meer:emotion

Von welchen Empfindungen werde ich erfasst, spaziere ich von der St. Georgskirche, die über den Dächern von Piran thront, den Wanderweg hinunter in die Bucht von Fiesa? Dabei lohnt es sich an verschiedenen Stellen inne zuhalten, zu verweilen. Einen Moment oder eine gefühlte Ewigkeit auf das Ufer mit seinen Felsblöcken zu schauen, auf die Vor- und Rückwärtsbewegungen der Wellen. In Fiesa kommt man dem Meer ganz nahe, es lässt den Wanderer an jeder seiner Regungen teilhaben. Wie viel Entspannung tut einem gut, als Vorbereitung auf das Ewige Leben im Schlagloch der Erinnerungen.

Das Meer drängt nicht zur Eile. Es läuft nicht davon, es rinnt nicht aus, obwohl es dazu die Möglichkeit hätte. Es ist mit der Erde nicht fest verbunden. Anders als die Gräser, die Sträucher und die Bäume, die mit den Wurzeln tief in der Erde verwachsen sind. Das Wasser könnte überall hinfließen und erst recht von einer Kugel müsste das Wasser abtropfen. In einem Strom in den Weltraum abfließen. Schüttet man eine Kanne Wasser auf einem Schotterweg aus, dann bahnt es sich eine Rinne, auf der es abfließt. Wird ein Wasserkübel auf einem Holzboden ausgeleert, dann verschwindet es urplötzlich in einem Spalt, der vormals nicht hier war.

Für das Anhaften des Wassers auf der Erdoberfläche gibt es eine physikalische Erklärung, wir wissen um die Erdanziehungskraft. Wir haben eine physikalische Antwort aber keine Emotionale. Ähnliches erleben wir bei anderen physikalischen oder technischen Fragen. Wir brauchen mehr emotionale Antworten statt nüchterne Physik und Technik. Die Biologie ist dem Emotionalen schon näher. Manchen natürlichen Dingen fühlen wir uns gefühlsmäßig verbunden, ich denke an Feuer und Wasser, den Mond und den Sternen.

Vernunft

literatur:archiv II

Kommt das Nachlassmaterial in die Hände von Archivaren, so sind diese zumeist von der Fülle der Hinterlassenschaft überfordert. Sie sind gezwungen nach besten Wissen und Gewissen, zum Teil auch aus eigenem Gutdünken, sich von verschiedenen Archivalien zu trennen, Kassation. Auch die ausgeschiedenen Papiere werden im Register vermerkt. Während des Nachmittages stellt mein Verstand die Frage, wie schaffe ich die Brücke? Hier diskutieren wir darüber, wie verändert neues Archivmaterial den Blick auf die Vergangenheit, gleichzeitig tobt in anderen Städten der Terror und es passiert ein Mord. Anderswo sind Menschen von Hunger und Jobverlust bedroht, wir diskutieren über die Farbe der Archivschachtel. In Linz befindet sich Österreichs größte Kirche, der Mariendom. Im Ausland, aber auch unter Österreichern sind der Stephansdom und der Salzburgerdom bekannter.

Symptomatisch wie unwirtlich die Zustände in Archiven sein können, war auch das Wetter während der Symposiumstage. Es gab einen Wintereinbruch. Die Berge um Linz, für Kärntner sind es Hügel, waren mit frischem Schnee bedeckt, zwischendurch gab es in der Stadt wildes Schneetreiben. Bei der abendlichen Stadtführung herrschte an der Donau und am Hauptplatz ein eisiger Wind. So sitze ich danach dankbar in der Kaiser Königlichen Hofbäckerei zum Aufwärmen. Meinem Gefühl nach der einzige warme Ort in der Stadt und zudem ein Cafe der alten Wiener Tradition mit einem historischem Ambiente. Zum Cappuccino gönne ich mir ein Stück Linzertorte. Innerhalb weniger Minuten wird die Bedienung, in diesem Altwienerambiente kann man das Fräulein sagen, nach einer kleinformatigen Tageszeitung gefragt. Zu ihrem Bedauern wurde dieses Massenblatt heute nicht zugestellt. Ein Stammkunde  greift nach einer Ersatzzeitung und trennt dort die Sportseite mit dem Bericht über eine Motorradveranstaltung heraus, trotz des Protestes des Fräuleins. Seine Begründung war einfach und genial, er sammelt Fotos von Motorrädern. Seine Motorik war etwas eingeschränkt und dies verschaffte ihm eine gewisse Freiheit, die wir nie in Anspruch nehmen würden. So ungeniert verhalten sich nur Kinder, wenn sie nicht vorher gebändigt wurden, oder sogenannte eingeschränkte Personen, um keine Diskriminierung aufkommen zu lassen.

Provenienz.

literatur:archiv I

Denke ich an das Symposium  „Archive für Literatur. Der Nachlass und seine Ordnungen“ im April  in Linz  zurück, so sind es zuallererst die interessanten, aber teilweise auch aberwitzigen Vorträge und Aussagen. Vor allem die undurchsichtigen, nicht steuerbaren Vorgänge, welche sich in den Archiven abspielen. Dabei war hauptsächlich von den Nachlässen der Schriftsteller­_innen die Rede, teilweise auch vom Staatsarchiv. Wer annimmt, man könnte an Hand der Archivmaterialien die Arbeitsweise eines Schriftsteller nachvollziehen, der übersieht dabei die Struktur der inneren Macht, die inneren Prozesse, die in einem Archiv ablaufen. Es beginnt damit, dass von den Nachlass Verwaltern, den Erben, die vorhandenen Briefe, Urkunden, und Manuskripte  sortiert werden. Dabei werden eventuelle Unterlagen die ein schräges Bild auf den Verstorbenen werfen könnten, schon einmal vorsorglich aussortiert. Zumeist werden diese Unterlagen nicht vernichtet, sondern nur zurückgehalten. Dies erklärt auch das Phänomen, dass Jahrzehnte später plötzlich neue Fakten über Politiker, Schauspieler, Künstler und Literaten auftauchen. Von Anna Freud ist bekannt, dass sie viele Briefe ihres Vaters lange Zeit unterdrückt hat. Dies ist ein Akt des Verbiegens.

Die Schriftsteller befinden sich in guter Gesellschaft, da wir von Johann Wolfgang von Goethe wissen, dass er selbst mit der Archivierung seiner umfangreichen Schriften begonnen hat. Die klassische Archivbox war noch nicht erfunden. Goethe verwahrte Manuskriptseiten, Notizen, Entwürfe und vieles mehr in Papiersäcken auf.

Goethe schreibt am 10. Januar 1798 an Schiller: „Indessen habe ich in diesen farb- und freudlosen Stunden die „Farben“ wieder vorgenommen und um das, was ich bisher getan recht zu übersehen, in meinen Papieren Ordnung gemacht. Ich hatte nämlich von Anfang Acten geführt und dadurch sowohl meine richtigen Schritte, besonders aber alle Versuche, Erfahrung und Einfälle conservirt; nun habe ich diese Volumina auseinandergetrennt, Papiersäcke machen lassen, diese nach einem gewissen Schema rubricirt und alles hineingesteckt.“

Kassation

handy:manie II

An der Festtafel bleiben die gesetzteren Jahrgänge zurück, welche ein Gesprächsthema mehr haben, die Handymanie der Enkelgeneration und wo dies hinführen wird? So verläuft die Unterhaltung nicht beim üblichen Austausch der Familienneuigkeiten, über Geburten und Todesfälle. Es wird spannend, geht es um Nachrichten von weit entfernten Verwandten. Hierbei gibt es manches Mal nur Vermutungen, man hat von diesen schon lange nichts mehr gehört, er oder sie wird doch nicht verstorben sein?

Viele Jugendliche träumen davon, nach dem Abschluss einer Fachhochschule einen Job in der Internetbranche zu finden. Bevorzugte Arbeitgeber wären Microsoft und Google. In der Maturaklasse einer HTL programmierten Schüler eine Handyapp, mit der automatisch, in unregelmäßigen Abständen, an die Großeltern nette Grüße verschickt werden: „Einen schönen Sonntag, einen lustigen Fernsehabend oder wir haben Euch lieb“. Im Stundentakt wird man vom Smartphone aufgefordert die bestehenden Apps zu aktualisieren und neue zu installieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Immer mehr Jungunternehmer glauben, dass gerade ihre App der Menschheit gefehlt hat. Neue Appsvorschläge für Kärnten:  Eine Wetterapp mit nur Schönwetter, erstellt vom Tourismusverband. Eine Apps für Wanderungen, erstellt vom Club der Motorradfahrer. Eine Apps für das Privatradio Antenne Kärnten, erstellt vom Staatsrundfunk ORF. Neuerdings wird das Smartphone zum Fitnesscoach und Taschendoktor. Die Zeitschrift Computerbild veröffentlicht im Web täglich neue Apps für Handys mit Google oder Android Software.

Die Orte, wo das Handy verwendet wird, kennen keine Grenzen mehr. In Konzert- und Kinosälen wird noch darauf hingewiesen, die Handys auszuschalten. Diese Aufforderung bräuchte es auch bei der Sonntagsmesse. In der Stiftskirche Ossiach hat eine Dame mittleren Alters während der Festmesse mehrere SMS beantwortet, gerade so, als würde sie sich das Haar aus der Stirne streichen. Wohl kaum eine Nachricht Gottes, wahrscheinlich war es eine Freundin. Was den Jogger mit dem Handy am Ohr aus der St. Georgskirche am Faakersee hat stürmen lassen, weiß ich nicht. War es ein Anruf Gottes, wahrscheinlicher ist, es war ein Laufkollege. Wie wäre es mit dem Programmieren einer Gottesapp .

Fortschritt

handy:manie I

Von Zukunftsforschern und Kommunikationswissenschaftler wird in den Medien darüber spekuliert, wie das Smartphone unseren Alltag prägt und unser Leben in Zukunft weiter verändern wird. Dabei steht nicht die Handynutzung der Generation Fünfzig + zur Debatte, sondern die der Kinder Fünf +. Wohl aber gibt es darüber bei der Generation Fünfzig + die meisten Diskussionen, aus Sorge um ihre Enkeln und Urenkeln. In welche Handywelt werden die Enkel hineingeboren? Die Befürchtungen sind verwunderlich, wenn man sieht wie viel Spaß die 2 bis 22-jährigen bei der Benützung des Handys haben. Welche Hilfe es ihnen im Alltag bietet: Bei der Suche nach Informationen für das nächste Event, einem Kinofilm oder eine Vorausorder bei McDonalds. Die Großelterngeneration erregt sich lautstark darüber, dass die ständige Präsenz des Smartphone bei den Enkeln gesundheitsschädliche Folgen haben wird. Man sieht die ganze Enkelgeneration als Handy-süchtige in einer Spezialklinik auf Entzug. Ob sie recht behalten werden? Sie müssen feststellen, dass sich der Nachwuchs bei einer Familienfeier, sei es Geburtstag, Taufe oder Hochzeit, wo sich der Großteil der Familie versammelt, kaum mehr mit ihnen unterhalten. Schnell reichen sie den Omas die Hand zur Begrüßung, dabei wird die Frage, was macht die Schule oder wie geht es in der Berufsausbildung, abwesend beantwortet.

Zumeist steigen sie schon mit dem Smartphone in der Hand aus dem Auto und verschicken ein Selfie an die WhatsApp Community vom uncoolen Geburtstagsfest. Findet diese am Ufer vom  Millstättersee statt, sollte auf dieses Bild idealerweise die blühenden  Rosensträucher, welche jetzt im Herbst im Rosarium ein zweites mal blühen. Die aufgeblühten Knospen sind kitschig genug, um einen fotografischen Verriss zu posten. Anders als die Generation Fünf schwärmen die über Fünfzigjährigen für dieses Gartenparadies. Die  Familienfeier verläuft, so wie immer in den letzten Jahren. Die jugendlichen Teilnehmer sondern sich ab und kommunizieren über das Handy miteinander. Die neuesten Links und Apps werden getauscht oder ein Video auf YouTube angeschaut. Dank Smartphon können sie die Zeit vor und während des Essens gut damit überbrücken, um nach dem Servieren der Nachspeise  sehr eilig die Gesellschaft zu verlassen.

Handyfrei