garten:wohnung

Am Vormittag ist es katzenmäusestill, man hat das Gefühl allein in der Wohnanlage zu sein. Die Mitbewohner hat es in alle Richtungen zerstreut, so versäumen sie die Ruhezeiten. In die lärmarme Mittagszeit bricht die Geschwätzigkeit der Kinder. Es gibt einen Unterschied zwischen Null und Eins, zwischen Schultagen und Ferientagen.

Anders als bei den Berufstätigen sowie der Hausfrauen mit ihren Fixzeiten, laufen die Aktivitäten der Pensionisten ab. Diese sind unberechenbar, bei denen lässt sich kein Zeitschema festmachen, ähnlich dem Zufallsgenerator bei der Lottoziehung. Vergleichbar mit dem russischen Roulette. Man weiß nicht, ist die Pistole geladen oder nicht. Der Tagesablauf bei den Senioren gleicht dem eines Vulkan. Niemand kann etwas genaues sagen, wann der nächste Ausbruch kommt. Dies kann am späten Abend oder auch nachts sein, wenn der Druck im Inneren zu groß wird. Sie agieren unvorhersehbar und teilweise weiß ich wovon ich spreche. Plötzlich bedarf es eines Ausbruchs aus der Alltagsroutine. Dabei spielt die Uhrzeit keine Rolle, jede Tages- und Nachtzeit kann dafür rechtens sein.Gleichmäßigkeit und Regelmäßigkeit war einmal und kommt im späteren Alter nicht mehr vor. Sie sind vergangen wie die Schönheit und die Geschmeidigkeit des Körpers.

Der Zeitpunkt, wo sie zurückrudern, ist dann gekommen, wenn die Instandhaltung eines Wohnhauses und die Pflege des Gartens lästig werden. In den meisten Fällen ist das Haus mit der Hilfe der eigenen Hände entstanden. Im Laufe der Jahre hat man von seiner Freizeit viel in die Wartung des Hauses investiert. Die handwerklichen Tätigkeiten waren nicht immer Last, vielfach auch Lust. Das Heimwerken konnten auch die Nachbarn nachvollziehen und es bedeutete Sinnerfüllung für das eigene Leben. Die Stunden, welche man im Gemüse- und Obstgarten gearbeitet hat, übertrafen die Mußestunden. Zuallererst hatte man den Garten für die Muße geplant.

Hollywoodschaukel

last:träger

Mit welchen Schwierigkeiten und Risiken eine Geschäftsauflösung verbunden ist, schilderte eine Verwandte. Nach einem Jahrzehnt Selbstständigkeit, mit einem Fachgeschäft für biologische Unterwäsche beiderlei Geschlechts, hat sie keine Freude mehr am risikoreichen Unternehmersein. Seit längerem hat sie sich nach dem geregelten Einkommen und der geregelter Arbeitszeit in ihrem erlernten Beruf, in der Altenbetreuung, geschielt. Vor einem halben Jahr hat sie den Laden geschlossen und will in ihren erlernten bzw. studierten Beruf zurückkehren. Bei dem Abverkauf und der Geschäftsauflösung ist vieles tadellos verlaufen, einen kleinen Hacken gibt es. In ihrem Wohnungskeller stapeln sich biologische Unterwäsche, die sie während des Abverkaufs nicht an den Mann und die Frau gebracht hat. Zumeist in Größen und Ausführungen, die eher selten gefragt sind. Jetzt rätselt sie darüber, wie sie diese Restposten, natürlich preisreduziert, verkaufen könnte. Eine Möglichkeit wäre ehemalige Stammkunden persönlich anzuschreiben und auf die Restposten aufmerksam zu machen. Zum Anderem böte sich auf Flohmärkten die Gelegenheit diese Kellerware an die Schnäppchensucher zu verhökern. Auf jeden Fall werden Verwandte und Freunde bei aktuellen Anlässen, wie Geburtstage, Einladungen, Jubiläen und voraussichtlich auch zu Weihnachten mit biologischer Unterwäsche beglückt.

Trotz dieses Handikap ist der Cousine die Erleichterung, dass sie nicht mehr selbstständig ist, anzumerken. Es sei ihr eine Last von der Schulter gefallen. Daran kann auch eine noch zu erwartende Steuerprüfung nichts ändern.

Lastenfrei.

handy:manie

Hätte Ötzi, ich meine den Mann im Eis, bereits ein Handy gehabt, hätte er vielleicht überlebt. Er wäre aber nicht so berühmt geworden. Berühmt zu werden, ist der Antrieb für die Selbstdarstellung in Verbindung mit den digitalen Medien. Dafür gibt es eine lange Tradition. Wir kennen alle die Porträts in den Museen von Fürstbischöfen, Kaiser und Adeligen. Seit den 90er Jahren gibt es im Fernsehen die Talkshow. In diesen Sendungen äußern sich Menschen von der Straße zu den Themen Partnerbeziehung, Seitensprung und Sex ganz offen. Zu den Vorreitern zählte RTL mit seiner Sendung der Heiße Stuhl, die Barbara Karlichshow im ORF lockt heute noch viele Zuschauer an.

Die neuen Plattformen der Selbstdarstellung, wie Weblogs, YouTube und Facebook  verbreiteten sich rasch im Internet. Auf diesen Webseiten ist es für jedermann möglich seine Meinung zu allem und jeden zu äußern. Lange Zeit war dies nur für Journalisten in den Tageszeitungen und im Fernsehen möglich. Blogs breiteten sich ab dem Jahre  2000 über die westliche Welt aus. Viele Blogger bleiben anonym und erzählen von ihren Problemen, sei es Scheidung, Missbrauch oder Geschlechtsumwandlung, so bunt wie das Leben. Von ihren Kochkünsten und Haustieren, aber auch Kommentare zum Tagesgeschehen. In ausführlicherer Form als es auf Twitter und Facebook möglich ist. In den Blogs findet eine permanente Kommunikation statt, das Werkzeug dafür ist die Kommentarfunktion. Der Blogger schlüpft oft in eine neue Identität, die sich von seinem Alltagsleben unterscheidet.

In aller Munde, genauer gesagt auf allen PC und Handys ist Facebook installiert. Wie dieses in das Leben der Benützer eindringt, Zeit und Aufmerksamkeit verlangt, kann man gut in der Aula der Alpen Adria Universität und in den Hörsälen beobachten. Ähnlich den Kettenrauchern werden am PC oder am Handy permanent die neuesten Post gelesen oder geschrieben. Wahrscheinlich verliert ein Jugendlicher, teilweise auch die Senioren an Image, wenn sie nicht so und so viele Facebookfreunde haben? Viele Schnappschüsse, die eine persönliche Ausnahmesituation zeigen, werden auf Facebook und YouTube hochgeladen.

Mit der Verbreitung der digitalen Medien wurde ein neues Zeitverständnis notwendig, eine neue Art der Zeitplanung. Hatte man früher Termine und Verabredungen auf Wochen oder Tage voraus geplant, so heißt es heute: „Wir telefonieren noch  miteinander“. Man trennt sich ohne einen konkreten Termin zu vereinbaren, weil man ja jederzeit telefonisch erreichbar ist. Dies macht eine Tagesplanung äußert  anstrengend und wird auch seine Folgen in der Lebensplanung haben. Bei einer Lehrveranstaltung wurde für die Arbeitsgruppe ein Facebookforum eingerichtet. Über dieses sollten die Beiträge und die Terminplanung abgewickelt werden. Um einen gemeinsamen Termin vor der Uni-Bibliothek zu organisieren hat es fünfunddreißig Post auf Facebook gebraucht. Dabei bestand die Möglichkeit am Ende der Vorlesung diesen Termin persönlich auszumachen.

Lebe leichter

 

unken:ruf III

Nach diesem historischen Rückblick empfinde ich es wohltuend und unspektakulär, wenn ich bei einem Besuch des Residenzschloßes Ludwigsburg im Gewächshaus folgende Ankündigung gelesen habe: Regionaltreffen „der Gesellschaft für fleischfressende Pflanzen,“ Ludwigsburg 4.bis 5.Juni 2016. Danach folgen die Ankündigung verschiedener Programmpunkte, die Auflistung der botanischen Referate und deren Referenten.

Hinter dem Anspruch fleischfressender Pflanzen stellt man sich als Außenstehender schreckliches vor, bis zu menschenfressenden Pflanzen. Wie die Ausstellung im dortigen Gewächshaus zeigt sind damit Pflanzen und Blumen gemeint, welche in der Lage sind, Mücken oder andere kleine Insekten festzuhalten. Danach werden sie durch die Magensäfte der Pflanzen verdaut. Das Berühren der Pflanzen mit einem Finger hat für den Menschen keinerlei Folgen. Schön, wenn sich Menschen von den aktuellen Kriegs- und Terror- und Vergewaltigungsszenarien abkoppeln können und sich über ein Wochenende den Gefahren, welche von den fleischfressenden Pflanzen ausgehen, zuwenden.

Bei der Bestellung von Original schwäbischen Maultaschen, die nur einmal in der Woche serviert werden, mittwochs, erfahren wir nach ein paar unverbindlichen Sätzen, einiges aus dem Leben der Rathauskellnerin. Sie bedauert, dass ihr älterer Freund, welcher über siebzig Jahre alt ist, noch immer nicht in Pension gehen will. Sein Papiergeschäft, insbesondere sein Handel mit Münzen lässt ihn nicht los. Täglich eilt er morgens vor acht in den Laden, um abends nach 18 Uhr nach Hause zu kommen. Es gibt keinen größeren Urlaub im Jahr und dies schon über Jahrzehnte. Nur eine gesundheitliche Beeinträchtigung, welche sie ihm nicht wünscht, könnte ihn zum Einlenken bringen. Damit ist gemeint, dass er endlich in Pension geht.

Rosengarten

unken:ruf II

Mit diesem Hintergrund kann ich die Aufgeregtheit mit welcher tagesaktuelle Vorgänge diskutiert werden nicht immer nachvollziehen. Seien es die Aussagen im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, die Abstimmung der Engländer über einen EU Austritt oder einen gewollten Ausschluss Griechenlands aus der EU. Schon gar nicht lasse ich mich von den Versprechungen eines neuen österreichischen Bundeskanzler einlullen. Noch weniger glaube ich, dass es einen neuen politischen Stil bei Postenbesetzungen oder bei der Korruption geben wird.

Beim Fortschritt, welche der Westen beim Atomabkommen mit dem Iran erzielt hat fällt mir ein, dass unsere Familie in die Wirren der iranischen Revolution involviert war. Als der Schah von Persien aus dem Land geflohen und Khomeni im Feber 1979 aus dem Pariser Exil in den Iran zurückkehrte, wurden die engsten Gefolgsleute des Schahs, Minister und höchsten Beamte in Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Die Hinrichtungen passierten in der Öffentlichkeit. Die Zeitschrift „Der Spiegel“ berichtete von den öffentlichen Hinrichtungen und davon gab es auch Fotos. Auf einem der Fotos standen mehrere LKW nebeneinander und am LKW-Kran baumelten, die durch Strang Hingerichteten. Dadurch konnte man das Firmenschild der Herstellerfirma gut lesen. Ein Bruder arbeitete damals bei der Firma, welche die Kranaufbauten für die LKW herstellten. Die Lkws wurden noch von der Schah Administration bestellt und ausgeliefert. So rutschten wir in das Rad der Weltgeschichte. Heute hoffen viele Nationen im Iran beim Aufbau der Infrastruktur und dem Liefern von Konsum- und Industriegütern gute Geschäfte zu machen.

Freiheit