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Kommentar zu paradies:verlust

Früher wurden die alten Menschen, in den meist größeren Familien, mehr oder weniger gut gepflegt. Die Kinder waren also täglich mit dem Alterungsprozess der Großeltern konfrontiert. Sie haben sowieso ein unkomplizierteres, angstfreieres Verhältnis zum Tod. Wenn die Pflege zu Hause nicht möglich ist, ist die Unterbringung in einer Seniorenresidenz, die heute schon jeglichen Komfort bietet, und auch einiges kostet, eine Entlastung der Angehörigen.

Also wie ist das mit Himmel und Hölle und mit dem Leben nach dem Tod?

Der Tod, sagte Sokrates, scheidet die Seele vom Körper. Sein Schüler Plato lehrte, wie Jesus später, die Unsterblichkeit der Seele. Ich meine, der Tod ist nur eine Verwandlung einer Lebensform in die andere. So wie wir es auch von der Natur kennen. Der Priester verwandelt symbolisch, Wein und Brot in das Blut und den Leib Christi. Er tut dies zu seinem Gedächtnis, wie Jesus es wollte. Während das Lebendige stirbt, bringt der Tod neues Leben hervor.

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un:ruhe

Über den Hotels und den Häusern von Opatija erhebt sich am Hang die bis heute unvollendete Kirche, „Maria Verkündigung“. Die Grundsteinlegung erfolgte im Jahre 1906 durch den Wiener Kardinal Nagel. Der Bau wurde bei Ausbruch des 1. Weltkrieges  eingestellt und erst im Jahre 1927 wieder fortgeführt. In den folgenden Jahren wurde die Kuppel gebaut, die Kirche mit einem Dach versehen und die Kirchenfenster eingesetzt. Der Altarraum ist bis heute unvollendet. Die Kirche ist über eine breite Mitteltreppe und zwei Seitenaufgängen von der Stadt erreichbar. Im Urlaub kommt man selten zur Ruhe, meistens ist man in Unruhe. Vor der Kirche ist ein schöner Platz um sich auszuruhen. Die natürliche Umgebung tut den Augen gut. Die Zypressen, die Kastanien- und Feigenbäume, sowie die Palmen  wachsen wild, ohne Pflege. Die Blumen und Sträucher rund um die Kirche werden kaum betreut. Die Sonne scheint und die Meeresoberfläche leuchtet zwischen den  renovierungsbedürftigen Villen durch. Manches Dach hat einen blauen Abschluss. Hier sitzen keine zahlenden, daher fordernden Gäste Capuccinotrinkend auf der Terrasse. Den Vogelgesang gibt es in Stereo. Einmal zwitschern die Vögel rechts, dann drei Vögel hinter einem oder ein einzelner Vogel erhebt seine Stimme zum Sonnengesang. Vom Meer kommt kein Laut, kein Geräusch, mit den Wellen hat man Augenkontakt. Oft wird es dazwischen ganz still, dann unterbricht der Schrei einer Katze oder Hundegebell die Stille. Die vielen Hochhäuser von Rijeka erscheinen aus der großen Entfernung wie große Bäume im Häusermeer.

Ruhestand.

paradies:verlust

Heute sind die alten Menschen in Altersheimen untergebracht, in modernen, lichtdurchfluteten und mit Blumenschmuck versehenen Seniorenresidenzen aus Glas, Stahl und Beton. Die Betreuung der alten Menschen in eigenen Heimen zu konzentrieren, bündelt die Betreuung und garantiert eine bessere medizinische  Versorgung. Der andere Grund dafür ist, uns den Blick auf das Alter zu ersparen, weil wir dabei mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert werden. Dies verweist auch auf unsere Schwierigkeiten mit dem Glauben, wir werden mit unserem Nichtglauben konfrontiert. Bis in die Neuzeit war der christliche Glaube an Himmel und Hölle in Mitteleuropa fest verankert. Damals waren die Plagen des Alltags, die Krankheit, das Siechtum und das Sterben nur eine Übergangsphase in das himmlische Paradies. Im Himmel erwarteten diejenigen, die glaubten und ihre Sünden bereuten, das schönere Leben.

Heute erwartet den aufgeklärten, den industrialisierten und globalvernetzten Menschen nach dem Tod das Nichts. Umso größer ist der Hunger nach dem ästhetischen Bild, nach dem Schönen in der Kunst. Von den Meisten wird die zeitgemäße Kunst, die dem Menschen einen Spiegel vorhält, abgelehnt. Die Bilder von verstörten Menschen auf der Flucht, zerfetzte Leiber vom Bürgerkrieg und zerstörter Umwelt werden als ein flüchtiger Moment in den Fernsehnachrichten akzeptiert, nicht als Gemälde, Fotomontage oder Installation. Wir sind dabei ein käufliches Paradies auf Erden zu schaffen, je mehr wir nach dem Paradies streben, umso weniger paradiesisch wird es in und um uns.

Morgen wirst du mit mir im Paradies sein.

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Im Werk von Cornelius Kolig, (geb. 7. September 1942 in Vorderberg) spielen die menschlichen Ausscheidungen bei vielen Skizzen, Objekten und Installationen eine wichtige Rolle. Sogenanntes vulgäres wird in den Kunstrang erhoben, er führt das Alltägliche in seiner ganzen Blöße vor und zeigt dabei dem Betrachter nicht mehr als die Realität. Kolig  wendet sich Körperteilen und Körperfunktionen zu, die in der Kunst ausgeklammert wurden. Bedeuten diese Darstellungen eine Abkehr von der Ästhetik wie wir sie von den Griechen kennen und wie sie Winckelmann propagiert? Es handelt sich um eine Erweiterung der Ästhetik, es führt zu einer Ästhetik der Ausscheidungen. Die körpereigenen Ausscheidungen wie Schweiß, Schleim, Urin oder Kot wurden auch zu einem Thema in der Kunst, bisher waren sie eine Fundgrube für die  Medizin, für Hinweise  über den Gesundheitszustand des Menschen. Die Ärzte verlangt es nach Proben von Stuhl, Urin, Hustenschleim und Blut, nach Hautproben und Gewebeproben um eine Diagnose zu stellen. Als gesundheits- und schönheitsverliebte Menschen geben wir die Proben der Ausscheidungen, verbunden mit einer Portion schwarzen Humor ab. Schamhaft, in einer Plastiktasche versteckt werden sie in das Hinterzimmer der Arztpraxis gestellt. Die Künstler erweitern den medizinischen Aspekt um den Künstlerischen.

Von den Plakatwänden und aus den Illustrierten strahlt uns das kommerzielle Schönheitsideal entgegen,  da bedeuten Ausscheidungen und Verwesung einen vorweggenommenen Sterbeprozess. Es erinnert uns an die Gebrechlichkeit des Alters und an unsere Vergänglichkeit. Ich erinnere mich an das verhutzelte Gesicht der Tante, die in eine alte Strickweste gehüllt, in einer Ecke der Bauernstube auf dem Sofa gesessen ist. In sich zusammengesunken hat sie vor sich hin gedöst und gesabbert, neben ihr auf dem Stuhl eine Schüssel mit Apfelkompott und ein Stück Reindling. Immer wieder hat sie nach dem Wochentag gefragt, vor allem danach, wann Sonntag ist, weil sie dann das schöne Kleid anziehen müsste. Wenn Sonntag ist, muss man ihr dies sagen und ihr das schöne Kleid zum Anziehen geben und ihr die Haare kämmen. Ist jemand in die Stube gekommen, dann hat sie danach gefragt, wer es ist. Niemand hat ihr geantwortet. Nachts ist sie in der Ecke von der Stube auf dem Diwan gelegen und darunter der Brunzhäfn.