66:99 II

Plötzlich wird die Altersgruppe über sechzig nicht nur für die Wirtschaft, den Verkäufern von Seniorenreisen, Vitaminpräparaten und  praktischen Gehhilfen interessant, sondern auch für die wahlwerbenden Politiker. Diese Zuwendung ist jetzt, ein paar Wochen vor der nächsten Nationalratswahl in Österreich, aktuell.  Dies hat seine wahltaktischen Gründe.  Ein Drittel aller Wahlberechtigten Österreicher_innen, ca. zwei Millionen Menschen, sind Rentner, somit eine wahlentscheidende Bevölkerungsgruppe. Zudem lassen sich die Senioren leichter als geschlossene Gruppe ansprechen. Bei den Arbeitern oder Gewerbetreibenden sind die verschiedenen Interessen und Forderungen an die Politik schon weiter gestreut. Dementsprechend klingen die Ansagen und Versprechungen an die Senioren, wie eine Vorverlegung der himmlischen Genüsse. Eine kleine Kostprobe vom überirdischen Paradies.

Eigentlich müssten wir hellhörig sein, weil ähnliche und manche gleichlautende Versprechungen, wie Verwaltungsreform, Steuersenkung oder Gesundheitsfürsorge es schon vor der letzten und vorletzten Wahl gegeben hat. Die Politiker rechnen mit der altersbedingten Vergesslichkeit der Senioren. Trotz der Zerwürfnisse in der großen Koalition war es vor deren Auflösung möglich, den Pflegeregress abzuschaffen. Bislang hatte der Staat die Möglichkeit, wurden die Pflegekosten durch die Rente und das Pflegegeld nicht abgedeckt, auf die Ersparnisse und Immobilien der zu pflegenden Person zurückgreifen. Das Notgroschensparbuch wurde auf einen Schlag konfisziert.

66:99 I

Ein erfolgreicher Hit von Udo Jürgens war: Mit Sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an, mit Sechsundsechzig Jahren, da hat man Spaß daran.. Wenn dies stimmt, dann befinde ich mich in einer neuen Lebensphase. Udo, wie er liebevoll genannt wurde, hat diesen Schlager zu seinem Sechsundsechzigsten Geburtstag komponiert. Nach Berichten der Medien hat er sich in diesem Alter fitter gefühlt, als vergleichsweise zwanzig Jahre früher. Mit Sechsundsechzig Jahren hat er mehr auf seinen Körper geachtet, als in anderen Jahren. Auf dem Papier fühlen sich zwanzig Jahre früher sorglos an, umgekehrt stellt sich die Lebenssituation um vieles unkomplizierter dar. Da tauchen ernste Bedenken auf, Blockaden, ob noch zwanzig Jahre dazu kommen werden? Und wenn, in welchen körperlichen oder geistigen Zustand, man kann nur hoffen. Der Schlager, Mit Sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an, wird bestimmt bei vielen Menschen wieder Saison haben, zum Lebensmotto werden. In vielen europäischen Staaten drängt man darauf, hauptsächlich aus budgetären Gründen, dass die Menschen bis Fünfundsechzig Jahren arbeiten. Wobei es unter den Senioren einen kleinen Teil gibt, die freiwillig über das vorgesehene Rentenalter hinaus tätig sein wollen. Hauptsächlich findet man diese unter den Selbstständigen, unter den höheren Angestellten und Freiberuflern.

Nach einem Jahr werde ich wissen, ob mein Alltag mit Sechsundsechzig  eine neue Blüte erlebt. Nach den ersten Pensionschnupperjahren hoffe ich auf mehr Gelassenheit und weniger Ehrgeiz. Wobei ich der Meinung bin, dass sich schon viele Jahre vor dem Rentenantritt, zumindest in kleinen Dosen, Hobbys und Talente zeigen müssen. Wer bis zu seiner Pensionierung kein handwerklicher Typ war, wird auch nach Sechzig nicht zum professionellen Heimwerker mutieren. Dafür gebe es jetzt zahlreiche andere Beispiele, eines will ich noch anfügen. Wer bis Fünfundsechzig achtlos an Ameisen und Ameisenhaufen vorüber gegangen ist, sie zumeist zertreten hat, wird mit Sechsundsechzig Jahren bestimmt zu keinem Ameisensachverständigen. Die Wurzeln für ein geglücktes Alter liegen in der Aktivphase. Jedem wünsche ich, dass er die Jahre nach Sechsundsechzig genießen und sich sinnerfüllt beschäftigen kann.

bahn:tunnel II

Bei der Feldarbeit in Politzen hatten wir keine Uhr dabei, die Jausenzeit und das Mittagessen richteten sich nach den, auf der Strecke verkehrenden, Personenzügen. Die Geschwister, welche abends die Kühe versorgten, machten sich nach dem Fünfuhrzug auf den Heimweg. Die übrigen Familienmitglieder blieben sommers auf dem Feld, bis die Arbeit erledigt war oder die Dunkelheit hereinbrach.

Das radikalste Ansinnen ist, die Bahnstrecke Villach – Klagenfurt zu untertunneln.  Dies wäre eine Strecke von zirka dreißig Kilometer. Dafür gibt es bis dato kein Einlenken von der ÖBB, noch auf politischer Ebene. Konkrete Planungsunterlagen fehlen. Nach dem Motto, man versenkt Milliarden von Euro im Wörthersee. Die Finanzierung erscheint  mir utopisch, diese könnte die Größenordnung vom Semmeringbasistunnel erreichen. Derzeit betragen die Baukosten für den Semmeringtunnel 3,3 Milliarden Euro. Mit einem Vorschlag möchte ich mich an den Planungen beteiligen. Abschnittsweise könnte man beim Wörtherseebahntunnel den Blick auf die Unterwelt des Wörthersees freigeben. Dies wäre für die Bahnreisenden, welche die Südbahnstrecke benützen, ein besonderes Zuckerl. Vielleicht wird man dabei der einen oder anderen Sagengestalt, die mit der Entstehung des Sees verbunden sind, wieder ansichtig. Für Sagengestalten hat unsere Zeitrechnung keine Gültigkeit.

Früher war es Usus entlang der Straßen ganze Ortsteile zu errichten, weil Straßen bedeuten Mobilität und für einige eine wirtschaftliche Existenz. Dies traf in besonderem auf Gastwirtschaften, Tankstellen, Bäcker und Fleischauer zu, zumeist auch auf Lebensmittelgeschäfte. Auf der Fahrt zu ihrem Urlaubsort haben Durchreisende Hunger und Durst. Mit der Straße kam der Verkehr und mit dem Verkehr die Touristen. Siedlungen, welche an Verkehrsknotenpunkten liegen, entwickeln sich besonders gut, dies kann man seit der Antike beobachten. Die Abneigung gegen den Straßen-, Bahn- und Flugverkehr  gibt es erst die letzten dreißig Jahre. Es ist paradox, da wir zumeist auf eines dieser Verkehrsmittel angewiesen sind. Wahrscheinlich wird auch die jetzige Euphorie für Drohnen dereinst einmal in Ablehnung umschlagen.

Flieg, Biene flieg.