religion:kultur II

Von Immanuel Kant wird Aufklärung so definiert: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“[1]  Die eigene Aufklärung, „…sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, beginnt mit dem Zweifel an vorhandenen Sachverhalten und Autoritäten. Mit dem Zweifel fängt die Suche nach neuen Erkenntnissen an. Dies führt zum Wohlfühlverlust,(Paradies), es tritt die Last der Eigenverantwortlichkeit ein. Nach der Infragestellung von Thesen folgen die Kritik und die Selbstverantwortung. Man kann nicht mehr einer höheren Macht die Schuld für etwas zuschieben. Umgekehrt, braucht man sich auch nicht mehr bei einer höheren Macht für alle Gaben zu bedanken.

Jesus ist, wenn ich Schnädelbach richtig verstehe, ein Kulturkritiker, der mit den Thesen der Schriftgelehrten hart in das Gericht geht. Nach Darstellung Schnädelbachs ist das Christentum eine „Freiheitsverheißung“, die Befreiung von der Last der Sünde und des Todes. Wobei im Essay nicht angeführt  wird, durch wen die Sünde und der Tod in die Welt kam. Das Christentum, das Judentum und der Islam sind allesamt Offenbarungsreligionen, wobei nur das Christentum eine nachhaltige Theologie ausgebildet hat und sich selbst aufklärte. Die Theologen verstanden ihre Arbeit als eigenen Wissenschaftszweig. Im Islam ist der Koran und im Judentum die Thora  dagegen Gottes Wort. Gottes Wort ist gegen jede weitere Interpretation durch den Menschen resistent.

Durch Jesus kam die Freiheit, die Entscheidungsmöglichkeit des Menschen zwischen gute und böse Taten, in die Welt. Die Bürde der Selbstentscheidung.  Ebenso die Wahrheit, wobei damit die Anerkennung  der Mysterien der Schöpfung, der Inkarnation und der Auferstehung verlangt wird. Die meisten Philosophen der  Aufklärung  „…..  machten sich auf  die Suche nach dem rationalen Kern der christlichen Überlieferung“.[2]  Ab dem 19. Jahrhundert besorgte dies die Theologie, als eigener Wissenschaftszweig, selbst.

[1] Herbert Schnädelbach, Religion in der modernen Welt, Seite 11 zitiert nach I. Kant; [2]  ebenda, Seite 16;

religion:kultur I

Dieses Thesenpapier, von mir im Rahmen einer LV verfasst, ist immer noch aktuell. Zu Beginn seines Essays, Religion in der modernen Welt, versucht Herbert Schnädelbach  die zwei Begriffe „Religion“ und „moderne Kultur“ andeutungsweise zu klären. [1]

Er räumt die Option ein, dass es nahe liegt, beim Begriff Religion von unserem alltäglichen Vorverständnis auszugehen.  „….und wenn wir nach unseren religiösen Einstellungen gefragt werden, haben wir den Eindruck, dass hier Intimitätsgrenzen berührt sind.“ [2] Wie persönlich nahe den Menschen die Frage nach ihrer religiösen Einstellung geht, zeigte sich in der Einführungsphase. Es herrschte unter den TeilnehmerInnen Skepsis, als sie aufgefordert wurden sich zu outen und Gruppen zu bilden: Als Christen, Agnostiker, Atheisten u.a.  Die Frage, was hat dies mit einer Vorlesung zu tun, stand vielen in das Gesicht geschrieben. Wer einmal ein Partnerwochende in einem Bildungshaus besuchte macht die Erfahrung, dass über Sexualität, sexuelle Praktiken ganz offen gesprochen wird. Bei der Frage nach den religiösen Praktiken kommen die Antworten von den Anwesenden spärlich oder bleiben überhaupt aus. Der religiöse Aspekt wird im Seminar unter die Rubrik „Vieraugengespräch“ eingeordnet. Vielleicht liegt es daran, dass man sich im Sexuellen zusammenraufen muss, während im religiösen Bereich jeder seinen eigenen Weg gehen kann. Dabei dürfte es bei den Geschlechtern, weiblich oder männlich, im Alltag große Unterschiede in der Art der Religionsausübung geben. Man werfe sonntags einen Blick in eine katholische oder evangelische Kirche, wobei geschätzte Zweidrittel der Besucher Frauen und ein Drittel Männer sind. „…wenn wir über Religion reden, geschieht dies in der Rolle von Beobachtern, die das Religiöse, an dem sie selbst teilhaben mögen, dabei ausklammern“[3]. Unter Religion versteht Schnädelbach das, was man hat und lebt, Theologie hingegen ist das, was man darüber denkt und sagt.

Bei moderne Kultur geht es Schnädelbach nicht um den Zustand der modernen Kunst. Schnädelbach bezeichnet eine Gesellschaft als moderne Kultur wo Politik, Wirtschaft, Moral, Kunst, Religion u.a. selbstständige kulturelle Teilsysteme bilden. Niemand von denen beansprucht die anderen zu dominieren. „Genau dies gilt jetzt auch für die Religion, die über Jahrtausende in den Hochkulturen die kulturelle Zentralfunktion beanspruchen konnte“. [4] In den modernen Kulturen, Gesellschaften, wird Religion zur Privatsache, es gibt die Freiheit der Religionsausübung. Damit einher geht der Machtverlust und  der Verlust des Wahrheitsmonopols der Institution Kirche.  Mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies wird der Mensch nach Immanuel  Kant zum eigentlichen Menschen. Das geoffenbarte Jenseits wird zum kulturellen Produkt. „….dass die Religionskritik heute niemand mehr aufregt, ja dass man sie wie die Religion für Privatsache hält. (…) Die Welt wird wissenschaftlich und nicht länger religiös interpretiert“[5]. Wobei es einige starke Meinungsträger in den Monotheistischen Religionen gibt, die darauf beharren, dass die naturwissenschaftlichen Lücken mit Gott besetzt werden. Man denke an die Lücken in der Anthropologie, vom Affen zum Menschen, oder was war vor dem Urknall.

[1] Herbert Schnädelbach, Religion in der modernen Welt, Fischer Taschenbuch, 2009; [2] ebenda, Seite 7; [3] ebenda, Seite 7; [4] ebenda, Seite 8;  [5] ebenda, Seite 10;

seminar:arbeit

Der Volksmund sagt es treffend, die Zeit vergeht mit dem Älterwerden immer schneller. Unterhalten sich drei Personen über das Altern, werden sie sich nicht darüber einigen können, ab wann ist man alt? Ab welchem Geburtstag gehört man zu den Alten? Anno dazumal war es in um vieles einfacher, ab sechzig Jahren gehörte man zu den Alten und über achtzig Jahren zu den Greisen.

Als Betroffener schwanke  ich zwischen Zufriedenheit und Verzagtheit. Zufriedenheit, ein fortgeschrittenes Alter erreicht und verschiedenes im Leben umgesetzt zu haben. Verzagtheit am Älterwerden und Einbußen bei der Lebensfreude. Es wird beschwerlicher Vorhaben abzuschließen und Zukunftspläne zu fassen. Habe ich etwas vollendet, dann zögere ich, muss es wieder etwas neues sein? Mit diesem Hintergrund lässt sich teilweise erklären, warum beim SSL, dem Seniorstudium Liberale der Alpenadria Universität, trotz der regelmäßigen Teilnahme von Seniorstudenten die Zahl derer, welche das Curriculum mit einem Zeugnis abschließen, marginal gering ist. Fast nicht vorhanden. Die wichtigste Voraussetzung für ein Abschlusszeugnis ist das regelmäßige Schreiben von Seminararbeiten, um die vorgeschriebenen ECTS Punkte zu erreichen. Dazu kommt das Verfassen einer Projektarbeit. In welchem Ausmaß und zu welchem Thema ergibt sich aus den besuchten Lehrveranstaltungen.

Seit der Installierung des SSL- Lehrgang an der Alpenadria Uni machten gerade einmal zwei Studenten das Curriculum mit einem Abschlussdiplom. Eine Frau und ich. Beim Gespräch mit anderen Studienkollegen hatten wenige die Absicht eine Seminararbeit zu verfassen. Sie vertraten die Auffassung, sie haben Zeit ihres Lebens schon genug Prüfungen abgelegt. Sie wollen sich keiner Prüfungssituation mehr aussetzen, dies sei etwas für Jüngere. Das Interesse an den Lehrveranstaltungen war vorhanden, aber sich von jemandem Jüngeren, gemeint ist ein Professor, prüfen zu lassen, dies hat man nach einem arbeitsreichen Leben nicht mehr notwendig.

Philosophie

mom:jan

Wie wir zu diesem Katzennamen gekommen sind? In der Autotouringzeitung wurde für Istrien eine Tour der Sinne empfohlen. Darunter befand sich auch der Ort Momjan, er liegt im kroatischen Teil von Istrien, an der Grenze zu Slowenien. Nach einem zweiten und dritten Versuch konnten wir die Abfahrt von der Landesstraße nach Momjan finden. Wie die meisten istrischen Dörfer liegt es auf einer Anhöhe. Beim Besuch von kleineren Ortschaften orientieren wir uns am Kirchturm, der meistens weithin sichtbar über die Häuser ragt. Von den haushohen Reklamesäulen der Supermärkte und den Plakatankünder, wie wir sie bei jeder Ortseinfahrt in Kärnten vorfinden, fehlt jede Spur. Bei der Kirche gab es einen Hinweis auf ein Kastell, von dem zwischen dem Gestrüb der eingestürzte Burgfried zu sehen war. Wir gehen die Häuserzeile, welche den Ortskern bildet, entlang. Ernüchternd schauen wir durch mit Brettern notdürftig vernagelte Fenster und Türen. Dahinter sind das Dach, die Zwischenmauern und -decken längst eingestürzt. Vor den bewohnbaren Steinhäusern sitzen ältere Leute auf einem Stuhl. Auf ihrem Schoss oder zu ihren Füßen zumeist eine schlafende Katze und ein paar Blumentöpfe. Durch das Hundegebell werden wir von einem Haus zum Anderem angekündigt, anderseits folgen uns die Blicke hinter dem Vorhang von einem Haus zum Anderen. Wir sind die einzigen Personen auf der Straße.

Uns kommt eine Frau mit einem kleinen schwarzen Dackel entgegen. Dessen Hinterfüße sind verletzt oder amputiert, er zieht seinen eigenen Rollstuhl hinterher. Der Hinterleib ist auf einem Gestell mit zwei Rädern aufgehängt. Soll uns dieser Hund leidtun, ist dies eine Qual für ihn? Der Hund läuft als verfüge er über vier gesunde Beine und nicht nur über zwei Vorderbeine. Er schaut uns mit lustigen Augen an und wendet den Kopf nach allen Richtungen. Das Laufen scheint im Spaß zu machen, er strahlt mehr Lebendigkeit aus, als mancher Rassehund. Neugierig zieht er seine Duftspur durch die Dorfstraße, aufgeregt wedelt er mit seinem Schweif. Die Frau hat Mühe ihm zu folgen.

Schweif einziehen.