kind:heit I

Für mich überraschend ist, dass in manchen Gesprächen plötzlich Begebenheiten aus der Kindheit auftauchen. Zumeist erinnern wir uns an schöne Kindheitserlebnisse. Zumeist deshalb, außer es hat schlimme Vorkommnisse in der eigenen Kindheit gegeben. In späteren Jahren wird immer wieder versucht für manches persönliches Fehlverhalten die Ursachen in der Kindheit auszumachen. In einem Seminar Bewusst altern  wurde darüber gesprochen, wie viele Traumata es bei den einzelnen Teilnehmern gegeben hat und ob die Traumata der Jugend heute noch eine Rolle spielen. Dazu ist anzumerken, ist es sinnvoll, heutige Richtlinien für die Kindererziehung, auf die damalige Kindheit anzuwenden. Vor allem könnte man einwenden, es wird sich erst weisen, ob der heute gepflegte Umgang mit den Kindern fruchtbar sein wird. Fruchtbar in dem Sinne, dass die nächsten Generationen eine lebenswerte Gesellschaft schaffen werden. Es hat schon Tradition, dass die aktuell bestimmende Generation der Vorhergehenden vorwirft, in jenem und jenen Bereichen versagt zu haben.

Für jeden handwerklichen und kaufmännischen Beruf gibt es drei- bis fünfjährige Ausbildungszeiten. Da frage ich mich, ist das Talent für die Kindererziehung uns allen schon in die Wiege gelegt? Orientieren wir uns dabei daran, was wir als Kinder erlebt haben? Dies würde bedeuten, so ist es oft im Alltag, dass schlechte Erfahrungen nicht vergessen, sondern bei den eigenen Kindern erneut zur Anwendung kommen. Die Bereitschaft von jungen Eltern sich über verschiedene Erziehungsfragen in Elternzeitschriften zu informieren ist heute um einiges größer, als es noch vor fünfzig Jahren war. Damals war weder die Zeit noch das Bewusstsein dafür vorhanden. Breites Verständnis für Kinder hat es auch in früheren Jahren allemal gegeben. Was heute für ein Kind an Kleidung, Spielzeug und Unterhaltung  selbstverständlich ist, war damals nicht selbstverständlich. Es hat aber auch niemanden gefehlt.

Lego

katzen:glück II

Für unsere Neugierde, was verbirgt sich hinter der Frucht vom Baum und was ist außerhalb des Paradieses los, wurden wir von Gott mit Erkenntnis und Bewusstsein bestraft. Würden wir, hätten wir noch einmal die Wahl, das Paradies gegen Erkenntnis und Bewusstsein eintauschen?  Vorsorglich hat uns Gott eine letzte Hürde eingebaut, wir sind nicht allwissend. Die Triebfeder alles menschlichen Tuns ist das Streben nach Allwissenheit. So großzügig war Gott nicht. Etliche Male glaubte man schon, in der Vergangenheit und in der Gegenwart, dass wir das Tor vom Wissen zur Allwissenheit aufstoßen können. Mit jeder frischen Entdeckung, mit jeder neuen wissenschaftlichen Formel glaubten wir, das Tor zur Allwissenheit aufzustoßen. Wenig später mussten wir feststellen, dass wir vor einem weiteren, verschlossenen Tor stehen. Wiederum bemühen wir uns den Code für dieses Tor zu entschlüsseln. Sind wir zu überheblich, weil wir wie Gott sein wollen? Im ersten Gefühlstaumel hat uns der Allmächtige das Gefühl vermittelt, wir sind jetzt allwissend, wir können für uns selbst sorgen. Mit den Schätzen der Erde können wir uns ein Himmelreich auf Erden schaffen. Zuweilen scheitern wir mit unserem Wissen und unserem Erfindergeist.Gott hält eine weitere Trumpfkarte in der Hand, so geschickt wir beim Kartenlegen sein mögen, soviel Glück wir beim Glücksspiel haben, egal ob im Lotto oder im Casino. Er hat es in der Hand, wann unser Leben zu Ende ist. Wir können alle Trumpfkarten in unserer Hand vereinen, einen Stich um den anderen machen, die letzte Karte spielt Gott aus. Eine Karte die alles übertrumpft, die mit unserem Sterbedatum.

Erhebe ich Gott gegenüber falsche Vorwürfe? Wollte er uns schonen, indem wir nicht wissen, wann der Tod eintritt? Um uns nicht Jahrzehntelang über Gebühr zu belasten. Ein Wissen, welches für mich unerträglich gewesen wäre. So sehe ich darin eine gewisse Ordnung, die, könnte ich sie ändern, nicht ändern würde.

In dieser Hinsicht hat der Schöpfer die Tiere bevorzugt, sie besser gestellt als uns Menschen?  Er hat ihnen das Bewusstsein nur für den Moment gegeben, nicht für die Vergangenheit und nicht für die Zukunft. Befinden wir uns auf einem biologischen Holzweg, wenn wir glauben, im Tierverhalten menschliche Verhaltensweisen zu entdecken. Durch die Forschung wollen wir uns beweisen, dass wir höher entwickelt sind als die Tiere. Dies tut unserem Selbstwertgefühl gut. In einem Faktor sind alle Lebewesen gleich, keines weiß im Vorhinein wie lange es hier auf Erden leben wird. Der eine und andere Mensch, das eine und andere Tier spürt möglicherweise, dass seine Lebenszeit zu Ende geht.

Abschiedstränen

katzen:glück I

Katzenhalter stellen sich die Frage, wann ist eine Katze glücklich? Haben Katzen der Oberen Zehntausend ein glücklicheres Leben, als ihre Artgenossen in einem Einfamilienhaus am Stadtrand von Villach? Ich bin kein Tierpsychologe und auch kein Katzenflüsterer, nur ein gewöhnlicher Katzenhalter. Wahrscheinlich sind Haustiere, ich schließe Nutztiere aus, solange sie keine Schmerzen haben und ausreichend mit Futter versorgt werden, glücklich. Bei Katzen könnte man das Schnurren als Glücksbarometer bezeichnen. Auf der Couch gestreichelt zu werden, ein Glücksmoment für Miezen. Sie verschwenden keine Gedanken an die Zukunft und zumeist auch nicht an die Vergangenheit. Bei gewissen Situationen können sie manche Reflexe nicht ablegen, so ihnen einmal etwas Unangenehmes zugestoßen ist. Wir kennen das eigenartige Verhalten der meisten Haustiere, gibt es einen Termin beim Tierarzt. Es wird berichtet, dass an solchen Tagen die Katze oder der Hund unauffindbar sind. Nach erfolgreicher Suche weigern sie sich standhaft in den Transportkorb gesteckt zu werden. Undine zählt nicht dazu. Von ihr wird der Transportkorb ausführlich beschnuppert, markiert und zu guter letzt schaut sie ganz frech aus der Korböffnung mit der Frage auf der Lippe: Wann geht es endlich los. Während der Fahrt kommt ihr kein Ton über die Lippen. Es hat den Anschein, als setzt sie auf den Totstellreflex. Sie legt sich flach auf den Boden vom Weidenkorb.

Auch bei Haustieren zeigen Krankheiten im Anfangsstadium oft keine Symptome. Bei einer Routineuntersuchung wurde bei der Undine in der Brust ein Knoten festgestellt, der operiert werden muss. In diesem Stadium hat ihr der Knoten keine Beschwerden verursacht. In den letzten Monaten hat sie an Gewicht zugelegt und ist spielfreudig wie schon lange nicht. Gehört dies zum Katzenglück, dass sie nichts von ihrer Erkrankung weiß, noch, dass sie operiert werden muss? Wir sind zwar selbst nicht von der Operation betroffen, machen uns aber Sorgen wie sie diese überstehen wird. Vor allem die Tage danach. Inzwischen zählt Undine mit ihren siebzehn Jahren zu den Senioren. Für wen ist die Diagnose die größere Belastung? Undine weiß nichts von der anstehende Operation, unsere Unruhe kann sie bestimmt nicht einordnen. Gefühlsmäßig glauben wir, dass sie die letzten Tage vor der Operation nervös ist.

Steht uns eine Operation bevor, wie erleben wir die Tage davor? Persönlich kann ich dazu wenig beitragen. Untersuchungen, die nicht lebenswichtig sind, stehe ich ablehnend gegenüber, so harmlos sie für den behandelnden Arzt sein mögen. Aus der Verwandtschaft weiß ich, man sorgt sich darum, ob es das richtige Krankenhaus und der beste Arzt für die Operation ist. Verbunden mit der Hoffnung, dass die Beschwerden und die Schmerzen ein Ende finden und ein besseres Leben beginnt.

Aus dem Tagebuch…

schnecken:tempo II

Tagebuchnotizen verlieren kaum an Aktualität, da sie meistens keine Ansage an die Zukunft sind, sondern etwas Erlebtes oder Erdachtes festhalten. Verfeinert um eigene gesponnene Gedanken. Dies wirft die existenzielle Frage auf, ob wir uns vorwärts bewegen?  Vorwärts im Sinne wie wir es oft zu hören bekommen: Die Zeit vergeht so schnell, noch aktueller, alles verändert sich so rasch. Man kann mit den Neuerungen, die uns täglich via dem Medienstrom zugespielt werden, nicht Schritt halten. Nebenbei spotten wir über jene, welche sich darüber beklagen, dass sie nicht mehr mit allen Trends klar kommen. Sich bei den digitalen Neuerungen wie Onlinebanking, Fahrkartenautomaten oder dem Einscannen von Lebensmittel, nicht zurechfienden. In Österreich werden wir in naher Zukunft von den Behörden keinen Brief mehr per Post erhalten. Nicht mehr der Briefträger kommt, sondern alles wird per elektronischen Brief mitgeteilt. Der e-Brief ist das neue Zauberwort, geht es um Neuheiten aus der Digitalen Welt.

Ich erinnere mich an die Löschung meiner Gewerbeberechtigung, dabei wurde ich vom Amtsfräulein darauf aufmerksam gemacht, dass die Löschung der Gewerbe per Email bestätigt wird. Meine antiken Gewerbescheine, Urkunden wie wir sie in den Museen sehen, habe ich wieder mit nach Hause genommen. Nicht vom Papierwolf der Behörde zerreisen lassen. Zuhause habe ich sie in einem Ordner mit vielen anderen Dokumenten, Werbezettel und Fotos, abgelegt. Meine vierzigjährige Kaufmannschaft analog dokumentiert. Trotz meiner digitalen Präsenz bin ich ein nostalgischer Mensch, zwischen Bewahren und Erneuern. Das Technische entwickelt sich über Lichtfaserkabel mit Lichtgeschwindigkeit vorwärts, das Menschliche bewegt sich im Schneckentempo hinterher. Ansonsten hätten wir es schon geschafft, Kriege, Hungersnöte und Ungerechtigkeiten auszumerzen.

Sahelzone

schnecken:tempo I

Beim Schmökern in meinem ersten Buch „Alles Schlagloch“ habe ich den Eindruck, dass vieles nicht aus der Mode gekommen ist. Die Veröffentlichung des Buches liegt über zehn Jahre zurück. Manche Einträge erscheinen mir heute erst aktuell, wenn man mit aktuell einen Gedanken bezeichnet, über den es sich lohnt nachzudenken. In der aktuellen Literaturszene  wird man zuallerst danach beurteilt, was man zuletzt veröffentlicht hat. Hierbei unterscheidet sich das Buchgeschäft, aber auch die Literaturvermittlung, nicht von einer Modeboutique im Einkaufszentrum Atrio. Es zählt nur die aktuellste Mode. In einem Handy- oder Fotoshop sind nur das neueste Handy und die neueste Kamera interessant. In Kürze ist es soweit, dann nähert sich die Literaturvermittlung der Kurzlebigkeit einer Tageszeitung. Die Aktualität eines Buches wird dieselbe Verfallszeit haben wie eine Zeitung, gerade einmal vierundzwanzig Stunden. Die Sinnhaftigkeit des aktuellen Literaturbetriebes stelle ich in Frage, er gleicht einem Eventbetrieb.

Die Tageszeitungen graben sich ihr eigenes Grab oder wie man in Kärnten umgangssprachlich sagt, schaufeln sich ihr eigenes Grob. Sie werben massiv dafür, dass die aktuellsten Meldungen im Internet zu finden sind. Mir ergeht es so, finde ich in meinem Zeitungsarchiv einen Artikel der zehn, zwanzig oder sogar dreißig Jahre auf den Buckel hat, finde ich diese Seiten interessanter als die Abendausgabe der Tagespresse. Darin lese ich mit Aufmerksamkeit, weil ich feststellen kann, trifft der Inhalt heute noch zu?  Was ist von den versprochenen Ankündigungen eingetroffen und wie habe ich damals diese Situation beurteilt? Artikel aus der Vergangenheit schätze ich sehr. Einem aktuellen Zeitungsartikel kann man innerlich widersprechen oder eine andere Sichtweise einnehmen. Bei Ansagen zur Zukunft lässt sich kaum widersprechen, auf keinen Fall das Gegenteil beweisen, dies wäre vom menschlichen Verstand aus nicht möglich.

Archivar