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Geben Essenszeiten dem Dasein einen Sinn ?

Was gibt mir Orientierung für den Tag? Genügen für eine Struktur das Frühstück, Mittagessen und Abendessen? Die Essenszeiten um dem Dasein einen Sinn zu geben? In meinen Ohren klingen die Aussagen von Berufstätigen, dass sie versuchen eine tägliche Mahlzeit mit der Familie einzunehmen. Wobei ich beobachte, dass es die Familie mit einem geordneten Tagesablauf schon lange nicht mehr gibt. Die herrschende Hektik und Hast hat den Tag in winzige Puzzleteile zerrissen. Der Arbeitsbeginn kann davon abhängen, um welche Uhrzeit die Warenanlieferung im Supermarkt erfolgt. Die Verzinkerei hat einen neuen Auftrag von der Fensterfertigung bekommen, der ortsübliche Beginn der Nachmittagsschicht wurde von zwei Uhr auf zwölf Uhr vorverlegt.

Wie sich die Essenszeiten verschieben erlebe ich immer öfter und bekomme es von vielen Rentnern erzählt. Ruft die Autowerkstatt vor neun Uhr an um an den Termin zum Reifenwechsel zu erinnern, reagiere ich ungehalten. Wir sitzen gerade beim Frühstück, der Disponent in der Autowerkstätte sitzt seit sieben Uhr an seinem Arbeitsplatz. So verschieden sind die Lebenswelten. Mit dem Frühstück um neun Uhr sind wir unter den Pensionisten Frühaufsteher. Wer trendig ist und erlaubt es der Alltag, der frühstückt erst zu Mittag. Immer mehr Caféhäuser und sogenannte Frühstücksrestaurant dehnen die Zeiten, um ein Frühstück zu genießen, bis in den späten Nachmittag aus. In der Draustadt liefern sich einige Lokalitäten einen Wettkampf, wo kann man länger frühstücken, bei manchen wird es sechs Uhr abends. Zählt dieses Frühstück noch für den heutigen Tag oder ist es für morgen.

Nachbarn, welche in der Tradition der 70er Jahre aufgewachsen sind klagen darüber, ihnen würde etwas fehlen wird das Frühstück in die Mittagsstunden verlegt. Nach dem alten Muster, haben sie keines mal am Tag ein warmes Menü gegessen, bleiben sie den ganzen Tag über hungrig. Das widerspricht dem modischen Gesundheitsbewusstsein über einen Zeitraum von sechzehn Stunden nichts zu sich zu nehmen. Dies bewirkt, dass schädliche Schlacken aus den Zellen abtransportiert und Fettpolster angeknabbert werden und man so an Gewicht verliert.

sterndeuter

Im letzten Jahrzehnt hatten wir bei Beginn eines Neuen Jahres zumeist das Gespür, dass die Probleme des vergangenen Jahres abgehackt sind. In diesem Jahr gibt es diese Hoffnung nicht. Nach der Corona Welle gibt es eine Grippewelle, mit verschiedenen Broschüren werden wir auf ein mögliches Blackout vorbereitet und die Jugendlichen bezeichnen sich voreilig als „Letzte Generation“. Wie ein dichter Nebel liegt der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine über Mitteleuropa. Die Politiker der EU feuern mit schweren Geschützen, mit Sanktionen und Waffen, in die Nebelsuppe. Niemand kann genau vorhersagen, wo diese Geschoße im Nebelmeer einschlagen und wie sie wirken werden.

In diesen Tagen ziehen die Sternsinger, auch als Friedensbotschafter, von Haus zu Haus: „Friede den Menschen auf Erden, der Wunsch soll Wirklichkeit werden“. Der Evangelist Matthäus erzählt in einfachen Worten von Sterndeutern aus dem Osten, die einem Stern gefolgt sind, um dem König der Juden zu huldigen. Mit der Geburt Jesus hat sich für alle Menschen der Himmel einen Spalt geöffnet, damit wir in Zuversicht leben können.

Ein Taxifahrer machte mich auf dem Weg von Warmbad Villach zum Hauptbahnhof darauf aufmerksam, dass seine Kinder für die voraussichtlichen Schneefälle gerüstet sind. Sie sind abgehärtet, nicht jeden Meter werden sie mit dem Auto gefahren. In seiner Jugendzeit, in den 70er Jahren, waren bei ihm Zuhause nicht alle Räume geheizt. Meinerseits konnte ich zwei Jahrzehnte weiter zurückschauen, in die 50er und 60er Jahre. Im Bergbauernhaus gab es einen beheizten Raum, dies war die große Küche. Der Holzherd wurde jeden Morgen neu eingeheizt, patzte man beim Feuermachen verzögerte sich die Erwärmung. Dort stand in einer Ecke die Waschschüssel für die Morgentoilette. Unser Schlafzimmer konnte nicht beheizt werden, auf den Zimmerfenstern bildeten sich im Winter Eisblumen. Abends diente uns ein Schamotteziegel, welcher im Backrohr erwärmt und dann in ein ausrangiertes Flanellhemden eingewickelt wurde, als Wärmeflasche. Während der Lehrzeit erwärmte ich in den Wintermonaten meine Füße und Hände an der warmen Luft, welche aus dem Kanalschacht aufstieg. Zuflucht suchte ich über die Mittagszeit im beheizten Warteraum vom Spittaler Bahnhof. Den teilte ich mit Unterstandslosen und einigen Alkoholikern. Dort verzehrte ich die selbstgebackenen Schwarzbrote, bestrichen mit Butter und belegt mit Käse und Speck.

jaichwill

Unsere sogenannte neue Zeit bringt neue Berufe wie Eventtechniker und Schadensmanager hervor. Es gibt Manager, welche versuchen die Produktion und den Verkauf anzukurbeln, es gibt den Manager welcher die Behebung von Bauschäden koordiniert. Als Geschädigter muss man keine Vorkehrungen treffen, auf dass Wasserschäden, Glasbruch oder Hagelschäden beseitigt werden. Gefragt sind Schadensmanager, wenn es darum geht einen Versicherungsfall zu beheben. Die Versicherungen vertrauen lieber auf ein Schadensmanagement, als dass erfahrene Handwerker einen Kostenvoranschlag erstellen und die Reparatur ausführen. Die Berechtigung für Schadensbehebung dürfte in Österreich, genauso wie Hausbetreuung, ein freies Gewerbe sein.  Anmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft genügt, es bedarf keiner Ausbildung. Die Parlamentsparteien sind vor Jahren dafür eingetreten alle Prüfungen für das Gewerbe abzuschaffen. Mut und Selbstbewusstsein genügen heute oft für die Eröffnung einer Firma. Die Fehlersuche und Behebung bei einem Wasserschaden, wie es von Schadensfirmen gemacht wird, kostet oft ein Vielfaches, als wenn eine Neuinstallation erfolgt. Zumeist wird ein schadhaftes Teilstück in einem sanierungsbedürftigen Leitungsnetz ersetzt. Damit ist der nächste Rohrbruch vorgegeben.

Mut und Selbstvertrauen, in meinem Fall dazu die Unbekümmertheit der Jugend, waren auch vor Jahrzehnten notwendig zur Firmengründung. Zumeist hatte man ein kleines finanzielles Polster und jonglierte nicht von vornherein mit Krediten. Der Buchhandel war ein konzessioniertes Gewerbe und die gesetzlichen Vorgaben waren um einiges strenger als beim Kleinhandel mit Waren aller Art. Dabei war man vom Wohlwollen der Buchhandelskollegen abhängig, die Handelskammer führte eine Bedarfserhebung durch und die Mitbewerber hatten ein Einspruchsrecht. Eine Stufe höher erfolgte die Zuteilung eines Gewerbescheins für den Verkauf von Raketen und Knallkörper der Klasse II. Dazu bedurfte es eines unbescholtenen Leumundszeugnisses vom örtlichen Gendarmerieposten. Ich erinnere mich genau an die Situation, als ich vom Postenkommandanten in der Amtsstube gefragt wurde, ob es notwendig ist und ob ich wirklich in Arnoldstein Feuerwerkskörper verkaufen will? Meine Antwort war: „Ja ich will!“ 

neuschnee

In der Erinnerung an die frühen Kinderjahre schneite es im Drautal im Dezember immer flächendeckend. Davor war es zumeist einige Wochen kalt. Eines Morgens hieß es von den Erwachsenen, Schnee liegt in der Luft. Ein kräftiger Wind brachte dunkle Wolken über das Goldeck herein in das Drautal, der Schnee breitete sich vom Lurnfeld in das mittlere Drautal aus. Beim Blick aus dem Stubenfenster fiel ein schwaches Licht aus dem Stall in den verschneiten Hof. Der Morgen am Bergbauernhof begann mit den Schneeschaufeln, für einen Steig vom Haus zum Viehstall. Im Hof vorbei am Brunnen, wo das Wasser Tag und Nacht rinnt. Der Brunnentrog ist vereist, am Brunnenrohr hängen Eiszapfen. Das schwache Licht vom Torbogen und ein wenig Licht aus dem Kuhstall genügten, um den Kühen den Weg zum Brunnen zu erleichtern. Jede wollte die Erste am Wasseertrog sein. In der Zwischenzeit konnte das Heu in die Barren verteilt werden. Dabei war zu achten, dass man keiner der zurückkehrenden Kühe bei ihrer ungestümen Art den Hörnern zu nahekam. Als Jugendlicher war ich flink beim Anleinen der Kühe an den Futterbarren. Kaum öffnete ich das Kälberglitsch stürmte das Kalb zur Mutterkuh zum Dudeln. Mehr Geschick verlangte es, das Kalb wieder zurück in das Kälberglitsch zu bringen, die neue Freiheit wollte es genießen. In ihrer wilden Art suchte es bei anderen Kühen Unterschlupf.

Die Freude über den Schnee war bei uns Kindern spontan, wir konnten es damals nicht vom Handy ablesen zu welcher Stunde es schneien wird. Jedes Mal eine Überraschung. In den Volksschuljahren konnte ich mich darauf verlassen, dass die älteren Schüler zuerst durch den Neuschnee strampften und ich hinterher. In der Bibel gibt es öfters die Warnung, wir sollten auf die Wiederkehr Gottes vorbereitet sein, denn niemand weiß die Stunde wann er kommen wird. Das Unverhoffte hat seine Qualität, im Innersten hoffen wir auf etwas Unvorhersehbares, dass unser Leben zum Besseren verändern wird.

schneemangel

Die Freude über den ersten Schnee ist mir bis in das Seniorenalter erhalten geblieben. Den Überraschungseffekt gibt es seit einem Jahrzehnt nicht mehr, die Wetterprognosen werden immer präziser. Bei den Pendlern nistet sich der Gedanke ein, muss ich wegen der schlechten Straßenverhältnisse früher wegfahren und sind die Straßen geräumt? Die blitzblanke Karosserie wird in kurzer Zeit zum Schnee von gestern. Alpträume verursacht die Verkehrsmeldung, dass es zu Verkehrsbehinderungen auf den Autobahnen kommen könnte und es notwendig wird die Schneeketten anzulegen. Für die Bewohner des Hochtales gibt es auf der Fahrt in die Bezirksstadt eine Lawinenwarnung und eine Warnung vor umgestürzten Bäumen. Für den Skilift Betreiber ist die Zeit sich über den Schneefall zu freuen rar. Die Regungen der Freude werden im Gehirn vom Finanziellen überlagert. Dort wird gerechnet, wie viele Skifahrer bringt der erste Schnee auf die Pisten und dem Bergrestaurant an Gästen? Jede Stunde mehr an Schneefall lässt sich in einen wirtschaftlichen Ertrag ummünzen.                                                                                                                                

Zur Mittagszeit trafen wir am 24. Dezember 1971 mit dem VW Käfer in Arnoldstein ein. Auf der Bundesstraße hatten wir im Auto das Gefühl wie durch eine Schlucht zu fahren, rechts und links gesäumt von mannshohen Schneewänden. Mit Mühe haben wir auf dem Gemeindeplatz einen Parkplatz gefunden, wir wollten uns mit dem Verpächter einer Papierhandlung treffen. Der Laden war von der Straße aus nicht sichtbar. Zu Fuß machten wir uns auf die Suche nach dem Geschäftseingang. Ein schmaler Schlurf führte von der Straße zum Anbau an einem Wohnhaus. Der Schnee reichte bis zum Dach. In der Zeitung lese ich nach fünfzig Jahren, dass das Schigebiert Arnoldstein-Dreiländereck seinen Betrieb wegen Schneemangel eingestellt hat.