familien:messe

Wer im Handel gearbeitet und im Verkauf tätig war, weiß um die Tricks der Verkäufer auf Warenmessen. Ein beliebter Ort um Verkaufsstudien zu betreiben sind die Frühjahrs- und  Herbstmessen. Manches Mal stehen sie unter einem bestimmten Motto, wie Familienmesse, Brauchtumsmesse oder Häuslbauermesse. Damit wird versucht ein bestimmtes Publikum anzusprechen. Bei einer so umfassenden Bezeichnung wie Familienmesse deutet alles darauf  hin, dass es für jeden in der Familie etwas zum Schauen, zum Ausprobieren und zum Kaufen gibt. Zumeist verbringt man einen Tag mit der ganzen Familie, mit dem Opa, der Mama und dem kindergartenpflichtigen Kind auf dem Ausstellungsgelände. Es ist ein Ersatz für einen gemeinsamen Spaziergang oder für einen Verwandtenbesuch. Das SMS am Handy verspricht, wir treffen uns bei der Familienmesse in der Halle B. Eventuell hat man sich auch mit Freunden aus der Nachbarschaft verabredet. Die Möglichkeit man könnte sich in einer der Messehallen über den Weg laufen schließt man keinesfalls aus. So ist es üblich, dass man mit einem Auge die Messestände entlangstreicht und mit dem anderen Auge die entgegenkommenden Messebesucher observiert. An einer Hand hält man den Nachwuchs fest, bei dem Trubel könnte er schnell Abhandenkommen. In der Meute der Messebesucher würde er sich nicht mehr zurechtfinden. Von Vorteil ist, wenn er bereits seinen ganzen Namen kennt, also Vornamen und Familiennamen. Somit besteht bei Verlust die Wahrscheinlichkeit, dass er von einer der bildhübschen Messehostessen aufgegriffen und zum Informationstand gebracht wird: „Die Eltern von Erich Farbenfroh sollen zum Informationsstand kommen“, verhindert das Schlimmste. Ganz ungetrübt verläuft der Rest des Messtages dann nicht mehr.

Danach kann man sich wieder unbeschwert den Angeboten der Firmen zuwenden. Die aufmerksamen Standverkäufer deuten jeden Blick, welchen man auf ihr Produkt wirft. Sie finden schnell die passende Einstiegsdroge für ein Verkaufsgespräch. Um einen zu überreden einen Schritt in die Verkaufskoje zu wagen und ihnen die nächsten drei Minuten zuzuhören. Im besten Fall für den Verkäufer die Jacke zu probieren oder auf den Matratzen einmal Probe liegen.

Klobürste.

literatur:tage

Bei den Vorauer Literaturtagen 2016 ist im offiziellen Kreis, beim Diskurs der Bücher, “Becketts Endspiel; Händler Wenn wir sterben und Shan Sa Die Gospielerin” kein Wort zur aktuellen Integrationsthematik der Flüchtlinge gefallen. Wohl intern bei den Tischgesprächen oder den Kamingesprächen am Abend. Eine Freiwillige, die sich in den Dienst der Sache gestellt hat und von Passionswegen in einem karitativen Zentrum Deutsch für Flüchtlinge unterrichtet hat, hat aus der Schule geplaudert. Sie habe sich an die vorgegebenen Zeiten gehalten, von den Asylanten sind diese grob vernachlässigt worden und zum Teil sind sie nach zwei drei Unterrichtseinheiten überhaupt nicht mehr gekommen. Bis auch sie nach ein paar Monaten überhaupt nicht mehr gekommen ist.

Geteilt habe ich mit der Teilnehmerin Erinnerungen an die Volksschulzeit. Sie erzählte, wie sie ihr Bauernbrot mit anderen Mitschülern gegen das Brot oder Süßgebäck von der Dorfbäckerei getauscht hat. Bei mir war es ähnlich. In der Volksschule in St. Paul ob Ferndorf gab es bei den Schülern drei Gruppen, von der Art des Elternhauses. Dies waren die Bauernkinder, von den Berg- und Talbauern, die Arbeiterkinder, deren Väter zum Großteil im Heraklitwerk Ferndorf beschäftigt waren und der kleinste Teil, Kinder anderer Berufsgruppen. Wir  Bauernkinder hatten fast täglich ein Speckbrot und je nach Jahreszeit etwas Obst zur Jause. Die Arbeiterkinder hatten ein weiches Bäckerbrot mit Butter und Wurst, zumeist Salami oder Extrawurst. Mit meinem Sitznachbar tauschte ich in der Woche ein- bis zweimal die Brote. So verschafften wir uns etwas Abwechslung. Dazu fällt mir ein, es gab damals keine Fünftageschulwoche, wir hatten auch am Samstagvormittag Unterricht.

Aus dem Tagebuch…

seh:test

Einen direkten Weg bestreiten Firmen mit dem Vertrieb ihrer Produkte, wenn sie Verkaufsveranstaltungen im Speisesaal von Seniorenheimen und Altersheimen abhalten. Hier braucht es keinen gratis Tagesteller. Nach einem kurzen pseudo medizinischen Vortrag geht es gleich zum Wesentlichen, dem Verkauf. Für die Bewohner wurde die Firma von der Heimleitung eingeladen, dann wird es seine Richtigkeit haben. Dazu gehören mobile Einsatzfahrzeuge für einen Seh- und Hörtest, welche vor den Seniorenresidenzen parken. Begonnen wird nach dem Mittagessen mit einem Vortrag über das verminderte Sehen und Hören im Alter. Danach besteht die Möglichkeit sein Seh- und Hörvermögen prüfen zu lassen. In Abständen von maximal fünf Minuten. Ein Schelm, wer zwischen dem Vortrag und der unverbindlichen Überprüfung von Aug und Ohr und dem Verkauf von einer Brille oder eines Hörgerätes einen Zusammenhang sieht.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist bei vielen das Hör- oder Sehvermögen etwas eingeschränkt, die wenigsten leben freiwillig in einem Seniorenheim. Durch diesen Test vor Ort könnte man sich den  lästigen Weg zu einem Ohr- oder einem Augenarzt ersparen. Das Heim zu verlassen ist zumeist mit einigem organisatorischem Aufwand und körperlicher Anstrengung  verbunden. Freiwillig zum Arzt geht man schon lange nicht mehr. Als Zuckerl gibt es zu jeder Bestellung eine Werbezeitschrift, da bestellt man lieber gleich, die meinen es ja nur gut mit uns.

Nix vastehn.

rheuma:decke

Können ältere Menschen von Verkäufern, welche Gesundheitspräparate und Gesundheitswäsche verkaufen, leichter beeinflusst werden als Jüngere? Bis zu welchem Alter soll ein Mensch für sich entscheiden, ob er dies wirklich braucht? Sollte man bei einer größeren Anschaffung jemanden beiziehen oder sich zumindest drei Tage lang Bedenkzeit ausbitten? Zumeist gibt es im Kaufvertrag eine gesetzliche Rücktrittsfrist. Von den Senioren, die wenig mit kaufmännischen und schriftlichen Dingen zu tun hatten, beschreitet kaum jemand diesen Weg. In den meisten Fällen lässt man sich vom Firmenschreiben, dass soundso hohe Stornogebühren anfallen werden, einschüchtern. Oder die Firma lehnt es von vornherein ab, die Bestellung zu stornieren. In den örtlichen Gasthäusern  finden mehrmals im Jahr Werbeveranstaltungen statt. Am Flugblatt wird in großer Schrift versprochen, dass jede teilnehmende Person gratis ein Wienerschnitzel mit Pommes und Salat bekommt. Unabhängig von jeder Bestellung. Nach dem Essen werden gesundheitsfördernde  und wärmende Unterwäsche für die kühlen Märztage präsentiert. Gleichzeitig bietet diese Unterwäsche einen Schutz vor Erkältung in der nassen Jahreszeit. Ergänzend dazu gibt es Rheuma lindernde Bettwäsche und -decken.

Vorher denken die Meisten, dass sie gegen die Tricks von Verkaufsprofis resistent sind. Sie wollen einfach ein wenig Zerstreuung und sich ein Mittagessen schenken lassen. Als ältere Person überschätzt man zumeist seine Widerstandskraft bei den Verkaufsshow. Mit ihrer Suggestionskraft bearbeiten die geschulten und aufdringlichen Verkäufer, zumeist zu zweit, ihre potenziellen Abnehmer. Geht Einem die Luft oder die Argumente aus, kann der Zweite weitermachen, ohne dass die Zuhörer Zeit haben über das Gesagte nachzudenken. Letztendlich sieht man die Schuld bei sich, wenn man sich in der nasskalten Jahreszeit erkältet. Hier bietet sich die Möglichkeit vorzubeugen und die wärmende Unterwäsche zu kaufen. Wer in den nächsten Wochen mit einer Erkältung im Bett liegt, ist selbst schuld.  Nochdazu stellt man fest, dass man keine Rheuma lindernde Bettwäsche hat. Um kein Risiko einzugehen greift man lieber etwas tiefer in die Geldtasche. Lieber gesund, als zu viel Geld in der Brieftasche. Im örtlichen Fachhandel wäre die Unterwäsche um einiges günstiger gewesen.

Hasenfell