Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

letzte:dinge

Zum Siebziger zeichnet sich eine Veränderung ab. Unbeeindruckt von der Lage in Europa sage ich, dass Besitz ein wenig Sicherheit vermittelt. Eine Liegenschaft ist aber mit verschiedenen Verpflichtungen gegenüber den Mietern verbunden, wie Kontrolle der Infrastruktur, Instandhaltung und Sauberkeit. Es ist ein Akt der Vernunft, wenn man mit fortschreitendem Alter sich von Besitz und Aufgaben löst. Dies muss man nicht als einen Verlust sehen, als Akt der Vergänglichkeit. Mit diesem Schritt kann man sich neue Freiheiten erwerben. Vor allem jene, welche mit der neu gewonnenen Freiheit etwas Erfüllendes anfangen können. Anderseits lässt sich, hat man verschiedene soziale Kontakte bewahrt, gut und gern bei einem Glas Bier auf die Auswüchse und Tollheit der modernen Welt blicken. In den letzten drei Jahren wurde noch einmal eines draufgelegt, globale Umstände wie die Klimaerwärmung und die Corona Pandemie und aktuell der Ukraine Krieg können Ängste erwecken Diese Vorkommnisse können einen bis in den Schlaf nachrennen.

Das Beruhigende in meinen späten Jahren ist, dass ich einige meiner Wünsche welche ich für die Pension gehegt habe, Wissen aufzufrischen, zu reisen und große Kulturevents zu besuchen erfüllen konnte. Meine momentane Gefühlslage ist, auf dieser Basis bei meinen Vorlieben weiterzumachen. Ich beschäftige mich auf universitärer Basis mit den sogenannten letzten Dingen, mit der Sterblichkeit, der Seele, dem Jenseits oder wie hilft Beten im täglichen Leben? Etwas von meinen neuen Erkenntnissen folgen auf diesem Blog…

graz:reise II

Auf der Plattform vom Kunsthaus in Graz entsteht mein Originalfoto zum siebzigsten Geburtstag, in mitten einer Schutthalde. Eine Installation von Martin Roth. Von hier gibt es einen schönen Blick auf die Dachlandschaft und zum Grazer Schlossberg. Der Schlossberg war das erste Ausflugsziel, in Ausgehuniform und Wintermantel, Anfang April 1970. An einigen Samstagvormittagen bin ich am Marktgelände vom Kaiser Franz-Josef-Platz gestanden und habe mit einer Blechbüchse für das Rote Kreuz Spenden gesammelt. Mich mit lautem Scheppern der Blechbüchse bei den Vorbeigehenden bemerkbar gemacht. Heute steht hier eine Schwarze und versucht die Straßenzeitung der Obdachlosen zu verkaufen. Nichts geändert hat sich in den Jahrzehnten am Grazer Hauptplatz. Hier versucht eine Ökoinitiative die Menschen mit recht drastischen Bildern und Videovorführung auf die Tierversuche und die Massentierhaltung aufmerksam zu machen. Der bekannteste Treffpunkt für ein Rendezvous ist bei der Weikhard Uhr am Hauptplatz. Im Zeitalter des Smartphones dürfte der Platz etwas an Bedeutung eingebüßt haben. Um neunzehn Uhr treffen wir uns bei der Weikhard Uhr, eine solche Abmachung hatte Bestand über den Zeitraum von einer Woche. Damals gab es keine kurzfristigen Absagen von Rendezvous, wie es heute mit dem Smartphone gang und gebe ist.   

Das Kaufhaus Kastner & Öhler krönt eine Dachterrasse. Einen Cappuccino zu trinken oder einen Toast zu essen wird derzeit zu einer offiziellen Angelegenheit. Den Impfpass zeigen und sich mit dem Handy registrieren. Bei Problemen mit dem Registrieren sind die Kellnerinnen behilflich.

Die Sporgasse, eine schmale und belebte Gasse, führt vom Hauptplatz zum Schlossberg hoch. Am Ende der Gasse befindet sich die Pizzeria Santa Catharina, deren feingewürzte Pizzas sind einen Umweg wert. In der Pizzeria setzen sich am Nebentisch drei Frauen in der Lebensmitte nieder. Eine von ihnen ist ganz außer Atem und meint zu den Freundinnen, mit siebzig Jahren komme ich hier nur noch mit dem Rollator hoch. Seit der Corona Pandemie hat sie weniger Sport betrieben, der innere Schweinehund, die Freundinnen nicken ihr zustimmend zu…

graz:reise

In der Morgendämmerung erwache ich an meinem Geburtstag im Hotel Emmaquelle in Bad Gleichenberg bei Vogelgezwitscher aus einem Traum: „Der Mensch ist ein Fragender, ein Suchender, bis an sein Lebensende.“ Beim Frühstück gibt es für mich eine Geburtstagskerze und Geburtstagswünsche von der Hoteliers Familie Tropper. Die Chefin hat mir geraten beim Ausblasen der Kerze etwas zu wünschen: Ich wünsche der Partnerin einen erholsamen Aufenthalt. Der Siebziger kommt mir nicht bedenklicher vor als der 60er oder 50er. Zum sechzigsten Geburtstag war die Freude groß, ich konnte in Pension gehen und das Papiergeschäft verpachten. Es besteht bis heute. Das Gute am Ruhestand ist, dass ich mir einige besondere Wünsche erfüllen konnte und jetzt auf freiwilliger Basis weitermache.

Mit der S-Bahn fahre ich von Feldbach nach Graz, meine Geburtstagsreise. Der siebzigste Geburtstag klingt ein wenig nach alt. Mit dreißig Jahren habe ich über einen Siebzigjährigen gedacht eine ehrenwerte, zumeist gebrechliche Person. Müde und gezeichnet vom Leben, geschätzt in der Gemeinde oder bei seinem Verein. Als Jugendlicher war ich diesen Personen gegenüber bei allem behilflich. Gerade Gleisdorf bei Graz passiert. Bis hierher bin ich während der Bundesheerzeit vor fünfzig Jahren beim Fahrschulunterricht mit dem LKW gefahren. Davor war ich noch nie am Steuer von einem Auto gesessen und jetzan absolvierte ich mit einem LKW meine Fahrstunden. Während der ersten Fahrstunden beschränkte ich mich auf das Lenken, Bremsen und Gas geben. Das Kuppeln und Schalten erledigte zu Anfang der Fahrlehrer. In den siebziger Jahren war das Getriebe bei den Lkws nicht synchronisiert, das bedeutete beim Schalten Zwischengas zu geben. Dieser Vorgang ist bei den heutigen Lkw und Pkw völlig unbekannt. Auf dem Jakobminiplatz trafen der Pkw- und Lkw-Verkehr auf die Straßenbahnlinien. Von allen Seiten staute sich der Verkehr, alle wollten den Platz überqueren, einzig geleitet von der Rechtsregel.

Welche Hoffnungen hatte ich damals als Zwanzigjähriger? Im journalistischen Bereich, im Buchhandel oder in der Werbung tätig zu werden. Nicht erwartet habe ich einmal selbstständiger Buchhändler in Arnoldstein zu sein. Den Ort habe ich nur aus dem Heimatkundeunterricht gekannt. In meiner vierzigjährigen Zeit als Kaufmann und kultureller Impulsgeber habe ich manches in der Gemeinde mitgestaltet, im besten Sinne umgestaltet…  

sechs:personen

Zu Beginn des siebenten Lebensjahrzent stelle ich mir die Frage ob Menschen, welchen ich vor Jahrzehnten begegnet bin noch leben, was diese Personen heute machen? Dabei können es Personen sein welche mich in meiner Entwicklung geprägt haben oder von denen ich beeindruckt war. Zumeist denken wir dabei an die Eltern, an Lehrer und Lehrerinnen, eventuell an Erzieher und Arbeitgeber. Bei dieser Suche will ich mich spontanerweise auf sechs Personen beschränken, wobei ich hier bewusst Eltern und Lebenspartner weglassen möchte.

Mir fällt sofort meine Volksschullehrerin in der 2. Klasse in St. Paul ob Ferndorf ein. Als Schüler habe ich sie bildhübsch empfunden und sie hat uns begeistern können. Mit Freude haben wir bei ihr Lesen, Rechnen und Heimatkunde gelernt. Aufmerksam haben wir ihren Geschichten und Sagen von Heiligenblut und dem Großglockner gelauscht. Dazu hat sie uns Dias von der grandiosen Bergwelt gezeigt. Von der Volksschule Heiligenblut ist Frau Eberharter nach St. Paul versetzt worden. In diesem Frühjahr ist sie sehr betagt verstorben. Eine weitere Lehrerpersönlichkeit war der Deutschprofessor Schinner, im Gymnasium Tanzenberg. Meine Aufsätze durfte ich des Öfteren den Klassenkameraden vorlesen. Dort unterrichte auch der Lateinprofessor Braunegger. Er hat uns spannende Geschichten von den Pharaonen, den Griechen und den Römer erzählt, statt lateinische Grammatik zu pauken.

Bei der 20. Jugendkulturwoche in Innsbruck lernte ich die spätere Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek kennen. Für mich als Dorfliterat war sie eine exotische, erotische Frau. Der Theologe Konrad Köll, damals Leiter der Cusanus Akademie in Brixen, war eine herausragende Priesterpersönlichkeit. Schon vor Jahrzehnten hat er sich über den strafenden Gott hinweggesetzt, welcher von den Landpriestern und den Ortspfarrern verkündet wurde. Er hat uns Seminarteilnehmer die Last der Schuld genommen, vom liebenden und barmherzigen Gott gepredigt. Fasziniert hat mich mit seinem Wissen der Historiker August Walzl. Bei einem Interview für das Nachrichtenblatt Arnoldstein und in einer Diskussion hat er seine Kenntnisse zur Kriegs- und Nachkriegszeit des Alpen Adria Raumes ausgebreitet. In späteren Jahren hat es mir an Vorbildern gefehlt, da ich sehr früh in die Selbstständigkeit geraten bin. Für andere, hoffe ich, bin ich zumindest Erinnerungsperson, wenn sie an ihre Schulzeit in Arnoldstein denken.

Der Himmel ist ein sehr großer Mann: Roman von [Peter Zimmermann]

Ein Buchhändler, das Kind, ein Ritter. Das Kind blickt nach vorn, der Buchhändler zurück, der Ritter hat die Zeit überwunden. Peter Zimmermanns neuer Roman handelt von nichts weniger als dem Leben, er führt zusammen, was uns Menschen eint. Ein großer und wunderschöner Roman mit dem Schauplatz Arnoldstein.

literatur:neu

Als literarisches Gütesiegel gilt, wenn ein Text in einem größeren Verlag veröffentlicht wird. Verkaufsfördernd wirkt, findet das Buch seinen Weg in das Feuilleton einer Qualitätszeitung. Kennt man die Zahl der deutschen Buchneuerscheinungen, im Jahre 2019 zirka neunzigtausend, dann kann man darüber nachdenken, wie viel Prozent der Bücher davon besprochen wurden. Anderseits gibt es Literaturzirkel, wo ein Redakteur dem Anderen eine Autorin, einen Autor weiterreicht. Gehört man nicht dazu bleibt man mit seinen Texten draußen vor. Deshalb sind die Herausgeber von Literaturzeitschriften in den Zentren umschwärmt. Literaten aus entlegenen Tälern, die sich dreimal im Jahr in die Hauptstadt verirren, bleiben chancenlos. Reicht es für meine Person in frühen Jahren in diversen Literatur- und Kulturzeitschriften veröffentlicht zu haben? Kann ich damit den Status eines Schriftstellers einnehmen und kann dieser Status auch wieder aberkannt werden? Einige Namen wo ich veröffentlicht habe, Schreibarbeiten, Brücke, Esse, sowie Pult, Sterz und Manuskripte.

Für Schriftsteller, Literaten und Poeten gab es um die Jahrtausendwende eine Zeitenwende durch das Internet. Die neuen Literaturplattformen im Web schafften neue Veröffentlichungsmöglichkeiten. Ich erinnere mich an online-roman und e-stories, dort habe ich Gedichte und Geschichten veröffentlicht. Diese sind heute noch online. Angedacht war eine Interaktion zwischen den Autoren und den Lesern. In den ersten Jahren war dies möglich, aber irgendwann haben die meisten vor der Fülle der Veröffentlichungen kapituliert. Hinzugekommen ist das Selfpublishing von Büchern, wie das Meiste in den letzten Jahrzehnten ein Geschäftsmodell für die Anbieter. Bei diesem rasanten literarischen Wachstum habe ich mich auf meine Blog Schlagloch zurückgezogen. Dort gibt es laut Feedstats täglich ca. 220 Leser. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wurde das Blog vom Literaturarchiv Marbach gescannt und gespeichert, diese Jahre sind weiter abrufbar. Mit dem Internet erreiche ich neue Leserschichten.

In einem Gespräch hat eine Professorin welche sich dafür engagiert, dass die Schüler Bücher lesen erzählt: „Im Lehrplan für die österreichischen Gymnasien ist es nicht mehr vorgeschrieben, dass die Schüler bis zur Matura Bücher lesen sollen oder müssten. Es liegt an der Eigeninitiative der Professoren, wenn sie Bücher als Lesestoff in den Deutschunterricht einbaut.