft auch kein Stadtplan, weil man durch die Winkelzüge die Orientierung verloren hat. In so einem Fall ist es empfehlenswert umzukehren, zurück zu gehen, bis man sich an einem bekannten Ort neu orientieren kann und es noch einmal versuchen. Wie im Märchen, von einem Knaul Wolle den Faden hinter sich abspulen, damit man weis, von wo man gekommen ist.

Labyrinth.

VER:laufen

Heute kommt es selten vor, dass sich jemand mit dem Auto verfährt. Vor Jahren war dies, wenn man im benachbarten Ausland unterwegs war, öfter der Fall, dass man sagte: „Jetzt habe ich mich verfahren“. Meistens wollte man abseits der großen Durchzugsstraße ein Kleinod besichtigen oder zu einem landestypischen Fest fahren. In der Nachbarregion Friaul gibt es eine Reihe von unverwechselbaren Festen, wie Lavendelfest, Kartoffelfest, Schinkenfest oder die Vogelmesse in Sacile. Die Vögel werden dort in Käfigen entlang der Straße zur Schau gestellt und zum Verkauf angeboten. Dabei ist der ganze Ort, die Luft, erfüllt von Vogelstimmen. Heute vertrauen die meisten auf ein Navigationsgerät, dem Routenplaner aus dem Internet und wie ich auf eine aktuelle Straßenkarte. Schnell verfahren kann man sich in einer größeren Stadt, kaum in der Innenstadt, vielmehr in der Peripherie, wenn man eine bestimmte Adresse sucht. Der Innenstadtbereich ist gut beschildert. Zurzeit gibt es eine Diskussion über das geeignete Verkehrsmittel im Stadtbereich und dazu den Vorschlag, dass man am Besten die Straßenbahn und die U-Bahn benützt. Die bequeme, schnelle und sichere Fortbewegung mit der U-Bahn habe ich bei meinem letzten Wienbesuch anlässlich einer Fachmesse erlebt. Ich habe darauf geachtet, dass sich die Hotelunterkunft in der Nähe einer U-Bahn-Haltestelle befindet.

Ist man mit dem Auto unterwegs und hat sich verfahren, so kann man sich  damit trösten, dass eine Korrektur ein wenig Zeit kostet aber keine Anstrengung abverlangt. In geringem Umfang gilt dies auch mit dem Fahrrad, wobei für die Berichtigung schon körperliche Anstrengung und auch der Zeitfaktor größer ist. Unangenehm kann es sein,  wenn man in der Stadt zu Fuß unterwegs ist und feststellt, dass man sich verlaufen hat. Plötzlich findet man sich in einer falschen Richtung wieder und es kann körperlich schmerzen, wenn man wegen einem Irrtum zurücklaufen muss. Die Situation kann sich verschlimmern, wenn man einen Termin einhalten soll. Dabei kann es in den Städten im Sommer unerträglich heiß und im Winter kann oft ein  eisiger Wind wehen. Verschlimmert wird diese Situation, wenn einem der Begleiter die Schuld an den Verirrungen zuschiebt. Hitze und Kälte nicht verträgt und schlecht zu Fuß unterwegs ist. In solchen Fällen versucht man mit falschen Versprechungen wie, „es dauert nicht mehr lange und wir sind am richtigen Ort“, den anderen bei Laune zu halten. Dies kann nicht immer verhindern, dass die gute Laune in Aggression umschlägt.

Fußfetzen.

GE:meinsam II

Es heißt, dass es gemeinsam und wie es zwischenmenschlich genannt wird, dass es zu zweit leichter geht. Ebenso, dass Erlebnisse zu zweit schöner sind. Dazu zählt man gerne den Besuch von einem Konzert, einem Film oder einer Ausstellung. Es gibt  auch Besuche profaner Natur, wie ein Käsefestival und ein Honigfest. Zu zweit kann man sich ganz spontan über das Gesehene unterhalten, sich gegenseitig auf verschiedene Details aufmerksam machen. Es kann aber auch störend sein, wenn man in seinen Beobachtungen oder in seinen Schlussfolgerungen, unterbrochen wird. Durch eine banale Frage ein Stein in das Fantasiegebäude geworfen wird und dies dann einsturzgefährdet ist. Einen höheren Stellenwert nimmt die Zweisamkeit beim Verreisen ein. Nach dem Besuch einer Ausstellung oder eines Filmes ist es noch möglich dem Nächsten vieles zu berichten, weil die Eindrücke beschränkt sind.  Anders ist die Situation bei einer Städtereise, die über mehrere Tage geht.  Bei so vielen und verschiedenen Eindrücken ist es schwierig, alle Sinneseindrücke zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuerzählen.

Es gibt auch Gemeinsamkeiten, auf die man lieber verzichten möchte. Es hat sich erwiesen, dass erkrankt ein Partner an einer Erkältung es unvermeidlich ist, dass der andere Partner auch angesteckt wird. Dann ist die Gemeinsamkeit nicht mehr wünschenswert, weil gemeinsam an einer Erkältung zu leiden, eine doppelte Belastung ist. Wenn möglich versucht man, sobald es die Krankheit erlaubt, der Gemeinsamkeit zu entfliehen.

Doppelte Freude.

GE:meinsam

Vieles, sagt man, geht bei der Arbeit gemeinsam leichter. Manche Aufgaben, wie das Auspacken und Einräumen von Waren geht schneller, wenn man sich dabei gegenseitig unterstützt. Manches ist auch körperlich leichter, wie das Zustellen von Paketen, wenn die Stückzahl aufgeteilt wird. Am Besten funktioniert die Zusammenarbeit, wenn die Leute dasselbe Niveau haben, sodass jeder vieles eigenständig erledigen kann. Das heißt, dass die Arbeit ohne Kommandos erledigt wird. Schwieriger ist es, wenn nicht derselbe Wissenstand vorhanden ist, das bedeutet, dass man seinen Mitarbeiter vieles erklären muss.

Von der Arbeiterkammer und dem Arbeitsmarktservice wird beklagt, dass in den Unternehmen zu wenige Lehrlinge beschäftigt werden. Eine der Ursachen dürfte darin liegen, dass sich viele Betriebe scheuen einen Lehrling aufzunehmen, weil trotz moderner Aufnahmeverfahren gehört auch etwas Glück dazu, einen passenden Lehrling zu finden. Zu den wichtigsten Voraussetzungen gehört, dass der Lehrling Interesse an der Arbeit zeigt und dass sich jemand im Betrieb um den Lehrling kümmert. Diese Grundvoraussetzungen kann kein raffiniertes Auswahlverfahren ersetzten. Es genügt nicht, dass der Lehrling bei den verschiedenen Arbeitsabläufen zusieht, vieles muss mehrmals erklärt werden. Dies wird in der ersten Zeit den Ablauf der Arbeit eher behindern als beschleunigen. Dazu braucht es vom Ausbildner einige Geduld und nicht jeder Lehrling schätzt dies. Manche empfinden die Zeit in einer Ausbildungsstätte als notwendiges Übel.

Es gibt unterschiedliche Arbeitstypen, es gibt solche die sind es gewohnt allein zu arbeiten, in ihrem Arbeitsrythmus. Dabei ist kein Platz für jemanden zweiten und dritten. Nach meinen Erfahrungen entziehen sich besonders kreative Arbeiten einem gemeinsamen Prozess. Dies muss nicht nur im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich der Fall sein. Dies kann schon auf eine einfache kreative  Arbeit, wie die Gestaltung eines Schaufensters, zutreffen. Oft überraschen kleine Handelsgeschäfte mit originellen Schaufenstern und beleben so die Innenstadt. Viele Handelsketten verzichten auf jedes Schaufenster und begnügen sich damit, dass sie bei allen Filialen dieselben Dekofolien auf die Scheiben kleben. Sie  glauben, dies wäre dekorativ. Die Innenstädte wirken dadurch eintönig und es ist negativ für die Atmosphäre. Daher ersucht die  Stadtverwaltung Schüler von  Modeschulen und Kreativgymnasien, die leerstehenden Schaufenster, Fenster von  Banken und  Versicherungen mit aktuellen Dekoideen zu füllen.

Kreativer Hilfsclub.