nutz:tier II

Der Mensch beurteilt alles was ihn umgibt aus dem Blickwinkel, welchen Nutzen es für ihn hat. Egal ob Freude oder Schmerz, wir überlegen uns, welchen Vorteil wir daraus ziehen können.  Im Innersten sind wir Menschen Nutztiere mit höherem Bewusstsein. Jeder trachtet danach, dass Andere, mit denen man in  Kontakt kommt, zum eigenen Vorteil werden. Die Wertschätzung für andere Personen erfolgt meistens aus dem Blickwinkel, welchen Gewinn werde ich vom Gegenüber für mein weiteres Leben haben.

Die Religion ist ein Gewinn für den Menschen, wenn man sie verinnerlicht und es der Seele gutgeht. Eine himmlische Perspektive kann von Nutzen sein, wenn man Sorgen und Ängste hat und sich hier im Leben nicht wohlfühlt. Die Religion ist ein Nutztier auf mythologischer und moralischer Ebene.

Den größten Gewinn erzielen wir aus dem eigenen Verhalten. Wir geben uns hilfsbereit, aber im Grunde sehen wir darin die Hoffnung, dass uns einmal geholfen wird. Wir sagen  wir lieben dich und dahinter steckt der Wunsch nach Anerkennung. So nützt jeder jeden aus. Erwarten wir für unser Leben keinen Gewinn mehr, dann fühlen wir uns nutzlos und werfen das nutzlose Leben weg. 

Nützlich sein. 

nutz:tier

Das Zillerbad in Warmbad-Villach gehörte bis zur Jahrtausendwende zu den  schönsten Freibädern in Kärnten, es wurde mit warmem Thermalwasser gespeist. Umgeben von einem großen Park war es vom Frühsommer bis in den Herbst ein gern besuchter Ort für Familien mit Kindern, aber auch für die Jugendlichen. Man hatte die Auswahl, unter einem der großen schattigen Bäume seine Decke auszubreiten und je nach Bedarf die Liegestühle in die Sonne oder in den Schatten zu stellen. Die jungen Burschen und Mädchen legten sich auf die Holzliegen rund um das Freibecken. Alle wollten etwas sehen und gesehen werden. Heute ist das Eingangstor mit einer Faserplatte verschlossen, das Drehkreuz verschoben und aus dem Betonboden des Schwimmbeckens wachsen Gräser und Sträucher. Die Türen und die Fenster zu den Duschen und Umkleidekabinen sind ausgehängt. Das Bad träumt von einem Entdecker.

In der Nähe weiden auf einer Wiese die Pferde vom nahegelegenen Pferdestall, Reitpferde, keine Nutztiere. Sie bereiten jenen Freude und Trost, welche ein paar Stunden bei ihnen verbringen. Auf der anderen Seite der Bundesstraße weiden Kühe und Schafe. Kühe, die in den Augen der Meisten von uns einen wirtschaftlichen Nutzen bringen. Die Milch wird zu verschiedenen Lebensmittel verarbeitet, dann die Verwertung des Fleisches und aus der Kuhhaut wird Leder gegerbt. Als Menschen „grasen“ wir nicht die Wiesen, sondern die Geschäfte in dem Shoppingcenter ab.

B100

hoch:montafon II

Ein anderes Beispiel für ein langes Berufsleben, man könnte sagen, für eine zweite Berufskarriere ist der örtliche Schneidermeister im Hochmontafon. Manche sagen mit Zufriedenheit, dass sie mit Erreichung des sechzigsten Lebensjahrs seit vierzig Jahren selbstständig waren. Die „neuen alten Selbständigen“ sind oft über sechzig Jahre selbstständig, wo Andere schon lange in Pension sind. Der Schneidermeister sitzt am einzig freien Platz in der Werkstätte über die Nähmaschine gebeugt. Alle Maschinen werden von einem zentralen Motor, mit Keilriemen, betrieben. Was sich wo, unter den vielen Modezeitschriften,  den Zuschnitten und Schnittmuster aus Packpapier verbirgt, weiß nur er. Bis zur Decke sind die Regale mit Stoffen, Schnittmuster, Knöpfen, Schnallen und Bänder angefüllt. Von der Decke hängen zwei halbfertige Blusen und Sakkos auf den Kleiderbügeln. Er erzählt, dass er nicht  wüsste,  wie er zu Hause seine Zeit verbringen soll. Er ist Witwer, da kommt er lieber täglich, auch sonntags,  in seine Werkstätte. Manchmal werfen Touristen einen ungläubigen Blick durch das Fenster und denken dabei  an die Geschichte vom tapferen Schneiderlein. Ich denke an den Avemichlschneider der mir,  für die Sonntage im Internat, einen Kärntner Anzug geschneidert hat.  Die  Kleiderproben fanden nach dem Kirchgang statt. Den Anzug habe ich, trotz der Wachstumsphase in der Kindheit, vier Jahre lang getragen. Jeweils in den großen Schulferien wurde der Anzug zum Erweitern und Verlängern zum Avemichlschneider gebracht. Damals haben die Schneider mit dem Stoff nicht gespart und überall „Reserven“ eingebaut, sodass man mehrmals Erweitern und Verlängern konnte.

Hochwasser.

hoch:montafon

Sowohl  im Handel, wie im Gewerbe begegnet man Menschen die länger als die übliche Berufszeit im Geschäft oder in der Werkstätte bleiben. In einem Tourismusort im Hochmontafon gibt es im Ortszentrum ein Handelsgeschäft mit einer Fassade aus den sechziger Jahren. Auch bei der Ordnung und der Übersichtlichkeit ist es kein Vorzeigeobjekt. Es ist ein Gemischtwarengeschäft der alten Prägung, vor dem Geschäft steht Tag für Tag ein Verkaufsständer mit Besen, Rechen und anderem Werkzeug zum Sauber halten. Manche Artikel, wie Gläser, Geschirr  und Spielwaren liegen bestimmt schon seit zehn Jahren  hinter der Schaufensterscheibe. Im Ort ist das Geschäft eine Institution, die nicht wegzudenken ist. Seit einigen Jahren gibt es am Ortsrand einen neuen Supermarkt, trotzdem kaufen viele Einheimische und Gäste ihre Getränke, Süßigkeiten, Waschmittel, Zigaretten und Zeitungen in diesem Laden. Der erste Ansprechpartner bei  Fleisch, Wurst, Käse, Gemüse und Obst ist der Laden nicht. Der Inhaber gönnt sich erst seit ein paar Jahren eine Mittagspause, er steht knapp vor dem neunzigsten Geburtstag.

Die jungen Alten.

strahle:mann

Wie kann am schnellsten die Psyche und in weiterer Folge das tägliche Leben zerstört werden? Dahin führt ein Weg, wenn man vom Partner aufgefordert wird ein perfekter Mensch zu werden. Korrigiert wird, wenn es darum geht die Stühle auszurichten, den Müll zu trennen und die Küchentüre zu schließen. Auf die Frage nach dem persönlichen Befinden keine Alternativen zugelassen sind und die Antwort lautet: „Es geht mir gut“. An der Aussage, „Alles im Griff zu haben“, gescheitert ist die Jugendrichterin Kirsten Heisig in Berlin. „Ich habe alles im Griff“, war ein Standardsatz von ihr. Sie ist  bei Fernsehdiskussionen für eine bessere Integration und mildere Bestrafung von Jugendlichen eingetreten. Eine Vorzeigefrau wie es die Gesellschaft liebt und dann hat sie Selbstmord verübt. Bei solchen Auswirkungen zeige ich mich als ein Mensch mit Schwächen und Fehlern, kein Strahlemann für Strahlefrau. 

Wie ist es nach dem  Berufsausstieg möglich unterschiedliche Leute kennenzulernen, eine Mischung aus Alt und Jung?  Einen Ort zu finden, wo die unmöglichsten Geschichten erzählt werden, wie diese:  Eine Lehrerin hat in einem Aufsatz das Wort „Hifler“ nicht anerkannt, obwohl es im österreichischen Wörterbuch steht und durch „Stange“ ersetzt. Eine Stange ist kein „Hifler“. 

Heuhifler.