stolper:stein I
Zwischen den Fahrbahnen befindet sich ein Grünstreifen, der das Wort Grünstreifen verdient. Er hat die Breite eines Gehsteiges, bepflanzt mit hochstämmigen und bodenstämmigen Palmen, dazwischen in Kegelform zugeschnittene Buchsbäumchen. Geht man die Straße in Portoroz entlang hat man das Empfinden, die Buchsbäumchen haben die Form eines Christbaumes. So verändert die Jahreszeit unsere Wahrnehmung, wir sehen, was wir empfinden.
Die Türen zum Spielcasino waren am 24. Dezember geöffnet und einzelne Spieler in der Halle zu erkennen. Welches Glück erwartet man sich am Heiligen Abend? Wo die menschliche Wärme ausbleibt hofft man auf die heimelige Atmosphäre des Spielcasinos. Wie viel Tradition und Kindheitserinnerung braucht es zu Weihnachten, welche Sehnsucht wird in uns wach? Wir Alpenbewohner weisen gerne darauf hin, dass es zu Weihnachten immer Schnee gegeben hat. Immer, darin sind sich alle einig. Bei dem Wort Schnee denkt man nicht an fünf Zentimeter wie wir es heute kennen, wenn es überhaupt noch Schnee gibt, sondern man meint wenigstens kniehoch Schnee.
Vielleicht verschenkt die Weihnachtsfrau hinter dem Tresen einen längeren Blick als sonst. In diesem langgezogenen Blick will man etwas erkennen, was man sich seit einigen Wochen sehnlichst gewünscht hat, ein wenig Zuwendung. Jetzt geht er in Erfüllung, im letzten Augenblick. Weihnachtswünsche werden wahr, süßer die Glocken nie klingen. Es ist keine Zufälligkeit, wenn sich viele Singles schnell und intensiv während der Weihnachtszeit verlieben. Die Wochen vor Weihnachten gehören zu den empfindsamsten Jahreszeiten, alles ist möglich. Zumeist ein wenig in Nebel gehüllt, der himmelhochjauchzende und der zu tiefstbetrübte Augenblick.
Engelhaar.
kater:bob
Auf dem Bahnhofsvorplatz, auf dem Gemüsemarkt und in der Fußgängerzone, beim Flanieren stößt man in Wien immer wieder auf Straßenmusikanten, Straßenmaler oder einfach Menschen ohne festes Einkommen. Sie versuchen, wie auch in anderen europäischen Großstädten, von den vorbeieilenden Touristen, Stadtbewohner und Marktbesucher etwas zu erbetteln. Außer den Straßenmusikanten hocken die Bettler zumeist am Boden auf einer Decke, die Ärmsten von ihnen auf einem Stück alten Karton. Neben sich ein Rucksack und ein Schlafsack, wo sich ihre Habseligkeiten befinden. In der kalten Zeit noch eine Thermoskanne mit Tee. Auffallend ist in den letzten Jahren, dass zumeist ein Hund mit eingezogenem Kopf und Schweif neben ihnen ruht. In Fressweite steht ein Futternapf mit etwas Tierfutter und eine Schüssel mit Wasser. Der Hund wirkt als Hingucker und erregt zumeist größeres Mitleid als der bettelnde Besitzer. Unter den Sozialhilfeempfänger hat es sich herumgesprochen, dass ein unterversorgtes Tier mehr an die Herzen der Menschen rührt, als ein hilfsbedürftiger Mensch. Auf einer Tafel wird um eine Spende für den Kauf von Tiernahrung geworben. Die Geldspenden dürften sich wohl das Herrl und der Hund teilen.
Das Betteln als Doppelback hat seinen Ursprung in London, wo der Straßengeiger James Bowen, welcher zusammen mit seinem Kater Bob musizierte, überregionale Bekanntheit erlangte. Gemeinsam sind sie vor einer U-Bahnstation aufgetreten und haben die Gabenfreude der Passanten mobilisiert.
Inzwischen hat James Bowen über seine Erlebnisse auf der Straße einige Bücher veröffentlicht. Unter anderem Ein Geschenk von Bob und Wie Bob die Welt sieht. Die Bücher wurden zu Bestseller und ein Buch wurde verfilmt. Inzwischen dürfte James Bowen und sein Kater Bob das Obdachlosenheim verlassen und es nicht mehr nötig haben als Straßenmusiker, bei jedem Wetter, in London auf der Straße zu stehen. In dieser Erfolgsgeschichte dürfte die Ursache dafür liegen, dass sich viele Vagabunden, der leichteren Handhabung mit einem Hund, auf die Marktplätze begeben.
Weihnachtsgeschenk.
lasten:frei
Im Rathauskeller von Ludwigsburg erfahren wir bei der Bestellung von Original schwäbischen Maultaschen, die nur mittwochs serviert werden, einiges aus dem Leben der Kellnerin. Sie bedauert, dass ihr siebzigjähriger Freund noch immer nicht in Pension gehen will. Sein Spielwarengeschäft, mit integriertem Münzhandel, will er nicht aufgeben. Täglich eilt er morgens vor acht Uhr in den Laden, um abends nach achtzehn Uhr nach Hause zu kommen. Seit Jahrzehnten gibt es keinen gemeinsamen größeren Urlaub. Nur eine gesundheitliche Beeinträchtigung, welche sie ihm nicht wünscht, könnte ihn zum Einlenken bringen. Gemeint ist damit, dass er endlich das Geschäft aufgibt und in Pension geht.
Mit welchen Schwierigkeiten eine Geschäftsauflösung verbunden sein kann, schildert eine Verwandte. Nach einem Jahrzehnt Selbstständigkeit, mit einem Fachgeschäft für biologische Unterwäsche beiderlei Geschlechts, hatte sie keine Freude mehr am risikoreichen Unternehmersein. Schon seit längerem hat sie nach einem geregelten Einkommen und einer geregelten Arbeitszeit geschielt. Vor einem halben Jahr hat sie den Laden aufgelöst und will in ihren erlernten Beruf als Altenbetreuerin zurückkehren. Beim Abverkauf des Warenlagers ist es tadellos verlaufen, einen kleinen Hacken gibt es. In ihrem Wohnungskeller stapelt sich biologische Unterwäsche, die sie während des Ausverkaufs nicht an den Mann und die Frau gebracht hat. Zumeist sind es Größen und Ausführungen die selten gefragt sind. Jetzt rätselt sie darüber wie sie diese Restposten, nochmals preisreduziert, verkaufen könnte. Eine Möglichkeit wäre Stammkunden persönlich anzuschreiben und auf die Restposten aufmerksam zu machen. Zum Anderem bietet sich auf Flohmärkten die Gelegenheit die Kellerware an die Schnäppchensucher zu verhökern. Auf jeden Fall werden Verwandte und Freunde bei Geburtstagen, Einladungen, Jubiläen und auch dieses Jahr zu Weihnachten mit biologischer Unterwäsche beglückt.
Trotz dieses Handikaps ist der Cousine die Erleichterung, dass sie nicht mehr selbstständig ist, anzumerken. Es sei ihr eine Last von der Schulter gefallen. Daran kann auch eine noch zu erwartende Steuerprüfung nichts ändern.
Geschäft ade.